Frank Lipowski: „Anleihen erfüllen wieder ihren Zweck“
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Frank Lipowski: „Anleihen erfüllen wieder ihren Zweck“

Zuletzt gab es einige Bewegungen an den Märkten. Ein ideales Umfeld, um sich einmal grundsätzliche Fragen zur Geldanlage zu stellen. Frank Lipowski gibt Antworten – zu seiner bevorzugten Anlageklasse, den Anleihen.

Herr Lipowski, an den Finanzmärkten ging es zuletzt wieder etwas turbulenter zu. Wie entwickelten sich Anleihen?

Die Renditen sind zuletzt wieder gesunken – eine Entwicklung, die bereits im Frühjahr begann und sich in den vergangenen Tagen beschleunigt hat. So sanken die Renditen von 10-jährigen US-Staatsanleihen von Ende April bis zu dem Tief Anfang August etwa um gut ein Prozent. Letztendlich bewegen wir uns nun aber auch nur auf den Niveaus des Jahresanfangs, als die Zentralbanken mit einem noch akutem Inflationsdruck zu kämpfen hatten.

Was ist der Grund für den Renditeschwund?

Die Märkte rechnen damit, dass die US-Konjunktur weniger gut läuft, als erwartet – und die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihre Zinsen bald deutlich senken wird. Am Markt sind für dieses Jahr Zinssenkungen zusammengenommen von rund einem Prozent eingepreist. Ob sich die Erwartungen erfüllen werden, wird sich zeigen. Bisher hat die Fed – anders als die Europäische Zentralbank (EZB) – noch keine Zinssenkung von den hohen Niveaus vorgenommen. Trotz der jüngsten Datenlage. Letztendlich wird es auch keinen großen Unterschied machen, ob die Notenbanker zwei, drei oder vier Zinsschritte noch in diesem Jahr vornehmen werden.

Worauf kommt es an?

Es geht darum, wie stark und nachhaltig sich die Wirtschaft und Inflation abkühlen und welche Maßnahmen im Jahr 2025 notwendig sein werden. Wichtig ist auch, in welchem Bereich sich in einem möglichen Zinsabwärtszyklus das untere Zielniveau einpendelt, ohne dass es sofort wieder zur Überhitzung der Wirtschaft oder Inflation kommt. Wir haben bereits im vergangenen Jahr auf erste Anzeichen hingewiesen, dass sich die US-Wirtschaft und somit auch die globale Dynamik abschwächen könnte. Unsere These damals basierte darauf, dass es insbesondere mit Blick auf den für die US-Wirtschaft wichtigen Konsum nicht so glatt läuft, wie erhofft.

Was meinen Sie konkret?

Die während der Corona-Pandemie angehäuften Sparguthaben der Amerikaner sind deutlich gesunken. Gleichfalls sind die Zinsen für die Konsumkredite, etwa bei Kreditkarten und mit dem deutschen Dispokredit vergleichbaren Krediten hochgeschnellt – ebenso wie die Kosten des alltäglichen Lebens. Es gab Meldungen von Unternehmen, die in eine ähnliche Richtung gehen, etwa der Anstieg der Sparmenü-Offerten bei McDonald‘s. Der US-Konsument schien zunehmend in die Zange genommen worden zu sein – zwischen einer hohen Inflation und der gestiegenen Zinslast. Zuletzt kamen dann noch schlechter als erwartete Daten vom US-Arbeitsmarkt, der sich bislang immer robust zeigte. Und hier liegt der Knackpunkt: Die US-Notenbank hat ein duales Mandat – anders als die EZB, die „nur“ auf die Preisstabilität zu achten hat. Die US-Notenbank soll auch den Arbeitsmarkt unterstützen. Bei der Fed verschiebt sich derzeit der Fokus.

Droht der USA eine Rezession?

Bei Konjunkturprognosen halten wir uns grundsätzlich zurück. Zudem ist die Bezeichnung „Rezession“ manchmal auch ein etwas überstrapazierter Begriff. Oft werden in dem Kontext Vergleiche mit der Finanzkrise 2008/2009 angestellt. Dieser Vergleich würde aus unserer Sicht aber etwas zu gewaltig erscheinen. Eine wirtschaftliche Abkühlung ist aber sicherlich möglich. Europa kommt nicht in Schwung, China hat nennenswerte Wachstumsprobleme. Irgendwann wird die Last für die USA, das globale Wachstum fast im Alleingang zu tragen, dann vielleicht zu groß. Und würden sich die Daten erhärten, erscheinen die gesetzten Zinsen durch Notenbanken und Markt im Kontext rückläufiger Inflation und schwachen Wachstums sicherlich nicht nachhaltig. Wir als Portfoliomanager bleiben daher im Moment sehr pragmatisch, schauen uns die Datenlage an und adjustieren im Zweifel sehr schnell. Auch die Unternehmensberichte und -ausblicke dienen uns als Frühindikatoren.

Was bedeuten sinkende Renditen für Anleger und Anlegerinnen?

Wenn die Renditen neuer Anleiheemissionen sinken, steigt natürlich die Attraktivität der „alten“ Titel im Bestand, die noch deutlich höher verzinst sind. Dann steigen die Kurse von liquiden Anleihen, die jederzeit handelbar sind. Im aktuellen Umfeld erfüllen Bonds wieder ihre vielleicht wichtigste Funktion, neben den recht konstanten und berechenbaren Erträgen: Sie sind ein Puffer für gemischte Depots, wenn es an den Aktienmärkten turbulenter zugeht. Das ist die gute Nachricht.

Gibt es auch eine schlechte Nachricht?

Ganz so einfach ist es nicht. Der Puffer funktioniert natürlich nur, wenn man die richtigen Titel im Portfolio hat. In der turbulenteren Phase Anfang August zogen etwa die Risikoaufschläge der Bonds von Emittenten schwächerer Bonität deutlich hoch – was wiederum die Kurse zumindest so weit belastete, dass die genannten positiven Effekte nicht griffen. Dabei geht es nicht zwingend sofort um gestiegene Ausfallsraten an sich. Die meisten Unternehmen „kippen nicht um“, wenn die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt mal schwächeln. Was aber nun wieder an Bedeutung gewinnt, sind die veränderten Präferenzen der Marktteilnehmer hinsichtlich Sicherheit und Liquidität, was wiederum die Risikoprämien beeinflusst und so das Gefüge im Markt verändert.

Wie reagieren Sie darauf?

Unsere Analysten prüfen bei jedem Emittenten sehr genau, ob Chancen und Risiken angemessen honoriert werden. Wir verlassen uns dabei nicht nur auf die Urteile der Ratingagenturen. Genauso achten wir neben den fundamentalen Informationen auf die Kapitalflüsse im Markt – also auf Trends. Denn letztendlich bestimmen Angebot und Nachfrage die Bewertungen. Und Übertreibungen in die ein oder andere Richtung können schon mal Chancen bieten.

Wie sieht es mit Währungsrisiken aus?

Ein guter Punkt, der gerade von Privatanlegern oftmals vernachlässigt wird. Bei den Turbulenzen in den USA fielen die Renditen der Bonds, gleichfalls verlor der US-Dollar zum Euro an Wert. Europäische Anleger konnten also nicht im vollen Umfang profitieren. Wir sichern uns in unserem Fonds, dem Flossbach von Storch - Bond Opportunities immer in einem relevanten Umfang gegen Devisenschwankungen ab. Das ist ein grundsätzlicher Bestandteil unserer Anlagestrategie.

Was haben Sie in der turbulenten Marktphase in Ihrem Portfolio geändert?

Wenn es am Markt zu Bewegungen kommt, ist es natürlich besser, wenn man vorher solide aufgestellt ist. Zum Stand Ende Juli lag der Bestand an Titeln mit AAA- bis BBB-Rating bei rund 96 Prozent. Rund 43 Prozent des Bestandes lagen in Staatsanleihen, Pfandbriefen und Hypothekenanleihen. Wir waren für unsere Verhältnisse eher defensiv aufgestellt. Die Zinssensitivität (Duration) hatten wir in den Sommerwochen erhöht und zur Steuerung haben wir Terminkontrakte eingesetzt (Bund Futures und US-Staatsanleihe-Futures), um gerade bei Kurzläufern den Druck zu erhöhen. Dies zahlte sich aus, als in der Hektik von Anfang August gerade die kurzfristigen Zinsen stark abrutschten. So sind wir in die turbulente Marktphase reingegangen.

Wie ging es weiter? Wie haben Sie die Turbulenzen genutzt?

Nachdem sich die erhöhte Duration auszahlte, haben wir hier erste Gewinne bei Staatsanleihen und entsprechenden Derivaten mitgenommen und die Zinssensitivität sehr zeitnah etwas gesenkt. Gleichzeitig haben wir den Bestand an Unternehmenstiteln von hoher Qualität zu attraktiveren Risikoaufschlägen (Spreads) erhöht. So sicherten wir uns vorübergehende Gewinne durch den Fall der Zinsen. Gleichfalls ist die laufende Verzinsung aktuell aber kaum geringer als vor der turbulenten Marktphase. Titel von Emittenten schwächerer Qualität (High Yield) kauften wir nur sehr gezielt, denn dieses Marktsegment erschien uns mit Blick auf mögliche Chancen und Risiken noch nicht attraktiv bepreist. Diese Umschichtungen passieren oft simultan und erfordern viel Einsatz von allen Kollegen, eine Sommerpause sieht anders aus. Letztlich ist das alles aber nur eine Momentaufnahme.

Was erwarten Sie für die Zukunft?

Wir haben keine Glaskugel. Mit Marktprognosen halten wir uns zurück und agieren pragmatisch. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, wie wichtig eine flexible, sehr aktive Anlagestrategie im Anleihenmarkt ist. Es gilt, sich schnell an dynamische Entwicklungen anzupassen. Wir schätzen kontinuierlich ein, wie sich das Umfeld ändert. Im Idealfall sind wir vorneweg – und vielleicht noch wichtiger: Wenn nicht, sind wir immer noch angemessen aufgestellt. Wir setzen niemals alles auf eine Karte. Letztlich geht es immer um eine kaufmännische Sicht des Marktes. Werden Chancen und Risiken angemessen bepreist? Wie kann man von Übertreibungen am Anleihemarkt, die häufiger vorkommen, antizyklisch profitieren? Das sind Fragen, die wir uns täglich stellen.

Herr Lipowski, wir danken für das Gespräch.

Frank Lipowski ist Portfoliomanager des Flossbach von Storch Bond - Opportunities.

Fondsdetails: Chancen und Risiken



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