Freiheit in den Zeiten von Corona
Zunächst einmal gilt es anzuerkennen, wie viele Menschen in Zeiten der Corona Pandemie verlässlich dazu beitragen, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme, das Gesundheitssystem und die Elementarversorgung nicht zusammenbrechen. Ein Dank den Krankenschwestern, Pflegern, Kassiererinnen, den Reinigungsfachkräften, Regalbefüllern, Ärzten und Apothekern, dem medizinischen, pharmazeutischen und technischen Personal, all denen, die für andere einkaufen, die Abstand halten und die Geduld haben und leben!
Wir befinden uns in einer besonderen Situation, die jedem viel abverlangt und in der vor allem Rücksichtnahme und Solidarität gefragt ist. Was jedoch nicht zu verlangen ist, was nie verlangt werden darf, das ist Kritiklosigkeit und das sind Denkverbote!
Gerade jetzt hört und liest man häufig, dass der, der immer noch diese oder jene offiziellen Zahlen bezweifle, gar nichts verstanden habe, seinen mentalen Gesundheitszustand überprüfen solle, ein menschenverachtender Zyniker sei, usw.
Ein SPD-Bundestagsabgeordneter will, dass gegen Fake-News mit der ganzen Wucht des Strafrechts vorgegangen werde. Der Leiter des Gesundheitsamtes Ravensburg, zeigt einen Arzt bei der Ärztekammer an, weil der Arzt den Beitrag eines Wissenschaftlers und Virologen an seine Patienten weiterleitet, in dem der Hype um die Corona Statistiken kritisiert wird. Bundesinnenminister Seehofer beabsichtigt auf Daten von Mobiltelefonen zuzugreifen, um zu kontrollieren, wer einem Infizierten wie nahe kommt. Sein Parteifreund Söder lässt sich als schnell entschlossener Entscheider feiern, dabei ist das, was er besonders schnell und entscheidungsfreudig vollbringt, in erster Linie die Einschränkung der Freiheitsrechte der in Bayern lebenden Menschen.
Diese Maßnahmen und Meinungen kann und darf man gut und richtig finden. Man kann und darf sie aber auch falsch und besorgniserregend finden. Und das darf man auch äußern.
Wer soll nach Ansicht des SPD-Bundesabgeordneten denn entscheiden, was „fake“ im Sinne von „gezielt irreführend“ ist und was lediglich eine Meinungsäußerung? Google, Facebook und Instagram? Denken wir wirklich auf politischer Ebene über ein Outsourcing von Zensurrechten an amerikanische Unternehmensgiganten nach?
Glaubt der Herr Amtsleiter am Gesundheitsamt, dass er oder die Ärztekammer kompetent und berufen sind, über eine Beschränkung der Meinungsfreiheit Gericht zu halten? Wie der Schuster beim Leisten, so sollte der Arzt beim Stethoskop bleiben und der Beamte beim Ausführen geltenden Rechts.
Was hilft die Idee des Bundesinnenministers gegen die Ausbreitung von Corona, wenn wir nirgendwo im Land wissen, wie viele Menschen wirklich infiziert sind? Wenn wir es gar nicht erfassen können und vielleicht auch gar nicht wollen. Denn es werden doch sowieso nur diejenigen zum Test zugelassen, die Kontakt zum einem nachgewiesen Infizierten hatten oder aus einem Risikogebiet kommen. Wer nur mit einem Familienmitglied eines festgestellt Infizierten Kontakt hatte, wird nirgends getestet, selbst wenn er Symptome zeigt. Nimmt Herr Seehofer nicht viel eher die Corona-Pandemie zum Vorwand, um lang gehegte Träume einer generellen Ausdehnung der virtuellen Überwachung aller durchzusetzen? Und wenn es ihm gelingt, diese für Corona durchzusetzen, wird sie dann wieder aufgehoben, wenn wir Corona überwunden haben, oder will er oder sein Nachfolger sie dann weiterverwenden, gar für die Ahndung von Verkehrs- und Parkverstößen?
Das schnelle Eingreifen der bayerischen Landesregierung, wie auch das Eingreifen vieler anderer Regierungen, wird von vielen als große Führungsstärke gelobt. „Endlich wird gehandelt und nicht nur debattiert.“ Doch was wird denn getan? Man kopiert die Maßnahmen der Volksrepublik China, eines Staates, der für viel aber nicht für seine Rücksicht auf die Grund- und Freiheitsrechte seiner Bürger bekannt ist, und von Italien, das die Ausbreitung des Virus so lange ignoriert haben muss, dass es hat überhaupt zu dem Ausmaß kommen können, das wir jeden Tag auf den Bildschirmen und in den Berichten sehen.
Tatsächlich wird aus meiner Sicht vor allem eines deutlich: die gesamte - und insbesondere die sog. entwickelte Welt – ist und war auf eine Atemwegspandemie völlig unvorbereitet. Es gab kein Konzept, wen man am besten schützt und isoliert. Interessanter Weise isolieren die Schweden die Risikogruppen und lassen ansonsten das öffentliche Leben so unbeschränkt wie möglich. Die Maßnahmen von Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, von Kontakt- und Arbeitsverboten, verordneten Geschäftsschließungen bis hin zur finanziellen Abmilderung der Folgen dieser Maßnahmen im Billionen Euro Rahmen (alleine in der Bundesrepublik) zeugen von einer tiefgreifenden Hilflosigkeit der Gesundheitssysteme und der Regierungen.
Es erscheint nahezu zynisch, wenn diese Hilflosigkeit durch die zunehmende Beschränkung der persönlichen Freiheit aller verdeckt wird und eben das nicht nur auf großen Beifall stößt, sondern an mancher Stelle in einen Fanatismus, der jeder Art von kritischer Auseinandersetzung Sinn und Verstand abspricht.
Der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orban, hat im Schatten von Corona bereits die Legislative entmachtet. An der Entmachtung der Judikative arbeitet er ja schon seit Jahren. Außerdem hat er den freien Journalismus mit einem Verbot des In-Verkehr-Bringens von „Fake News“ faktisch massiv beschränkt, denn er hat den Begriff „Fake-News“ bewusst breit und unklar definiert, so dass nun jeder Journalist fürchten muss, bei der Verbreitung von nicht regierungskonformen Berichten, Polizei und Staatsanwaltschaft an den Hals zu bekommen.
Die meisten Verfassungen sehen zu Recht klare Abwägungsvorgaben und –prozesse vor, die Voraussetzung für Einschränkungen der Grundrechte sind. Ich tue mich schwer nachzuvollziehen, dass diese bei den Corona-Maßnahmen allesamt eingehalten wurden.
Lassen Sie uns kritisch bleiben und lassen Sie uns das hinterfragen, was uns vorgesetzt wird – gerade dann, wenn eine Maßnahme die nächste jagt! Dann funktioniert Demokratie und dann funktioniert letztlich auch Freiheit!
Head Legal Affairs & Insurances, Prokurist Andritz Hydro GmbH
4 JahreVor zwei bis drei Wochen, als jeder noch schneller einschneidende Maßnahmen ankündigte, hatten wir ein Schaulaufen der Staatsgewalten. Und demjenigen, der am wenigsten abwägt, ob die Maßnahmen angemessen sind, dem wird besondere Führungskompetenz attestiert. Ernsthaft?
Lieber Uli, Danke! Du sprichst eine fundamentale Frage an. Es ist für unsere Generation interessant zu sehen wie schnell unsere demokratische Gesellschaft bereit ist ins Totalitäre abzugleiten. Wie immer geschieht dies mit begeisterter Zustimmung vieler. Wer bestimmt eigentlich wann die Krise vorbei ist? Und wer legt fest wann die nächste Krise beginnt, die "harte Maßnahmen" erfordert? Auch das goldene Wienerherz ist wieder im Vormarsch (mein Lieblingspost beim Facebook Account der Wiener Polizei: "Mein Nachbar sitzt mit zwei auswärtigen Freunden auf der Terrasse und säuft!"). Ein Zitat unseres Bundeskanzlers machte mich auch stutzig: "Vertrauen Sie keinen Beschwichtigern, auch nicht von Fachleuten." Wir entfernen uns von evidenzbasierten Maßnahmen immer weiter, aber wohin?