Gedanken zum Schutz der Kultur in Zeiten von Corona
Europa hat eine fast einmalige Kultur, mit einer wunderbaren Mischung aus Kleinunternehmen, Mittelstand und Großindustrie. Wir alle profitieren von dieser gesunden Mischung, wo die Industrie den Reichtum und das Wachstum bringt, der Mittelstand die Kreativität und Innovationskraft hat, dass die Industrie stark wachsen kann und der Einzelhandel eine Diversität erzeugt, die wir alle lieben und schätzen.
Leider werden in Krisen die Kleinen und Schwachen immer zuerst getroffen, weil diese mit weniger Gewinn weniger Rücklagen bilden können und sehr schnell aufgefressen werden von den laufenden Kosten. Die Regierung hat erkannt, dass man diese Bereiche schützen muss, wenn wir nach der Krise noch immer ein unverändertes Land haben wollen. Aber den Geschäften im Einzelhandel bleibt leider nicht die Zeit, die eine Demokratie zum einheitlichen und gesetzeskonform handeln benötigt.
Die Industrie hat in 30 Tagen circa ein Drittel ihres Wertes verloren und es trifft diesen Wirtschaftszweig sehr hart. Dennoch gibt es hier bereits Gesetze und Mechanismen die schnell umgesetzt werden können, um die Pfeiler unseres Wohlstandes zu schützen. Die Produktion ist über die Lieferketten gerade nur eingeschränkt betroffen, wodurch die Firmen zwar zirka 30% Umsatz verlieren, aber dennoch Geld eingenommen wird. Die Leiharbeiter werden nach Hause geschickt und die Mitarbeiter können in Kurzarbeit gehen und bekommen staatliche Unterstützung. Dadurch werden enorm Ausgaben gespart und zudem haben diese Firmen meist Rücklagen, um 3 - 6 Monate überbrücken zu können.
Anders sieht es bei Kleinunternehmen aus. Hier brechen in vielen Bereichen die Einnahmen komplett weg. Alles was unseren Feierabend abwechslungsreich macht, ist gerade davon betroffen. Das gute Essen, das gesellige Trinken und das erfreuende Shopping; Restaurants, Bars, Einzelhandel. Zudem ist der kulturelle Bereich komplett geschlossen. Kleine Theater, Kino, Clubs, Konzertsäle. Dies sind wichtige Bereiche unseres glücklichen kulturellen Zusammenlebens und gerade diese stehen gerade vor dem finanziellen Kollaps.
Diese Läden haben die Gemeinsamkeit, dass sie in guten Lagen mit hohen Mieten sind. Zudem haben sie meist eine hohe persönliche Bindung an ihre Mitarbeiter und werden diese erst nach genauer Abwägung freistellen. Die Einkünfte dieser Branchen sind ohne Vorwarnung auf null zusammengebrochen, ohne dass sich die Ausgaben signifikant reduziert hätten. Ohne Hilfe und Solidarität werden große Teile dieser Kultur schnell verschwinden und wir werden unsere Städte und das Leben nach der Arbeit nicht wiedererkennen.
Momentan profitieren lediglich die großen Ketten von der Krise und Amazon baut sein Onlineangebot weiter aus. In die Lücken, die in der Stadt entstehen werden, ziehen finanzkräftige Ketten ein. Somit wird sich in den Städten ein monotoneres Bild ergeben. Es ist kein absolutes Bild, aber die Tendenz wird in diese Richtung gehen. Nach der Krise gibt es immer Gewinner und Verlierer und meist gewinnen diese Organisationen, welche die finanziellen Möglichkeiten haben erneut zu investieren.
Um unsere Kultur zu erhalten, müssen wir folglich alle etwas beitragen. Und ja, wir werden ärmer aus der Krise kommen als wir hineingegangen sind. Aber das ist normal und liegt in der Natur jeder Krise, egal ob Krieg, Naturkatastrophe oder Wirtschaftskrise. Alle haben die Eigenschaft, Kapital und Kultur zu vernichten.
Wir befinden uns an einen Punkt, wo wir entscheiden können, ob uns das Kapital oder die Kultur wichtiger sind. Auf unseren Kapitalfluss des gesamten Lebens sind die momentan Einschnitte relativ vernachlässigbar. Der Einschnitt in die kulturelle Diversität wird aber langfristige und spürbare Folgen mit sich bringen. Darum erhoffe ich mir, dass wir es gemeinsam schaffen, den kurzfristigen Gewinn zu vernachlässigen und den am stärksten betroffenen unter die Arme zu greifen, um diese zu schützen und zu erhalten was uns allen wichtig ist.
Ein paar Denkanstöße:
Kann man nicht mal ein bis zwei Monate auf Miete verzichten, um einen treuen Mieter zu schützen? Wie hoch ist der Verzicht im Vergleich zu 10 Jahren zuverlässigen Einnahmen? Wie lange dauert es, nach einer Krise einen Nachmieter zu finden, wenn der Alte insolvent ist? Dies ist der größte Kostenpunkt für kleine Läden. Mit etwas Kreativität lassen sich auch Lösungen finden, um die Ausfälle langfristig wieder kompensiert zu bekommen.
Aber auch im Kleinen, ohne Immobilien oder anderweitigen Einnahmequellen, kann jeder etwas tun. Müssen wir überall unsere entgangenen Leistungen einfordern oder Erstattungen erwarten? Das Kita- und Schulessen, wo ein Unternehmen dahinter steht; für uns 50€ pro Kind, für das Unternehmen existenzbedrohend. Der Turnverein mit der monatlichen Rate, der aber jetzt nichts mehr anbieten darf. Wollen wir wirklich, dass es dieses Angebot nach 2 - 3 Monaten nicht mehr gibt und wir uns was Neues suchen müssen, ohne die vertrauten Gesichter? Das laufende Kultur-Abo für 80€, wo noch einige Stücke offen sind; wollen wir hier wirklich Geld zurückfordern und riskieren, dass ein kleines Theater, welches eh schon wenig Gewinn macht, es am Ende nicht mehr geben wird? Ein Kochkurs für 80€, der nicht stattgefunden hat; müssen wir wirklich unser Geld zurückfordern und in Kauf nehmen, dass es diese individuellen Angebote nicht mehr geben wird?
Es gibt gerade viele Angebote, wie man an verschiedenen Stellen helfen kann und jeder kann sich Gedanken machen, in welcher Form und welchem Umfang er unterstützen kann.
Viele kleine Restaurants bieten abends Essen als Take-away an. Ja, das ist teurer als Kochen und zu Hause hat man nicht die Restaurant-Atmosphäre; aber ist es besser, wenn es dieses Restaurant, mit seiner Atmosphäre, am Ende gar nicht mehr gibt? Läden verkaufen Gutscheine, um Umsatz zu machen, deren Waren sie erst in ruhigeren Zeiten zur Verfügung stellen. Viele kleine Geschäfte sind ebenfalls (weniger professionell) in den Onlinehandel eingestiegen. Andere bieten Online-Kauf mit eigener Auslieferung an. Leider fehlt das Budget für Marketing, dass sich solche Aktivitäten auch weit verbreiten. Es lohnt immer zu schauen, welche lokalen Angebote es gibt. Ich war selbst überrascht.
Wenn wir aber wirklich diese Kleinstunternehmen am Leben halten wollen, dann müssen wir uns halt etwas umschauen und das nimmt Zeit in Anspruch und wird auch nicht immer das billigste und schnellste Angebot sein.
Wie zuvor bereits erwähnt, werden wir alle finanzielle Abstriche machen müssen und jeder muss individuell entscheiden, inwieweit er kulant sein kann in seiner eigenen finanziellen Situation.
Aber wenn in dieser Situation jeder nur auf seine eigenen finanziellen Vorteile achtet, dann werden wir die Spaltung unserer Gesellschaft weiter vorantreiben und die disruptiven Kräfte werden weiterhin an Macht und Einfluss gewinnen.
Aber wenn wir in einer schwierigen Zeit uns gegenseitig unterstützen, dann können wir als Gesellschaft stärker aus der Krise kommen, als wir hineingegangen sind und uns bewahren, was uns wichtig ist.
Wir dürfen nie vergessen, dass hinter jedem Klein(st)unternehmen auch ein einzelnes Schicksal steht und dahinter auch weitere betroffene Personen stehen.