Gegen den Markenkern verstoßen – Wie schnell kommen Fehlentscheidungen beim Kunden an?
- Wieso nehmen Kunden Marken auch öffentlich breit diskutierte Fehltritte nicht immer übel?
- Drei Gründe für die Dauer der Fehlerverarbeitung, die Sie andersherum gezielt nutzen können, um Fehltritte zu verarbeiten.
- Seien Sie schnell in Ihren Reaktionen, um Fehlentscheidungen schnell ungeschehen zu machen.
Im vergangenen Monat haben mir eine Wachstumsinitiative bei einem unserem Klienten begonnen. Die Geschäftsleitung hat mit unserer Unterstützung den bisher erarbeiteten strategischen Rahmen der unternehmerischen Zukunft vorgestellt, gegliedert in Vision, Grundstrategie und Markenkern und gemeinsam haben wir die bereits skizzierte Projektstruktur, Projektziele und Teilprojektziele verabschiedet. Alle eingeladenen Leistungsträger haben sich bereit erklärt, ihre jeweils angedachte Rolle im Projekt zu übernehmen. Ein Meilenstein für das Unternehmen – nicht nur, wenn wir auf die zu erreichenden Ziele blicken, sondern auch in Sachen Transparenz, Offenheit und Wandel hin zu einer moderneren Unternehmenskultur. Die Energie war spürbar und die Dynamik gemeinsam wesentliche Eckpfeiler der Unternehmenszukunft voranzubringen und eigene Bereiche neu gestalten zu können, sorgte für eine besonders motivierende Atmosphäre im Raum.
1 Gegen den Markenkern verstoßen
Über eine Frage haben wir nach der Vorstellung jedoch besonders ausführlich gesprochen: Wieso nehmen Kunden Marken auch öffentlich breit diskutierte Fehltritte nicht immer übel? Zu dieser Frage hat uns der neu vorgestellte Markenkern des Unternehmens geleitet und Beispiele anderer Consumer-Marken, bei denen zum Teil signifikant spürbar ist, dass sie gegen ihren eigenen Markenkern verstoßen ohne, dass die Verkäufe einbrechen und auch umgekehrt, dass ein Fehler ein ganzes Unternehmen in Misskredit stürzt.
Beispiele über die wir diskutiert haben, waren dabei VW, Boeing, der WWF und EDEKA. Trotz hundertfach negativer Schlagzeilen über den VW-Konzern und die manipulierten Abgaswerte hat Volkswagen im Jahr 2019 mehr Autos ausgeliefert als je zuvor. Die Sicherheitsprobleme der Boeing 737 Max stürzen den gesamten Boeing-Konzern in eine Krise, Kunden springen ab, Aufträge werden beim Wettbewerb platziert. Das Schwarzbuch-WWF kritisierte den WWF stark – doch mehrere Kernaussagen des Autors konnten wiederlegt werden und führten zu einem recht schnellen Ende der Negativ-Schlagzeilen. In einem Beispiel aus der täglichen Vertriebsarbeit des Unternehmens, dass Waren bei EDEKA verkauft, hat sich eine Einzelperson mehrfach im Ton vergriffen und es so mit schlechtem Individualverhalten geschafft, dass diese persönlich negative Erfahrung den Gesamteindruck des Unternehmens EDEKA deutlich geschmälert hat. Aber wieso ist das so? Wieso verzeihen wir bestimmten Marke Fehlverhalten? Und was führt dazu, dass Kunden dies nicht tun?
2 Langwierige Schelte oder schnell vergessen?
Die Geschwindigkeit mit der wir als Konsument Fehler erkennen und verzeihen, variiert deutlich. Auf Basis der oben genannten Beispiele sowie unserer Erfahrung im Umgang mit Krisen und negativer Kritik an unseren Klienten, möchte ich Ihnen drei Gründe für die Dauer der Fehlerverarbeitung nennen, die Sie andersherum gezielt bespielen können, um Fehler, die in Ihrem Unternehmen geschehen und Ihre Kunde erreichen, möglichst schnell ungeschehen zu machen.
2.1 Die Signifikanz des Fehlers
Die Auswirkung des Fehlers auf mich als Kunde direkt, auf die Gesellschaft oder auch auf meine persönlichen Ängste ist entscheidend dafür verantwortlich, wie schnell auch ein einziger Fehler ein Unternehmen in Misskredit bringt. Boeing sind extrem signifikante Fehler unterlaufen, die unverzüglich zu einem starken Markenschaden geführt haben. Für einen schnellen und nachhaltigen Schaden in der Beziehung zur Marke ist nüchtern betrachtet ein deutlicher Verlust von Zeit und Geld oder ein deutlich gesteigerter Aufwand erforderlich – in diesem tragischen Fall ist die Signifikanz des Fehlers mehrerer hundert Tote so hoch, dass in Sekundenbruchteilen klar ist, dass eine sehr langwierige Aufarbeitung auf das Unternehmen wartet, wenn dies überhaupt möglich ist.
2.2 Die Aufarbeitung des Fehlers
Je schneller sich ein Unternehmen zu einem Fehler bekennt und/oder mit der Aufarbeitung startet, desto besser – desto mehr Wertschätzung empfinde ich als Kunde, desto mehr erkenne ich, dass es den handelnden Personen Leid tut, desto schneller kann ich der Marke wieder vertrauen. Dabei kann es sich um reine Kommunikation handeln, um Entschädigungen oder um personelle Konsequenzen, wichtig ist, eine glaubwürdige und schnelle Handlung. Hierbei geht es darum Verantwortung zu übernehmen. Wer einen Fehler initiiert hat und durch welche Handlungen er zustande gekommen ist, wirkt sich darauf aus, wie schnell und wie dauerhaft ein Markenschaden eintritt. Dies hat der WWF seiner Zeit sehr gut gemacht als der Organisation Greenwashing, Vetternwirtschaft und weiteres vorgeworfen wurde. Es ist auf Basis von Fakten gelungen, die genannten Fehler zu entkräften oder zu revidieren. Boeing demgegenüber hat auch hier die Möglichkeiten einer frühen, offenen Kommunikation verspielt, die die Fehler nicht aufgehoben hätten, aber den langfristigen Schaden an der Marke hätten eingrenzen können.
2.3 Der Fehler im Vergleich zu anderen Erfahrungen
Berührt ein Fehler nur einen Bereich der Marke, kann ich diesen deutlich schneller vergessen und mit anderen positiven Erfahrungen ausgleichen. Denn genau das ist der Vorteil der Kraft der Marke: Meine Kunden stehen mir loyaler gegenüber – natürlich versprechen Marken eine immer gleichbleibend hohe Qualität, aber wenn ein Fehler geschieht, bin ich als Kunde eher bereit, über ihn hinwegzusehen aufgrund der grundsätzlich guten Beziehung. VW hat immer gute Produkte produziert, mir ist als Verbraucher bewusst, niemand der am Band bei VW arbeitet oder auch in dem mir vertrauten Autohaus hat persönlich etwas mit der Manipulation zu tun, sondern einzelne handelnde Personen haben sich fehlerhaft und kriminell verhalten. Die vielen weiteren positiven Erfahrungen mit der Marke können die negative Berichterstattung, die mich nicht zwingend persönlich tangiert, daher gut tragen.
3 Fazit
Die Geschwindigkeit mit der wir unsere Meinung als Kunde über eine Marke ändern, hängt von unterschiedlichen Parametern ist und ist zeitversetzt zum eigentlichen Handeln oder Fehltritt im Unternehmen. Dabei handelt es sich häufig um deutlich weniger relevante Fehltritte als die hier genannten. Im operativen Tagesgeschäft geht es vielleicht um einen Qualitätsfehler am Produkt, einen verpassten Termin, mangelnde Verbindlichkeit oder Erreichbarkeit oder ein nicht passendes Angebot. Dennoch greifen die gleichen Elemente: Seien Sie schnell und offen in der Aufarbeitung des Fehlers, stehen Sie zu den eigenen Fehlern und versuchen Sie mit möglichst positiven anderen Erfahrungen eine Übertragung des Fehltrittes auf das Gesamt-Unternehmen zu vermeiden – dann kann jeder Fehler ebenso in kürzester Zeit dazu führen, dass sich die Beziehung zum Kunden sogar noch verstärkt hat.