Gelungene Premiere des BrandEx-Festivals - Jetzt fehlen nur noch die Besucher

Gelungene Premiere des BrandEx-Festivals - Jetzt fehlen nur noch die Besucher

Es ist viel Energie und Aufgeregtheit zu spüren, als Moderatorin Anja Backhaus in einer kühlen Messehallenatmosphäre um kurz nach neun die Premiere des International Festival of Brand Experience (kurz: BrandEx) - die neue, der Best of Events vorgelagerte, Konferenz - eröffnet. Vielleicht gar Nervosität, denn zu Beginn der Konferenz sind die Stuhlreihen noch sehr licht. Gerade mal rund 200 Besucher haben sich vor der riesigen Hauptbühne verloren - angekündigt waren im Vorfeld über 1.000 Fachbesucher.

Der Weg der Besucher verläuft auch in 2019 über die Baustelle der Messe Dortmund. Viel hat man sich vorgenommen: Zahlreiche Neubauten werden hochgezogen und zwischen Baustellenstaub und ausgelegten Matten und Brettern gelangt der Besucher der BrandEx in eine große Messehalle, in der Anja Backhaus zur Begrüßung von „gesellschaftlicher Relevanz" spricht, die das neue Veranstaltungsformat schaffen soll.

Der Veranstalter hat sich viel vorgenommen

Viel vorgenommen hat sich auch der Veranstalter der BrandEx: Im Zusammenschluss von FAMAB, BlachReport, Studieninstitut für Kommunikation und Messe Dortmund wurde ein ambitioniertes Festivalprogramm zusammengestellt, das im Vorfeld bereits Kritiker auf den Plan rief, die die als „Tracks" bezeichneten Vortragsreihen mit Namen wie „Supranormal" als sperrig, abgehoben und überkandidelt bezeichnet haben.


„Von allem ein bisschen zu viel", mag man dem Veranstalter zurufen, wenn zu Beginn des Programms zunächst eine von Lichtfaktor (jetzt RAYY) entworfene Künstlerperformance doch stark an die letzte FAMAB-Awardverleihung erinnert. Wenn die Festivalbeiträge in vier Fremdsprachen übersetzt werden, um die Internationalität des Festivals zu unterstreichen. Wenn ein Gebärdendolmetscher das komplette Festivalprogramm der Hauptbühne für Gehörlose übersetzt, obwohl vermutlich kein Gehörloser an der Veranstaltung teilgenommen hat. Da wird mit 100 Festivalbeiträgen ein wenig mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Gelungenes Raumkonzept schafft Festivalatmosphäre

Dabei muss sich das neue Festivalformat - bei all den verständlichen Kinderkrankheiten einer Premierenveranstaltung - gar nicht verstecken. Denn bei aller berechtigter Kritik: Die Nadel im Heuhaufen wird man immer finden. So weiß das umgesetzte Raumkonzept zu begeistern: In vier große Themenbereiche untergliedert ist es den vielen engagierten Partnern und Sponsoren gelungen, die schnöde Messehalle in ein atmosphärisches Festivalgelände zu verwandeln. Abwechslungsreiche Möblierungs-Set Ups verbreiten eine lockere Stimmung: Hier Liegestühle, da gemütliche Polstersessel und in der Fresh-Area etwa zu Sitzflächen umfunktionierte Technik-Cases. Das macht Spaß und fördert einen zu jeder Zeit ungezwungenen Austausch unter den Besuchern.

RANDEX: FRESH AREA

Tolle Speaker-Beiträge wissen zu begeistern

Auch die inhaltlichen Beiträge können überzeugen. Insbesondere die Speaker der Hauptbühne sind sorgsam ausgewählt. Da beginnt das Festival mit Charles Bahr als Generation Z-Vertreter, der - mit 16 Jahren - einen hochprofessionellen Vortrag über seine Zielgruppe referiert. Oder der Best Practice-Vortrag von Stefan Hofmann zum Burning Man-Festival, der auf der extrabreiten Leinwand mit starken Bildern Emotionen schürt. Zu guter Letzt ist da ein Impulsvortrag des Kampagnen- und Strategieberaters Julius van de Laar, der in Obamas US-Wahlkampf 2012 den Bereich Wählermobilisierung leitete und wunderbar plakative Beispiele aus polarisierenden Kampagnen spitzzüngig kommentiert.

Während tagsüber die Hauptbühne etwas verloren und verwaist daherkommt, findet der Großteil der Beiträge in den vier Themen-Areas statt. Sehr stimmig kommt das Programm der für den Eventnachwuchs konzipierten Fresh-Area daher. Wie wichtig den eingebundenen FAMAB-Agenturen die Nachwuchsarbeit und das Recruiting ist, lässt sich allein an der Präsenz der Agenturinhaber ableiten. In den anderen Areas bleiben viele Beiträge zu stark an der Oberfläche: Die jeweils auf 30 Minuten angelegten Speaker-Slots lassen eine Vertiefung der Inhalte kaum zu. So merkt man dem Veranstalter ein bisschen die fehlende Erfahrung an, wie man Impulsvorträge und Campfire Sessions so kuratiert, dass für die Fachbesucher auch etwas hängen bleibt. Da der Großteil der Speaker die Beiträge über einen „Call for Paper" unentgeltlich einbringt, beginnt oder endet nahezu jeder Slot unweigerlich mit einem fünfminütigen Werbeblock.

Frontalbespielung vs. smarter Kopfhörer-Technik

Überhaupt ist das Festivalprogramm sehr auf Frontalbespielung ausgerichtet - eine in diesen Zeiten von Eventteilnehmern eingeforderte Interaktion findet nahezu nicht statt. Dafür wird mit den ausgeteilten Kopfhörern ein bei parallel in einem Raum stattfindenden Vorträgen häufig auftretendes Akustikproblem sehr smart gelöst: So taucht man als Besucher unter die Glocke des Kopfhörers, um den Beiträgen zu lauschen, was den mit Networking beschäftigten Besuchern eine etwas unheimliche Stille in der großen Messehalle verschafft.

Fazit

Chapeau - für eine Premierenveranstaltung hat der Veranstalter die herausfordernde und mutige Aufgabe eine neue Branchenveranstaltung aus dem Boden zu stampfen gut gemeistert. Wie so oft trifft der Leitsatz „Weniger ist mehr" zu. Bleibt nur als großes Fragezeichen, warum dieses gelungene neue Festival so wenige Teilnehmer mobilisieren konnte. So nahmen in der Spitze wohl so rund 350 Teilnehmer an dem Festival teil, darunter so gut wie keine Corporate-Kunden. Allzu viele zahlende Gäste werden es nicht gewesen sein, wenn man die Initiatoren, Speaker, Sponsoren, Staff und Pressevertreter abzieht. Das mag auch an der selbstbewussten Preisgestaltung liegen.

Erst zum Abend hin füllten sich die Stuhlreihen zu einer schnöden Awardshow, die mit viel zu vielen Kategorien und einer lustlos daherkommenden Inszenierung viele Längen besaß und die Chance verpasste, auch das schwierige Format einer Awardverleihung neu zu denken. Auch, weil man aus Profitgründen fünf Nominierte je Kategorie vorstellte, von denen nur die besten drei mit einem Preis ausgezeichnet wurden. Dem neu geschaffenen BrandEx-Award tat man zudem keinen Gefallen damit, das bestplatzierte Projekt - unabhängig von der erreichten Jury-Punktzahl - mit Gold auszuzeichnen. Das schafft keine Glaubwürdigkeit!

Die Eventbranche ist und bleibt halt ein Party-Völkchen, für die die beweihräuchernde Awardprämierung einen höheren Stellenwert besitzt als eine aufwändig inszenierte Weiterbildungsveranstaltung. Auch beim Veranstalter scheint die Priorisierung noch bei der Awardverleihung zu liegen: Bezeichnenderweise veröffentlichte man am Folgetag eine Pressemitteilung mit allen Awardgewinnern - ohne die erfolgreiche Premiere des BrandEx-Festivals auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

100 Beiträge, eine internationale Ausrichtung mit viersprachiger Übersetzung, eine Programmagenda, die Teilnehmern von 08:00 Uhr morgens bis 03:00 Uhr nachts des Folgetages einiges abverlangt, eine Awardshow, die in der Form überflüssig wie ein Kropf ist: Wenn die BrandEx die richtigen Prioritäten setzt, ist sie eine klare Bereicherung für die Eventbranche. Wenn der Themenfokus etwas weiter gedacht wird als nur auf „Brand Experience", kommt vielleicht auch ein breiteres Teilnehmerfeld zu dieser Veranstaltung. Das ist dem Veranstalter bei diesem Aufwand nur zu wünschen.

Ob sich die Best of Events mit dem angegliederten Festival nicht ein Eigentor schießt, bleibt abzuwarten. Denn wenn sich das Networking in den Gängen der vergangenen Jahre komplett in Richtung BrandEx verlagert, hat die Messe ein - qualitatives - Besucherproblem.


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Bildquelle: BrandEx / Socialmediafotograf Ronny Barthel / Dirk Hasskarl Fotografie

Autor: Dominik Deubner


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