Gemeinschaft als Schlüssel zum Glück: Warum Deutschlands Spaltung uns alle betrifft

Gemeinschaft als Schlüssel zum Glück: Warum Deutschlands Spaltung uns alle betrifft

Durkheims Forschung: Was führt zu gesellschaftlichem Glück?

Durkheim sah das menschliche Glück in engem Zusammenhang mit der sozialen Kohäsion. In seiner Untersuchung über den Selbstmord identifizierte er eine zentrale Bedingung für Zufriedenheit: das Gemeinschaftsgefühl. Er stellte fest, dass Menschen in stärker integrierten Gesellschaften, in denen der Zusammenhalt und das Vertrauen untereinander groß sind, deutlich zufriedener leben.

Laut Durkheim können die folgenden Faktoren maßgeblich zur Förderung einer positiven Grundeinstellung und des Glücks in einer Gesellschaft beitragen:

  1. Soziale Integration: Menschen müssen sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Sie müssen erleben, dass sie ein gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft sind und dass es gemeinsame Ziele gibt, die sie mit anderen verbinden.
  2. Gleichheit und soziale Gerechtigkeit: Eine gerechte Verteilung von Ressourcen, Chancen und Rechten ist für Durkheim essenziell. Extreme soziale Ungleichheiten führen zu Entfremdung, Unzufriedenheit und Anomie, einem Zustand, in dem soziale Normen und Bindungen zerfallen.
  3. Vertrauen in Institutionen: Gesellschaften, in denen die Menschen ihren Institutionen vertrauen und erleben, dass diese im Sinne des Gemeinwohls handeln, fördern ein positives gesellschaftliches Klima. Vertrauen ist die Basis für Kooperation und kollektives Handeln.
  4. Beteiligung am sozialen Leben: Ein hohes Maß an zivilgesellschaftlicher Beteiligung, sei es durch Vereine, Nachbarschaftsinitiativen oder gemeinnützige Projekte, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und trägt zu einer erhöhten Zufriedenheit bei.

Diese Faktoren bilden das Fundament für eine gesunde Gesellschaft, in der das Glück des Einzelnen gefördert wird. Wenn soziale Gerechtigkeit, Integration und Vertrauen in die Institutionen vorhanden sind, fühlen sich die Menschen sicher und wertgeschätzt, was wiederum zu einer positiven Grundeinstellung und einem höheren Glücksempfinden führt.

Der aktuelle Zustand in Deutschland: Hindernisse für gesellschaftliches Glück

In Deutschland gibt es jedoch zahlreiche Faktoren, die verhindern, dass die Gesellschaft die von Durkheim beschriebenen Voraussetzungen für Glück und Zufriedenheit in vollem Umfang erfüllt. Einige der wesentlichen Herausforderungen liegen in der Ungleichheit der gesellschaftlichen Klassen, den bürokratischen Hürden bei der Integration von Migranten und der fehlenden Chancengleichheit im Bildungswesen.

  1. Soziale Ungleichheit: Deutschland verzeichnet eine zunehmende Kluft zwischen den wohlhabendsten und den ärmeren Bevölkerungsschichten. Laut Berichten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat sich die Vermögensungleichheit in den letzten Jahrzehnten verschärft. Diese Ungleichheit führt zu Frustration und dem Gefühl, dass nicht alle Menschen gleiche Chancen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben. Für Durkheim würde diese Art der Entfremdung den sozialen Zusammenhalt schwächen und das Glück der Bevölkerung beeinträchtigen.
  2. Integration von Migranten: Trotz vieler Bemühungen gibt es in Deutschland immer noch erhebliche bürokratische Hürden, die eine erfolgreiche Integration von Migranten behindern. Mangelnde Sprachkurse, komplizierte Anerkennungsverfahren für Abschlüsse und ein oft diskriminierender Arbeitsmarkt führen dazu, dass viele Migranten sich ausgegrenzt fühlen und keine echte Teilhabe erleben. Durkheim würde hier von einer fehlenden sozialen Integration sprechen, die zu Unzufriedenheit und Anomie führt.
  3. Chancengleichheit in der Bildung: Das deutsche Bildungssystem wird oft für seine mangelnde Durchlässigkeit kritisiert. So sind die Bildungschancen stark vom sozialen Hintergrund abhängig, was die Kluft zwischen den Klassen weiter vertieft. Kinder aus einkommensschwachen Familien haben weniger Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und damit auch schlechtere Aussichten auf einen gesellschaftlichen Aufstieg. Diese Ungerechtigkeit führt zu einer fragmentierten Gesellschaft, in der sich Teile der Bevölkerung abgehängt fühlen.

Spaltung durch politische Rhetorik: Der gefährliche Kurs führender Politiker

Die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland wird durch die Rhetorik führender Politiker wie Markus Söder und Friedrich Merz nicht nur verschärft – sie wird aktiv vorangetrieben. Anstatt sich den drängenden Problemen sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Fragmentierung zu widmen, betreiben diese Politiker einen gezielten Kurs der Polarisierung, der auf kurzfristige politische Gewinne abzielt, jedoch langfristig den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstört. Ihre Rhetorik ist nicht bloß populistisch – sie grenzt aus und spaltet, indem sie „Leistungsträger“ gegen „Sozialschwache“ und „Inländer“ gegen „Ausländer“ in Stellung bringt.

Diese Art von Politik dient nicht der Lösung realer Probleme, sondern nutzt das Leid und die Unsicherheit vieler Menschen, um emotionale Feindbilder zu schaffen und Wählerstimmen zu mobilisieren. Themen wie Migration oder die Sozialsysteme werden zu Werkzeugen einer Machtpolitik, die systematisch jene Schwächsten der Gesellschaft stigmatisiert, anstatt sich ernsthaft um ihre Integration und Unterstützung zu kümmern. Die zentralen Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit werden bewusst vernachlässigt, weil sie unangenehme Wahrheiten über die Verantwortung der politischen Elite aufdecken würden.

Der Kurs von Söder und Merz ist nicht nur eine rhetorische Entgleisung – er ist ein direkter Angriff auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Indem sie gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielen, schwächen sie das Vertrauen in staatliche Institutionen und verhindern eine integrative Politik, die auf das Wohl aller abzielt. Diese spalterische Strategie lässt nicht nur große Teile der Bevölkerung frustriert und abgehängt zurück, sondern untergräbt die Grundlagen für ein kollektives Streben nach Glück und Zufriedenheit, wie es Durkheim für eine funktionierende Gesellschaft als unverzichtbar ansieht.

Die Fehlinterpretation des wirtschaftlichen Niedergangs und der Migration durch die CDU/CSU

olitiker wie Markus Söder und Friedrich Merz, propagieren zunehmend die Vorstellung, dass der angebliche wirtschaftliche Niedergang Deutschlands und die vermeintlich unregulierte Einwanderung das Gleichgewicht in der Gesellschaft zerstört hätten. Sie argumentieren, dass die Politik der Ampel-Regierung, insbesondere in Bezug auf Migration und wirtschaftliche Maßnahmen, der Hauptverursacher der sozialen Unzufriedenheit und Spaltung sei. Diese Darstellung ist jedoch nicht nur stark verzerrt, sondern lenkt bewusst von den eigentlichen strukturellen Problemen ab, die seit Jahren ungelöst bleiben.

Statt einer konstruktiven Analyse der tatsächlichen Herausforderungen – wie der wachsenden sozialen Ungleichheit, der veralteten Wirtschaftsstrukturen und der systematischen Benachteiligung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen – greift die CDU/CSU auf Sündenbock-Rhetorik zurück, um einfache Erklärungen für komplexe Probleme zu liefern. Die Vorstellung, dass Migration der Kern allen Übels sei, ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern dient der Ablenkung von den jahrzehntelangen Versäumnissen in der Wirtschaftspolitik und der sozialen Gerechtigkeit. Es wird der Eindruck erweckt, dass der wirtschaftliche Niedergang ein Ergebnis der letzten paar Jahre und nicht einer langwierigen Vernachlässigung der sozialpolitischen Bedürfnisse ist.

Diese Rhetorik gefährdet das soziale Gefüge und verhindert den dringend notwendigen Diskurs über reale Lösungen. Statt die Verantwortung für die langanhaltenden sozialen Ungleichheiten zu übernehmen und diese anzugehen, wird auf äußere Faktoren wie Migration verwiesen. In Wahrheit jedoch ist es die fehlende Chancengleichheit, die steigende Kluft zwischen Arm und Reich und die mangelnde Investition in Bildung und soziale Gerechtigkeit, die den Weg zu gesellschaftlicher Zufriedenheit und einem positiven Gemeinschaftsgefühl verbaut haben – nicht die Migration oder die Wirtschaftspolitik der aktuellen Regierung.

Wege zu einer glücklicheren Gesellschaft

Wenn Deutschland den Weg zu einer glücklicheren Gesellschaft finden will, muss es sich diesen Problemen ernsthaft stellen. Anstatt auf Spaltung zu setzen, braucht es eine Politik, die Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. Dies beginnt mit Reformen im Bildungssystem, um allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, gleiche Möglichkeiten zu bieten. Es bedeutet auch, bürokratische Hürden abzubauen und die Integration von Migranten nicht nur zu fördern, sondern als Schlüssel zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu begreifen.

Ein wichtiger Schritt wäre, soziale Gerechtigkeit auf allen Ebenen der Politik zu verankern. Dazu gehört nicht nur die faire Verteilung von Ressourcen, sondern auch der Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft vor Ausgrenzung und Armut. Eine Gesellschaft kann nur dann ein starkes Gemeinschaftsgefühl entwickeln, wenn alle ihre Mitglieder das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen und ihre Rechte geschützt werden.

Letztlich braucht es einen politischen Wandel hin zu einer inklusiven, solidarischen Gesellschaft. Führende Politiker müssen Verantwortung übernehmen und aufhören, spalterische Rhetorik zu benutzen, die nur kurzfristige Wählergewinne verspricht, aber langfristig den sozialen Zusammenhalt zerstört. Nur durch den Aufbau von Vertrauen, den Abbau von Ungleichheiten und die Förderung echter sozialer Integration kann eine Gesellschaft den Weg zu kollektiver Zufriedenheit und Glück finden. In Deutschland sind diese Herausforderungen groß, aber sie sind lösbar, wenn der politische Wille und das gesellschaftliche Engagement zusammenkommen.

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Christian Wickboldt, danke fürs teilen.

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