Generation Abschaffen: Come Out And Play
Die Privatsphäre, den Euro, die Migration, die Solidarität, die Menschenwürde - abzuschaffen versuchen die Spät-68er im Moment eine ganze Menge. Die Welt ist aber auch zu gefährlich und unübersichtlich geworden. Des Deutschen liebstes Kind, die Automobilindustrie, wird von nicht enden wollenden Skandalen geschüttelt. Mächtige Technologiegiganten aus den USA und Asien lassen das Siegel Made in Germany alt aussehen. Und als wenn das nicht reichen würde: Politkerlügen können mit ein paar Klicks im Web entlarvt werden und Onlinepetitionen gegen unliebsame Vorhaben sind in Windeseile erstellt und unterschrieben. Und dann dieses Social Media, was man sich von seinen Kindern erklären lassen muss, sonst #Nixverstehen... Eben Terroristen überall.
Und was macht die Zukunft des Landes? Unfähig und narzisstisch. Will genug Geld zum Leben haben, um neben der Zahlung der Miete auch noch ein bisschen konsumieren zu können, Zeit für die Familie und ein Privatleben, Mitbestimmung am Arbeitsplatz, und die freie Wahl von Rollenbildern. Wie bitte? Lieber erst mal richtig malochen lernen, unter ständigem Druck in unterbezahlten, befristeten Verträgen, am besten wieder 10 Stunden am Tag, bis der Burnout eines Tages ins Gesicht schlägt. Dann hat man sich in Deutschland einen Platz an der Sonne verdient. So sind wir Deutschen eben: dienstbeflissen, perfektionistisch, besessen vom Klein-Klein. Und doch irgendwie sozialromantisch, der Atem der Weimarer Klassik weht noch irgendwo in unseren Adern. Deswegen können wir es nie jemandem recht machen, vor allem nicht uns selbst.
Ach, welches Label wurde der jungen Hoffnung Deutschlands von den Vätergenerationen nicht schon verliehen: die desillusionierte Generation X, die hinterfragende Generation Y, die medienverliebten Millenials, die technokratische Generation Merkel - mal zu satt, zu angepasst und ambitionslos, mal zu überheblich, zu naiv, zu weltfremd. Und überhaupt nicht so, wie es sich die Elite der Nation erwartet hatte. Wie wenig hilfreich diese Kategorisierungen dabei sind, sich ein eigenes Selbstverständnis in der Gesellschaft zu schaffen, ist im Land der Schlichter und Schwenker Nebensache. Und mit den digitalen Möglichkeiten wird es nicht leichter... Denn bei so viel Erwartungshaltung kann man eigentlich nur enttäuschen, wenn mal wieder nichts Geringeres als die Rettung unseres Landes ansteht.
Aber alles halb so schlimm - von außen betrachtet ist nämlich alles noch beim Alten! Das Jammern hat ja Tradition in Deutschland. Und wir halten viel auf unsere Traditionen! So wiederholt sich, wie schon Karl Marx es vorhergesehen hat, die Geschichte, die einst als Tragödie über uns brach, als Farce. Die Medien, verunsichert durch die Konkurrenz von Blogs, Suchmaschinen und Co., halten sich in ihrem Überlebenskampf ganz an die wirtschaftlichen Zahlen statt an ihren moralischen Kompass. Und stürzen sich mal wieder auf ein paar kluge Volksverhetzer: berauschen sich an ihren rhetorischen Gratwanderungen, die so schön politisch unkorrekt sind und so viel Auflage bringen.
Ach, wir Deutschen, wir mögen es einfach, wenn jemand gegen jeglichen gesunden Menschenverstand argumentiert, weil wir doch selbst solche Angst davor haben, gegen Regeln zu verstoßen! Dabei gibt es so viel Erfreuliches: wie tagtäglich an vorderster Front in Vereinen, Verbänden, Initiativen für eine pro-europäische Politik gekämpft wird. Oder wie tagtäglich die Integration in Kindergärten, Schulen und Sportvereinen gelingt. Man muss nur wissen, wo man hinschauen soll. Das schöne am Netz ist ja, dass man es einfach ausmachen kann, wenn es einem nicht gefällt. Klick und weg.