Gesundheitswesen Lean - Gemba Monitoring
In aller Munde sind derzeit Prozessmanagement-Ansätze, die eine deutlich stärkere Involvierung der direkten Prozessverantwortlichen und -beteiligten propagieren. Egal, ob wir über Lean Hospital, Agiles Krankenhaus oder Management in VUCA-Umgebungen sprechen - alle Herangehensweisen bauen darauf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort eine detailliertere Kenntnis der Veränderungsnotwendigkeiten der einzelnen Prozesse und Strukturen haben. Auf dieser Annahme fußt die Hoffnung vieler Führungskräfte in Kliniken, dass die Prozessveränderungen deutlich schneller initiiert und umgesetzt werden können, wenn sie von direkten Prozessbeteiligten ausgehen. Dass diese Annahmen sich in der Realität der Gesundheitsunternehmen noch nicht weiter in realen Maßnahmen niederschlägt, liegt nicht nur an der leider immer noch recht verbreiteten Scheu der Führungskräfte vor Verantwortungsabgabe. Einer der Haupt-Hinderungsgründe liegt in der Verfügbarkeit von Echtzeit-Prozessleistungsdaten vor Ort.
Nur was wir messen und kennen, können wir verändern und verbessern
Nur Prozessleistungen, die wir messen, können in der Folge verbessert werden. Oder um es mit Minister Jens Spahn auszudrücken: "Wenn ich ein Problem erkenne, will ich es auch lösen." (05.04.19 auf der Tagung des Spitzenverbands Fachärzte). Wir können davon ausgehen, dass der Gesundheitsminister mit dieser Einstellung nicht alleine ist. Damit der Lösungswille einsetzen kann, muss jedoch zunächst sichergestellt sein, dass das Vorhandensein eines Problems auch erkannt werden kann. Gefühlt schlechte Prozesse werden sicherlich auch an der ein oder anderen Stelle versucht zu verändern. Aber wenn keine transparenten, belastbaren Leistungsdaten vorliegen, wird niemals der notwendige Veränderungsdruck in der Mehrzahl der Prozessbeteiligten ausgelöst werden, der notwendig ist, um den Tanker Krankenhausprozesse in der Richtung zu verändern. Zu groß ist das Beharrungsvermögen, ausgelöst durch "das haben wir schon immer so gemacht", "das sind nur Ausnahmen", "das wird verursacht durch Abteilung XY - sollen die sich doch drum kümmern".
APP der University Hospitals of North Midlands, NHS
Wartezeiten veröffentlichen - Praxis in USA und UK
Wenn nun aber in den patientennahen Abläufen zentrale Leistungskennzahlen in Echtzeit und für jeden sichtbar auf Displays transparent gemacht werden - was verändert sich? Stellen wir uns also Szenarien vor, in denen in der Notaufnahme die aktuelle zu erwartende Wartezeit auf den Erstkontakt mit einem Arzt angegeben wird. In den USA wird dies in einigen Regionen nicht nur in der Klinik angezeigt, sondern auf großen Displays an den Hauptzufahrtsstraßen veröffentlicht. Oder im NHS in Großbritannien haben Klinikverbünde Apps am Start, mit Hilfe derer jeder Bürger abrufen kann, wieviele Patienten in den jeweiligen Notaufnahmen und Ambulanzen der Kliniken im Versorgungsgebiet derzeit warten und mit wieviel Wartezeit er beim Aufsuchen dieser Kliniken rechnen müsste.
Digitalisierung der Prozessleistungsfähigkeit
Würden die Wartezeiten der Patienten, die Anzahl wartender Patienten oder auch die Wartezeit der Kollegen auf Befunde (Labor, Röntgen, Funktionsdiagnostik, etc.) oder die Wartezeit des OPs auf den Patienten für alle am Prozess beteiligten Personen (einschließlich - wo sinnvoll - des Patienten) abgebildet werden, könnte das direkte Feedback über die aktuelle Prozessleistungsfähigkeit an die beteiligten Teams in gezielte Prozessveränderungen/-verbesserungen umgesetzt werden. Bei allen derzeit laufenden Digitalisierungsvorhaben sollten Klinikmanager daher viel Energie (und auch den ein oder anderen Euro) darin setzen, die Prozessbeteiligten und -verantwortlichen am Ort des Geschehens mit den dringend benötigten Informationen über die Leistungsfähigkeit ihrer Prozesse auszustatten. Der Benefit hieraus ist vermutlich größer als alle Rückschau-Betrachtungen von Daten aus umfangreichen DataWarehouse-Analysen.