Grüne (Generationen-)Krise
Liebe Leserin, lieber Leser,
mit einem Tweet von Table-Journalist Michael Bröcker ging es am Mittwochmorgen los.
Der Überraschungseffekt war groß, als der gesamte Bundesvorstand der Grünen um die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour geschlossen zurücktrat. Am Abend folgte dann die Grüne Jugend. Wie von Jugendverbänden gewohnt, setzte deren Vorstand aber noch einen drauf und verließ auch gleich die Partei (Brief an Partei- und Fraktionsspitzen im Original).
Nun steht in der Bundespartei die Suche nach der Nachfolge im Fokus: BMWK-Staatssekretärin Franziska Brantner (Porträt beim Stern) und Ex-NRW-Chef und MdB Felix Banaszak (porträtiert bei der Berliner Morgenpost) haben ihre Kandidatur bereits bekannt gegeben. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch soll den kommenden Wahlkampf leiten, während BMWK-Staatssekretär Sven Giegold als möglicher Nachfolger von Emily Büning im Amt des politischen Bundesgeschäftsführers gilt. Alle Personalspekulationen im Überblick hat die Süddeutsche.
Und die Ampel-Partner? Die FDP in Person von Parteichef Lindner begrüßte die personellen Konsequenzen bei den Grünen. Was bei einer Partei, die in den letzten drei Wahlen selbst zusammengenommen die Fünf-Prozent-Hürde nicht genommen hat, nicht ganz ohne Ironie ist. Humorvoll gab sich Lindner auch beim Jubiläum der SPD-Netzwerker und scherzte über die eigenen Ergebnisse. Im Bundestag brachen die Liberalen mit ihrem Widerspruch zum eigentlich schon intern beschlossenen Rentenpaket II einen neuen Koalitionsstreit vom Zaun. Ob das ein Vorgeplänkel zum geplanten Exit aus der Ampel, eine parteiinterne Revolte gegen Lindner, wie auf dem RND-Flurfest kolportiert wurde, oder beides ist, bleibt offen. Auch Friedrich Merz verstehe Lindner "immer weniger."
Sehr viel konkreter spürbar waren bereits die Auswirkungen der Landtagswahlen letzte Woche im Thüringer Parlament. Die AfD in Person von Alterspräsident Jürgen Treutler (der laut Geschäftsordnung immer die konstituierende Sitzung leitet) blockierte am Donnerstag Anträge der anderen Parteien und die Wahl des bzw. der Landtagspräsident:in so lange, bis es zum Abbruch kam. Das Landesverfassungsgericht musste einschreiten, erst dann hatte Erfurt am Samstagvormittag mit Thadäus König von der CDU einen neuen Landtagspräsidenten. Heute starten zudem die offiziellen Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD. Mehr Hintergründe aus Erfurt:
In Brandenburg ging es weniger spektakulär zu. Die CDU erklärte ganz nüchtern, dass sie nicht für weitere Koalitionsgespräche mit der SPD zur Verfügung stehe (mit der es aber auch eh nicht gereicht hätte). Ministerpräsident Woidke ist also auf das BSW als Partner angewiesen. Wie es innerhalb dieser immer noch neuen Partei aussieht, zeigt eine neue Dokureihe des ZDF. Im Rahmen der Dreharbeiten flog übrigens auf, dass sich ein AfD-Politiker mit Perücke ins BSW einschleichen wollte, wie der Spiegel berichtet.
Gegen einen Rechtsruck wollen sich auch fast alle Parteien in Österreich wehren, denn bei der gestrigen Nationalratswahl konnte die rechtsnationale FPÖ mit 29,2 % erstmals stärkste Kraft werden. Die bisher regierende ÖVP erreicht mit einem Minus von 11 Punkten und 26,5 % nur Platz 2, gefolgt von der SPÖ mit 21 %. FPÖ-Chef Herbert Kickl, der aus dem Alpenland ein "zweites Ungarn" machen will, wird wahrscheinlich dennoch nicht Kanzler:
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff
Demokratie & Gesellschaft
Bericht zum Stand der deutschen Einheit
Wie hat sich Deutschland in den 34 Jahren seit der Wiedervereinigung verändert? Damit beschäftigt sich der aktuelle Bericht des Ostbeauftragten zum Stand der deutschen Einheit. Geprägt wird der Bericht von 19 Gastautor:innen, die schlaglicht- und überblicksartig Beiträge zu unterschiedlichen Facetten des Vereinigungsprozesses bieten und auf das zukünftige sowie vergangene Deutschland blicken. Zudem ist ein Teil zu diversen Vorhaben der Bundesregierung enthalten, etwa zum Zukunftszentrum für Deutsche Einheit oder zur Stärkung der örtlichen Industrie. Ergänzt wird der Bericht durch den Elitensurvey 2024 und den Deutschland-Monitor 2024, der gesellschaftliche und politische Einstellungen analysiert.
Ministerien & Behörden
Lebenslagenbefragung
79 % der Bürger:innen in Deutschland sind mit den behördlichen Dienstleistungen insgesamt zufrieden. Dies geht aus der Lebenslagenbefragung 2023 des Statistischen Bundesamts hervor, bei der die Befragten ihre Erfahrungen mit Behördenkontakten bewerten. Trotz der insgesamten Zufriedenheit zeigen sich große Unterschiede der Werte je nach betroffener Lebenslage: So waren Behördenkontakte im Rahmen von Steuererklärungen oder Scheidungen mit deutlich mehr Unzufriedenheit verbunden als etwa die Beantragung von Ausweisdokumenten oder Heiraten. Grundsätzlich demonstrierten die Bürger:innen großes Vertrauen in die Behörden, sahen aber bei Faktoren wie Wartezeiten, Online-Angeboten und Verständlichkeit der Behördensprache noch Verbesserungspotenzial.
Demokratie & Gesellschaft
Förderzusagen des Vereint für Demokratie Fonds
Demokratiefördernde Organisationen schnell und unbürokratisch unterstützen: Dieses Ziel hat sich der Vereint für Demokratie Fonds gesetzt, der vom gleichnamigen Bündnis betrieben wird und an diverse Organisationen aus der Zivilgesellschaft Fördermittel vergibt. Geförderte Organisationen aus der zweiten Förderrunde stehen nun fest: Dazu gehören etwa das Anne Frank zentrum, DaMOst e.V., Wir Für Demokratie e.V. sowie 33 weitere Organisationen. Sie erhalten nun eine Gesamtfördersumme von 1,02 Millionen Euro. Zum Vereint für Demokratie-Bündnis gehören die Allianz Foundation, das Business Council for Democracy, ProjectTogether und weitere wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisationen.
Demokratie & Gesellschaft
Öffentliche Wahrnehmung der “Zeitenwende”
Wie wird die deutsche Außenpolitik im Kontext der Zeitenwende in der Öffentlichkeit wahrgenommen? Dies beleuchtet eine Studie des Think Tanks dpart, die besonders Unterschiede zwischen der allgemeinen Bevölkerung und einer “engagierten Öffentlichkeit” hervorhebt. Demnach gibt es nur eine geringe Resonanz auf die “Zeitenwende” und viele Menschen empfinden außen- und sicherheitspolitische Angelegenheiten als abstraktes, realitätsfernes Thema. Im Gegensatz dazu steht die engagierte Öffentlichkeit, die sich beruflich oder aus privatem Interesse mit außenpolitischen Fragen auseinandersetzt. Sie ist sich grundsätzlich einig, dass die strategische Ausrichtung Deutschlands klarer werden müsse und eine aktivere Rolle notwendig sei. In der allgemeinen Bevölkerung finde sich allerdings weniger Konsens und mehr Ambivalenz hinsichtlich Themen wie der Ukraine-Unterstützung, auch aufgrund unzureichender Kommunikation durch die Politik.
Social Media
Demokratie-Kampagne der DFL Stiftung
#DEMOKRATEAM: Unter diesem Hashtag positionieren sich Profi-Fußballer der DFL auf TikTok für Demokratie und eine gesunde Diskurskultur. Der noch junge Kanal der DFL Stiftung möchte damit Extremismus und Populismus auf Social Media etwas entgegensetzen und eine Brücke zwischen Sport, Gesellschaft und Politik schlagen. Hierzu haben sich Bundesliga-Profis, Schiedsrichter:innen, Creator:innen und weitere Akteure des deutschen Sports eingebracht, um die Message der DFL zu unterstützen und ein primär junges Publikum zu erreichen. Die seit einigen Wochen laufende Kampagne verzeichnete bislang rund 13.000 Likes.
US-Wahl
Ukraine & Russland
Parteien & Parlamente
Ministerien & Behörden
Demokratie & Gesellschaft
Lobbyismus, Politikberatung & Interessenvertretung
Personalien
Empfohlen von LinkedIn
Politische Kommunikation
Künstliche Intelligenz
Social Media
Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.
Chronik der laufenden Entgleisungen
Thomas Köck
Der provozierte Eklat im Thüringer Landtag durch die AfD ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Rechtspopulisten und -radikale versuchen, demokratische Verfahren zu untergraben. Oft vorbereitet und begleitet durch sprachliche Eskalation. Wohin diese Entwicklung führen kann, zeigt eindrücklich das Beispiel Österreich und der dortige FPÖ-Wahlsieg. Einige der Entgleisungen in der politischen Kultur, die dem vorausgegangen sind, schildert Thomas Köck in seinem Buch. In einer Mischung aus Chronologie und persönlichem Essay protokolliert der Dramatiker die tagtäglichen "Regelverletzungen" in Österreich in den Jahren 2023 und 2024. Dabei wird deutlich, wie rechte Parolen und Begriffe zunehmend die Auseinandersetzung mit politischen Sachthemen verdrängt haben – was auch in Deutschland immer häufiger beobachtet werden kann.
Weitere Buchempfehlungen finden Sie auf www.politbooks.de.
Baerbock in New York - @ntv_nachrichten
Der Auftritt von Außenministerin Baerbock bei den Vereinten Nationen in New York hatte nicht nur wegen ihrer klaren Äußerungen gegenüber Russland für Aufmerksamkeit gesorgt: Sie reagierte zudem resolut auf einen russischen Reporter, der ihre Pressekonferenz störte, wie ntv auf Instagram dokumentiert.
JOB DER WOCHE
Neue Finanzpolitik für Würde, Wohlstand und Demokratie! Komm ins Team des Dezernat Zukunft - Institut für Makrofinanzen und denke als Fiscal & Growth Economist (m/w/d) die zukünftige Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik neu. Mittelpunkt der Geldpolitik sollte nicht Gewinn-, Kapital-, oder Wachstumsmaximierung sein? Dann bewirb Dich bis zum 15. Oktober 2024!
Weitere politjobs:
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EVENT DER WOCHE
5. November bis 7. November 2024
Tagesspiegel Haus, Askanischer Platz 3, 10963 Berlin
Weitere Events:
STAKEHOLDER DER WOCHE
Die Österreichische Botschaft in Berlin fungiert als Hauptsitz der diplomatischen Vertretung Österreichs in Deutschland. Neben der Organisation diverser Veranstaltungen bietet die Botschaft Services für österreichische Bürger:innen in Deutschland und informiert über die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland. Aktueller Botschafter ist der ehemalige Außenminister Dr. Michael Linhart.
Redaktion: Philipp Sälhoff (V. i. S. d. P.), Maike Dörnfeld, Ronja Pohl, Benjamin Triebe
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