Grünen-Bashing als Ablenkung - Werte als Belastung?
Midjourney Prompt: middle-aged people, expensively dressed, standing behind a garden fence, bored and annoyed facial expressions

Grünen-Bashing als Ablenkung - Werte als Belastung?

Ein paar Gedanken zu aktuellen Modeworten „Verbotspartei“ oder „Ideologiepolitik“

Aus meiner Sicht entlarvt das Bashing der Grünen die latente und damit erschreckende Bereitschaft der anderen Parteien, sich bei unvermeidbaren Veränderungserfordernissen wie der Klima- und Energiepolitik wegzuducken.

Nichts anders gilt übrigens für den in Zielrichtung und politischer Kernbotschaft ähnlich präsenten, giftstachel-getränkten Vorwurf der „Ideologiepolitik“ in unseren außenpolitischen Beziehungen (nach meiner Wahrnehmung teils gern konnotiert mit einem sonst nur noch spanischen Fußballfunktionären vorbehaltenem Machismo: „von diesen Mädchen da in Berlin“).

Haben wir uns doch in den Merkel-Jahrzehnten allzu pragmatisch und in fahrlässiger Gutgläubigkeit an die Seite menschenrechtsverachtender totalitärer Partner wie Russland und China und diverser wenig integerer Öllieferanten im Nahen Osten gestellt - stets im Interesse kurzfristiger Vorteile und renditeträchtiger Einzelprojekte. Deren Strahlkraft aber kam auch ökonomisch ganz überwiegend nur einzelnen Gruppen, nicht der gesamten Volkswirtschaft zu Gute und läßt uns heute mehr als jemals zuvor auf bestenfalls unsymmetrisch verteilten Wohlstand blicken.

Klientelpolitik an Stelle vom „Blick auf Ganze“ und im Vergessen der Schwächsten

Gleichzeitig konnten so die Lasten einer einseitig die fossilen Branchen begünstigenden Politik – nämlich die ökonomisch zwingende und langfristige Transformation bspw. zu erneuerbaren Energien – in einem „uns geht’s doch gut“ Wohlgefühl des ewigen Exportweltmeisters allzu erfolgreich verdrängt werden.

Und wir haben in den zurückliegenden Jahrzehnten eine für uns alle einlullende Wohlstandsfassade errichtet, die es uns wie eine Beruhigungspille erlaubt hat, die nach der gesellschaftspolitischen und sozialen Verkrustung der Kohl-Ära erforderlichen Veränderungen zu einer modernen, gleichberechtigten und weltoffenen Gesellschaft mit all ihren Spannungslagen abzufedern.

Das Morgen? Vertagt wegen Unfreude!

Hinter der sicheren Fassade dieser Wohlstandsgesellschaft wurde aber nicht für die Gesellschaft der Zukunft mit ihren Herausforderungen etwa in den Bereichen Demografie, Bildung und Digitalisierung geplant und entwickelt.

Stattdessen hat sich eine Kultur des Hinausschiebens und Vertagens aus Anlass selbst geringster Hindernisse und Bedenken auch nur partikularer Interessenvertreter etabliert, die uns heute auf einen geradezu erdrückenden Entscheidungsrückstand, Substanzverluste in allen existenziellen Systemen, egal ob Landesverteidigung, Infrastruktur oder Bildung und zunehmende Kompetenzverluste selbst in vermeintlich „urdeutschen“ Kerndisziplinen wie Wissenschaft und Forschung – exemplarisch, zuvorderst und am schmerzhaftesten: im Bereich der Digitalisierung – blicken lässt.

Motzen statt anpacken – Abgrenzen statt gemeinsam unpopuläre Botschaften vertreten

Wer nun also trotz dieses für Realisten doch offenkundigen Sanierungsfalls Bundesrepublik Deutschland bereits bei dringlichsten und fraglos existentiellsten Reformschritten in der Energie- und Klimapolitik keine andere Antwort findet als das Prädikat „Verbotspartei“, versucht zunächst nichts anderes, als sich und allen anderen die Augen vor einem Weg der Unbequemlichkeit und des schon dadurch unvermeidbar Unpopulären zu verschließen!

Deutlich spürbar übrigens dadurch, dass als Gegenkonzept stets kaum anderes zu hören ist als Affirmatives, also ein trotziges „Weiter so“ mit Verbrenner, Schnitzel und Leberkäse oder eben den damals so liebgewonnenen Partnern in China, Russland oder Nahost.

Ernster stimmt aber, dass einige sogar noch einen Schritt zurück treten und mit dem Etikett „Verbotspolitik“ sogar die vom BVerfG gestellte staatliche Handlungsaufträge zu mehr Klimaschutz in Verantwortung für kommende Generationen deligitimieren.

All‘ das ist in Zeiten fast tagtäglicher Meldungen über neue Unwetter und Klimakatastrophen politischer Zynismus!

Wen scherts … ausbaden müssen es die Nachkommen

Weitere Untätigkeit bedeutet letztlich die Entscheidung über Wohlstandseinbußen, die der Klimawandel für unsere Gesellschaft unvermeidbar mit sich bringt, dem Zufall der Natur zu überlassen.

Und so sehenden Auges zuzulassen, wie im Ahrtal, Griechenland, Italien oder Libyen lokal oder regional Existenzen zerstört werden, anstatt über eine angemessene gesellschaftliche Verteilung der Lasten klimaschützender Maßnahmen Verantwortung wahrzunehmen und so Fairness für alle zu wahren.

Wer von „Verbotspartei“ spricht, wirbt für ein beschwichtigend-sedierendes „Weiter so“, zielt auf die Verlust- und Überforderungsängste einer saturierten Wohlstandsgesellschaft und meint im Kern: wir machen nichts, was Euch Änderungen abverlangt und uns euer Wähler-Wohlwollen kostet, weil jene, die die Rechnung werden begleichen müssen, noch lange nicht zur Wahlurne dürfen.

Dieses Verhalten von Parteien und Ihren Vertreter:innen verdient jedenfalls ein Prädikat nicht: kompetente, verantwortungsvolle, zukunftsorientierte Politik.

Midjourney Prompt: A child starring into a challenging future


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