Gut leben statt viel verbrauchen – so geht kluger Klimaschutz

Gut leben statt viel verbrauchen – so geht kluger Klimaschutz

Gastkommentar in der WirtschaftsWoche Nr. 47, 18.11.22

von Annegret Kramp-Karrenbauer und Michael Wedell

Von der Klimakonferenz in Ägypten sollte das Signal ausgehen, dass der Schutz des Klimas und der Umbau der Energieversorgung für die Menschheit eine große Chance darstellt. Aber wir haben dafür auch unseren Beitrag zu leisten

Der Klimawandel ist die zentrale Bedrohung der Schöpfung. Naturkatastrophen in allen Erdteilen machen uns zunehmend drastisch bewusst, wie verwundbar unser Planet ist. Die Erhitzung der Erde führt zu Hungersnöten und Süd-Nord-Fluchtbewegungen nie dagewesenen Ausmaßes. Wir kennen seit vielen Jahrzehnten das wichtigste Gegenmittel gegen den von der Menschheit verursachten Klimawandel: Die Reduktion von CO2 – und das geht mit der radikalen Abkehr von fossilen Energieträgern am schnellsten. Deshalb ist die Energiewende – der möglichst schnelle Ersatz von Kohle, Gas und Öl durch Wind, Sonne und Wasser – der wirksamste Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung.

Durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist offenbar geworden, wie abhängig insbesondere Deutschland von russischem Gas und Öl ist. Die Energiewende ist somit auch Kernpunkt einer wertegeleiteten Außenpolitik geworden. Gleichzeitig ist sie innenpolitisch eine zentrale sozialpolitische Frage. Denn Strom und Wärme drohen für viele Menschen unbezahlbar zu werden. Es sind Öl, Gas und Kohle, durch die die Energierechnungen steigen. Erneuerbare Energien und Effizienz senken sie hingegen.

Weg mit den Hürden

Energiewende und bezahlbare Energie sind also kein Widerspruch. Eine Klima- und Energiepolitik, die auf dem Dreiklang CO2 minimieren, Energieverbrauch senken und Solidarität garantieren aufbaut, befindet sich im Einklang mit der katholischen Soziallehre und dem biblischen Gebot der Bewahrung der Schöpfung.

Deshalb unterstützen wir eine Politik, die die Energiewende konsequent vorantreibt, den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt und den CO2-Ausstoß bei der Erzeugung von Strom und Wärme radikal reduziert. Ausbauhemmnisse müssen schnell abgebaut werden. Das betrifft die teils sehr strengen Abstandsregeln zu Siedlungen, es braucht sichere Regeln für den Abstand von Funkfeuer-Anlagen zur Navigation im Luftraum und es verlangt Lösungen für häufig konstruierte Konflikte mit Arten- und Naturschutz.

Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die in der Abwägung mit anderen Partikularinteressen Vorrang haben muss. Die Nutzung von Kernenergie kann wegen ihrer unbeherrschbaren Risiken keine dauerhafte Alternative für die Zukunft sein.

Einsparmöglichkeiten müssen kommuniziert und mit Förderprogrammen unterstützt werden – zum Beispiel für den Austausch ältere elektrischer Geräte. Staat und Zivilgesellschaft müssen sicherstellen, dass keine Wohnung und kein Elektroherd im wohlhabenden Deutschland kalt bleibt. 

Gleichzeitig dürfen wir die europäische und internationale Solidarität nicht vernachlässigen, unsere energiepolitischen, vor allem aber sozialpolitischen Maßnahmen müssen über Deutschland hinauswirken. Wir haben eine Verantwortung in den Ländern des globalen Südens, denen wir bei Krisenbewältigung, Krisenprävention und vor allem dem Aufbau ihrer eigenen Energiewende zur Seite stehen müssen.

Alle Optionen nutzen

Die Wirtschaft müssen wir in der Energiewende so begleiten, dass Investitionen und vor allem Innovationen weiter möglich sind. Diese Wende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sie fordert Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen. Auch die Kirchen sind in der Pflicht: Sie müssen ihrer Immobilien und Grundstücke unkompliziert und kostengünstig für Windkraft und Photovoltaik zur Verfügung stellen. Sie müssen in ihrem Mobilitätsverhalten klimafreundlicher werden, ihre Fuhrparks modernisieren, auf Rad, Fußwege und den ÖPNV umsteigen und intelligente Verkehrskonzepte wie Carsharing nutzen und dafür ebenfalls ihre Flächen zur Verfügung stellen. 

Und auch als Verhaltensvorbild haben die Kirchen eine Aufgabe: Früher gehörte der Braten zum Sonntag wie die Heilige Messe. Heute essen viele von uns an sieben Tagen in der Woche Fleisch. Verhaltensveränderungen beginnen im Kopf und enden bestenfalls im Portemonnaie. „Gut leben statt viel haben“ ist ebenfalls ein christlicher Grundsatz, den wir wieder mehr in den Vordergrund stellen müssen.

In Ägypten geht in diesen Tagen die 27. Auflage der Weltklimakonferenz zu Ende. Von ihr geht bestenfalls das Signal aus, dass der Schutz des Klimas und der Umbau der Energieversorgung für die gesamte Menschheit eine große Chance bilden. Für die Bewahrung der Schöpfung, einem wirtschaftlichen Neuanfang, internationaler Solidarität und sozialem Zusammenhalt.

Annegret Kramp-Karrenbauer, ehemalige CDU-Chefin und Verteidigungsministerin, ist Sprecherin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) für „Nachhaltige Entwicklung und globale Verantwortung". 

Michael Wedell ist Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft The Partners und Sprecher des ZdK für „Wirtschaft, Soziales und Digitalisierung“

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