"Himmlische" UNO - eine Vision
Frieden durch Gerechtigkeit
Schwerter zu Pflugscharen
Nachdenken über die Vision des Jesaja
Ein Psalm nach Jesaja 2, 2-5
Es wird geschehen in den letzten Tagen und beginnt schon heute: Die Welt kommt in Bewegung und sucht sich eine neue Ordnung. Alle Menschen machen sich auf den Weg. Die Völker und Nationen brechen auf mit einem neuen Ziel. Sie sind sich einig: "Kommt, lasst uns Gott nachfolgen, dass er uns seine Wege führt, und wir in seine Spuren treten. Wir wollen seinen Weisungen folgen und seinem Wort vertrauen." Dann wird Gottes Wort zwischen den Völkern Recht schaffen und den Menschen aller Nationen Gerechtigkeit geben. Die Menschen werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Rebmessern schmieden. Kein Volk wird gegen das andere die Waffe erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen. Kommt, lasst uns leben im Licht dieser Verheißung. Amen.
Wer kennt sie nicht in der Friedensbewegung, jene Statue von Jewgeni Wutschetitsch, die die Sowjetunion im Dezember 1959 der UNO schenkte. Seitdem steht die Skulptur vor dem UNO-Gebäude in New York. Eine zweite steht im Moskau in der Tretjakow-Galerie. Mit kräftigen Schlägen eines starken Mannes wird ein Schwert in ein Pflugschar um geschmiedet.
Die Skulptur wurde die Vorlage für das bekannteste Symbol der Friedensbewegung in der DDR ab 1980 und löste einige Konflikte aus. Wurde der daraus entwickelte Aufnäher von der Staatsführung der DDR doch zunächst als subversiv angesehen, obwohl der große Bruder Sowjetunion doch der UNO diese Skulptur geschenkt hatte.
Auch die Friedensbewegung hatte es also nicht nur leicht mit dem Emblem. Der Kunstschmied Stefan Nau, der beim Wittenberger Kirchentag 1983 ein Schwert spektakulär in ein Pflugschar umschmiedete, übersiedelte 1985 in den Westen. Nach der Aktion erhielt er keine Aufträge mehr und musste seine Schmiede schließen.
Aber Vorsicht: Das Schwelgen in diesen Erinnerungen kann uns heute unempfänglich machen für die eigentliche Kraft dieses Symbols und der biblischen Texte aus denen es entstanden ist. Wir haben den Text aus dem Jesaja-Buch gehört:
Die Menschen werden ihre Schwerter zu Pflugscharen
und ihre Spieße zu Rebmessern schmieden.
Das Bild hat Kraft in sich selbst.
Ein Schwert zerschneidet und zerstückelt, was zusammengehört. Ein Schwert bedroht und vernichtet Leben. Auch soziale Kommunikation und Politik können schneidend sein und gegeneinander aufhetzen, was nur gemeinsam dem Leben dienen kann.
Ein Pflugschar ist auch stahlhart und schneidend. Ein Pflugschar jedoch bricht die verkrustete Oberfläche auf und legt den Boden offen für den Empfang von etwas Neuem, Zukünftigen, Wachsenden, Lebendigen. Arbeit für Wachsen und Leben ist also auch nicht nur weich und soft und milde. Auch Arbeit für den Frieden hat eine stählerne Seite. Sie bricht Verhärtetes auf. Sie lässt die Dinge nicht wie sie sind. Sie muss Konflikte aushalten. Sie setzt auf das, was erst noch werden und wachsen muss. Sie hofft auf Sonne und Regen und den, der seinen Segen auf das alles träufelt.
Schauen wir genauer auf den Text bei Jesaja. Wann genau schmieden die Menschen ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Rebmessern?
Sie tun es nicht, um den Frieden zu erzwingen oder zu erlangen. Sie tun es, weil sie Frieden erfahren und Gewalt nicht mehr nötig ist.
Die neue Übersetzung, die vorangestellt ist, arbeitet etwas deutlicher heraus, worauf es ankommt, als dies in der Übersetzung Luthers der Fall ist. Ich bin ganz überzeugt, dass diese neue Übersetzung den alten Text nicht etwa umbiegt, sondern klarer herausarbeitet, worauf es ankommt.
„Die Welt kommt in Bewegung und sucht sich eine neue Ordnung.
Alle Menschen machen sich auf den Weg.
Die Völker und Nationen brechen auf mit einem neuen Ziel.“
Wenn Sie so wollen, wird hier der Traum von einer neuen Völkergemeinschaft, sozusagen einer „himmlischen UNO“ ausgemalt. Wir suchen etwas, was über unsere je einzelnen Interessen und Möglichkeiten hinausgeht. Wir brauchen ein Gemeinsames, vielleicht ein Drittes, was uns zusammenführt.
Bei Jesaja, bei Menschen, die glauben, wird dieses Gemeinsame, über uns Hinausweisende oder Hinausreichende „Gott“ genannt:
„Kommt, lasst uns Gott nachfolgen, dass er uns seine Wege führt,
und wir in seine Spuren treten. Wir wollen seinen Weisungen folgen
und seinem Wort vertrauen.“
Wer diesen Bezug auf Gott für sich nicht gelten lassen kann, bleibt dennoch ein Mensch, der mit allen anderen fragt:
„Welchen Weg wollen wir gemeinsam gehen? Woran können wir uns verbindlich halten?Wem können wir vertrauen?“
Was geschieht nun, da alle zusammenströmen und eine gemeinsame Hoffnung zum Ausdruck bringen?
Bei Jesaja heißt es:
„Dann wird Gottes Wort zwischen den Völkern Recht schaffen und den Menschen aller Nationen Gerechtigkeit geben.“
Das also ist es. Dem gemeinsamen Recht wird Geltung verschafft. Ein Recht, dass alle annehmen können, weil es nicht ein Recht der Macht, auch nicht einer göttlichen Macht, sondern ein Recht der Gerechtigkeit ist. Darin können sich alle wiederfinden. Da ist keiner der Verlierer, der sich schamvoll oder zähneknirschend einem anderen unterordnen muss.
Hier ist übrigens die neue Übersetzung am deutlichsten von der der Lutherbibel unterschieden:
Dort heißt es:
„Er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker.“
Das klingt sehr anders. Es klingt so, als hätte einer die Wahrheit und alle anderen müssten nun unter Androhung von Strafe ihre Fehler und Irrtümer eingestehen und dem unerbittlichen Richtspruch Gottes folgen.
Nun kann man aber das hebräische Wort „sapot“ auch übersetzen mit Wiederherstellung oder Wiedereinsetzung des Rechts. Man kann es im Sinne von „zurechtbringen“ verstehen. Dann geht es nicht mehr um Strafe, sondern die gemeinsame Anerkennung des Rechtes zum Nutzen, Wohle und Frieden aller.
Dann ist die Einsetzung des Rechtes ein heilsamer Prozess für alle. Und dann gibt es keinen Grund mehr für gewaltsame Auseinandersetzung. Die Völker schmieden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Rebmessern, weil sie diese nicht mehr brauchen.
Es diese Vision eines Friedens in Gerechtigkeit, eines Friedens durch Gerechtigkeit, die die Völker in Bewegung setzt und zum Berg des Herrn, zum Berg Gottes gehen lässt. Das setzt sie in Bewegung. Auf dem Weg zum Berg Gottes werden viele noch ihre Schwerter und Spieße mitgenommen haben. Man kann ja nie wissen. Aber sie hielten es für möglich, dass das gemeinsame Recht in Gerechtigkeit sie zum Frieden führen könnte.
Für Christen – und vielleicht auch für viele andere – ist diese Vision in der ökumenischen Bewegung erneut aktuell geworden. Ende 2013 hat der Ökumenische Rat der Kirchen die ganze Christenheit und alle Menschen zu einem „Pilgerweg des gerechten Friedens“ eingeladen. In vielen Kirchen, Gemeinden und Gruppen wird das seitdem zunehmend aufgenommen und umgesetzt. Auch hier in Deutschland. Meine Hannoversche Landeskirche hat beschlossen, zu einer „Kirche des gerechten Friedens“ zu werden. Ich darf als ihr früherer Vizepräsident auch jetzt in meinem Ruhestand daran mitwirken. Konkrete Schritte sind schon gegangen worden, weitere konkrete sind in Arbeit.
Dieser Pilgerweg ist eine Einladung an alle. Und ich bin sicher, dieser Friedensratschlag ist auch ein Schritt auf diesem Pilgerweg. Ob die Teilnehmenden nun an Gott glauben im Sinne unseres christlichen Verständnisses oder nicht.
In der Vision des Propheten Jesaja haben sich ja schließlich alle auf den Weg gemacht.
Und noch etwas: Ganz sicher werden auf diesem Weg Pflugschare und Rebmesser gebraucht. Es geht um harte Arbeit an einer Kultur des Lebens in der alle „Brot und Wein“ haben.
MK Consulting Zierenberg
6 JahreWunderbar, die Zuversicht, die Deinem Essay innewohnt. Ein sehr einladender Text. Ich wünsche dem Text viele Leser. Danke und frohe Weihnachten.🎄😊