Was ich bei den Paralympics über Leadership gelernt habe

Was ich bei den Paralympics über Leadership gelernt habe

In Tokio werde ich dieses Jahr zum sechsten Mal an den Paralympischen Spielen teilnehmen. Seit über 25 Jahren bin ich Teil der Nationalmannschaft der Sitzvolleyballer und habe Deutschland bei fast 300 Spielen vertreten. 2012 habe ich mit dem Team in London eine Bronzemedaille gewonnen. Ich bin für die vielen Erlebnisse und Erfahrungen, die ich auf diesem Weg gemacht habe, sehr dankbar und möchte sie in diesem Artikel einmal festhalten. Ich habe dabei so viel gelernt, dass es schwerfällt, alles in ein paar Worten zusammenzufassen – ein Versuch ist es trotzdem wert.

1.    Spiel‘, um zu gewinnen!

Seit ich denken kann wollte ich immer Spitzenleistung zeigen. Ob im Sport, im Job oder zuhause bei meiner Familie – ich versuch immer mein Bestes zu geben und es fällt mir schwer, mich mit weniger zufrieden zu geben. Ich wurde mit Muskeldystrophie in beiden Beinen geboren – habe diese Krankheit jedoch nie als ein Hindernis für mich angesehen. Vielmehr ist es immer auch Ansporn gewesen: Ich versuche in allem was ich mache zu gewinnen und an die Grenze meiner Leistungsfähigkeit zu gehen, ungeachtet der Umstände, die mich begleiten. Deshalb liegt mir auch Bayers Mitgliedschaft in „The Valuable 500“ oder mein eigenes Engagement bei „ENABLE“, die Business Ressource Group für Menschen mit Handicap unseres Unternehmens, so am Herzen.

Das gilt für die Arbeit genauso wie auf dem Spielfeld. Im Sport wird man an Siegen und Niederlagen gemessen. Bei der Arbeit gibt es unterschiedliche KPIs, um Leistungen zu bewerten: Wie sehr das Geschäft wächst, wie du selbst deine Arbeit machst, wie Mitarbeiter sich engagieren und Innovationen gefördert werden – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Manchmal ist es auch schwer, Leistungen wirklich greifbar und messbar zu machen. Aber wir alle wissen, wie es sich anfühlt, zu gewinnen. Das Gefühl, das man alles gegeben hat und dass sich der Einsatz im Ergebnis widerspiegelt. Für mich ist dieses Gefühl unfassbar motivierend.

2.    Gewinne immer als Team!  

Im Sitzvolleyball geht es hauptsächlich um Teamwork. Man muss sich darauf verlassen können, dass seine Mitspieler in der richtigen Position sind, den Ball gut passen und effektiv kommunizieren. Es geht darum, sich gegenseitig zu vertrauen. Im Viertelfinale 2012 gegen das chinesische Nationalteam hat mein Team gezeigt, was es wirklich bedeutet, auf die Fähigkeiten der anderen zu vertrauen. Wir lagen 2-0 zurück und standen mit dem Rücken zur Wand. Aber wir haben uns aufeinander verlassen, gewannen drei Sätze in Folge und damit das Spiel. 

Vertrauen hängt nicht davon ab, wer deine Mitspieler sind oder wie talentiert sie sind. Stattdessen geht es darum, welche Beziehungen man aufgebaut hat und wie man sich als Teamplayer in eine Mannschaft einfügt. Unter Druck ist es leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Aber es sind genau diese Momente, in denen es wirklich auf Vertrauen ankommt.

In einem Team bringt jeder unterschiedliche Erfahrungen, Talente und Perspektiven ein – ebenso wie individuelle Grenzen. Führungsstärke bedeutet, jede Person so zu fördern, dass sie ihr Bestes geben kann – während gleichzeitig der Rahmen respektiert wird, in dem dies möglich ist. Wenn das gelingt, fühlen sich Teammitglieder wohl, die Stimmung verbessert sich und führt zu sensationellen Ergebnissen, die niemand allein erreichen kann.

3.    Unterstütze andere und nehme Unterstützung an!

Man fragt mich oft, wie ich alles unter einen Hut bekomme. Die Antwort hat zwei Seiten. Erstens schafft niemand so etwas allein – und das trifft ganz besonders auch auf mich zu. Ich bin dankbar für die Unterstützung meiner Familie, meiner Teammitglieder und meines Arbeitgebers. Ohne sie wäre nichts von alldem möglich. Mit einem starken Netz von Unterstützern steigt die eigene Leistungsfähigkeit um ein Vielfaches. Im Gegensatz dazu sind Alleingänge häufig ein Verlustgeschäft.

Der zweite Teil der Antwort hat mit Energie zu tun. Sei es in meiner Karriere, meinem Sport oder meinem Familienleben – alles was ich mache, gibt mir Energie. Wenn man Zeit mit den richtigen Menschen und Aktivitäten verbringt, geht einem die Energie selten aus. Im Gegenteil: Es gibt einem Kraft, andere zu unterstützen oder ein gemeinsames Ziel zu verwirklichen.

Und genau das ist der Spirit, den ich mit in die diesjährigen Paralympischen Spiele nehme. Ich bin sehr gespannt, was wir nach Hause bringen werden. Ich freue mich auf viele großartige Erlebnisse mit Spitzensportlern und Trainern aus der ganzen Welt. Vielleicht wartet auch noch eine paralympische Medaille auf uns? Drückt uns die Daumen!

Viktoria Ziemann

Head of Business Development Sustainable Operations at Arcadis

3 Jahre

Sehr starker Beitrag, vielen Dank! Ich möchte noch ergänzend hinzufügen, dass LeaderShip ein Geflecht von verschiedensten Faktoren und verschiedensten Menschen ist. Es geht darum jeden einzelnen anderen Menschen wirklich zu sehen. Hinter all meinen eigenen Erfahrungen, Prägungen und Glaubenssätzen. Und hinter seinen eigenen Prägungen, Glaubenssätzen und Erfahrungen. Es geht darum, die Bereitschaft und Umsetzung zu haben, wirklich in Verbindung miteinander zu gehen und wahrhaft kennen zu lernen. Auf dieser Grundlage können die wunderschönsten Dinge entstehen!

Alexander Dumschat

Geschäftsführer bei Dumschat + Network | Wir entwickeln lebendige Organisationen. Gemeinsam.

3 Jahre

Ich finde Ihren Versuch sehr gelungen. Danke fürs Teilen.

Ralf Wiegand

Diplom - Pädagoge und Leadership Experte Privater Account

3 Jahre

Erfolgreiches Arbeiten im Team setzt aus meiner Sicht zunächst ein einheitliches Verständnis der Mitarbeiter u der Vorgesetzten in Bezug auf die Fehlerkultur voraus. Die Teamzusammensetzung sollte alle zur Auftragserteilung erforderlichen Kompetenzen beinhalten. Die sind nicht alle in jedem Mitarbeiter gleichermaßen ausgeprägt. Eine ausgeprägte Akzeptanz u Toleranz den anderen Teammitgliedern gegenüber sollte vorherrschen u auch verinnerlicht u gelebt werden. Einzelne Kompetenzen dürfen sich nicht in den Vordergrund spielen u andere gleichberechtigte Interessen unterdrücken. Entscheidungen werden gemeinsam im Team getroffen, was Mitarbeitern mit einem übergrossen Ego grundsätzlich schwer fallen dürfte. Eine zwingende Gleichberechtigung muss unter den Teammitgliedern bestehen u keine Hierarchie. Ist dieses alles gegeben, dann gilt es für jedes einzelne Teammitglied ggf. täglich dafür zu sorgen, dass diese Grundregeln und Rahmenbedingungen mit Leben gefüllt werden. Dann wird das Team gut zusammenwachsen und ein großes Vertrauen untereinander entwickeln u es sind hervorragende Arbeitergebnisse zu erwarten. Aber wie gesagt es ist ein bisschen so wie beim Obst...ein fauler Apfel in der Schale kann ggf. das Team sprengen...

Frank Peters

PowerTeams haben mehr Erfolg. Und mehr Freude.

3 Jahre

Vielen Dank für den Artikel, Juergen Schrapp! Mir gefällt Ihre offene und ehrliche Art und die Klarheit, in der Sie das kommunizieren. Ich unterschreibe alle drei Erkenntnisse komplett und hätte noch zwei Ergänzungen: Dieses „Spiel um zu gewinnen!“ kommt mir sehr bekannt vor. Wann immer es auch nur ansatzweise um einen Wettkampf geht, will ich gewinnen. Das ist ein starker Antrieb, hat leider auch den Nebeneffekt, dass ich lange Zeit im Sport und auch sonst im Spiel kein so richtig guter Verlierer war. Anderen den Sieg zu gönnen, fiel mir lange schwer. Seitdem es mir gelungen ist, eine weitere Sichtweise hinzuzufügen, gehe ich entspannter mit Niederlagen um. Die Sichtweise ist: „Spiel um des Spielens willen“. Das heißt nicht, dass mein Hunger nach Siegen weniger geworden ist. Es heißt, dass ich das Spiel schon während des Spiels genießen kann. Daraus erwächst sogar eine besondere Kraft. Denn die Haltung von „Ich will den Sieg unbedingt, doch ich brauche ihn nicht.“ entspannt und fokussiert gleichermaßen. Also würde ich „Spiel um zu gewinnen“ ergänzen um „Spiel um zu spielen“. Es ist eine der schönsten Erfahrungen, im Team Erfolge und Siege zu erringen. Sich gegenseitig vertrauen, fördern und im richtigen Moment pushen ist nicht nur erfolgsträchtig, es macht so einfach viel mehr Spaß. Die größte Prüfung kommt für Teams meist dann, wenn sie trotz aller Anstrengung eine Niederlage einfahren. Wenn sie es eben nicht schaffen. Wenn sie das große gemeinsame Ziel verfehlen. Erst dann erweist es sich, ob das Team wirklich ein Team ist, ob das Vertrauen auch dann noch hält und ob die Beziehungen auch dieses Negativ-Erlebnis überdauern können. Das lässt sich im Kleinen üben und stärken, um auch nach einer großen Niederlage oder Enttäuschung gefestigt als Team und nicht als Scherbenhaufen da zu stehen. Also wäre meine zweite Ergänzung zu ihren Erkenntnissen: „Verliere als Team!“

peter friedrich

Senior Consultant bei FRITZ Change AB

3 Jahre

Wenn man 'Leadership' so versteht, dass es darum geht Voraussetzungen für effektive Gruppenaktivitäten/Gruppenarbeit zu schaffen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Aber daneben gibt es natürlich ein Vielzahl von Aspekten, die alle mehr oder weniger gleichzeitig beachtet und insbesondere umgesetzt werden müssen.

  • Kein Alt-Text für dieses Bild vorhanden

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen