Was ich jeden Tag erlebe: Probleme im Vertrieb sind hausgemacht.

Was ich jeden Tag erlebe: Probleme im Vertrieb sind hausgemacht.

Besser zu sein ist ein Wettbewerbsvorteil, der besonders im Vertrieb, von unserer eigenen Einsatzbereitschaft und unserer eigenen Wahrnehmung begrenzt wird. Und es ist meine stetig wiederkehrende Beobachtung, dass die meisten der sogenannten “Sales Closing“, also Abschluss-Probleme, tatsächlich ihre Wurzeln bereits in der Eröffnung einer Verkaufschance haben, dem Versagen einer ausreichenden Vorab-Qualifikation geschuldet. Glauben Sie also nicht, Ihre Verkäufer hätten lediglich ein „Abschluss-Problem“.

Wie oft haben wir uns schon die Frage gestellt, warum unser Vertrieb nicht so viel verkauft, wie er eigentlich verkaufen könnte? Ein paar Gedanken, gesammelt aus aktuellen Kunden-Assessment-Forecast-Meetings und gerne nochmals zusammengefasst:

1) EVERYBODY SUCKS AT SALES... sonst wäre es ja gar nicht erklärbar, warum wir so viel Zeit auf die Suche nach und dem Trainieren von Verkaufs-Methoden verschwenden. Wir suchen und zahlen für das vage Versprechen auf das ultimative Rezept. Doch kaum jemand ist ein absoluter Experte, schon gar nicht, wenn es um unsere eigenen Prozesse geht: kenne Dein Unternehmen und erkenne, wie die Dinge hier ins Laufen kommen und getan werden! Gerade der Verkauf ist so ein relatives Ding. Im Verkauf steht nichts still, nie. Und weil sich die Dinge im Verkauf sogar spontan verändern, hängt der Erfolg an der Bereitschaft sich wirklich ganz persönlich reinzuhängen. Wahrscheinlich noch viel mehr als wir uns glauben machen, denn keine Methode und kein Werkzeug wird das für uns tun. Und natürlich hängt der Erfolg auch an den Personen, denen wir etwas verkaufen wollen. Die ticken ja nicht alle gleich. Jeder hat sein ganz eigenes Motiv und bei durchschnittlich 6,4 beteiligten Personen im B2B-Geschäft (CSO Insight) kann so einiges gar nicht, oder schief ins Laufen kommen. Und geht etwas schief wird stereotyp der Preis, oder ein fehlendes Feature, oder der aggressive Mitbewerber für den Verlust eines Deals verortet – und alle sind beruhigt, sogar das berechnende Verkaufstool. Gewonnen wird immer am Start - and this is where almost everybody really sucks.   2) HEY VERTRIEBLER, ES IST SPÄTER ALS DU DENKST: zwei Quartale rum, das dritte auch schon mittendrin, und du rennst schon lange deinen Zielen hinterher? Und sag‘ jetzt nicht, dass du noch genug Zeit hättest um deine Zahlen noch aufzuholen. Es ist nett, wenn du einen Manager hast der das glaubt, aber nicht hilfreich. Denn eigentlich veräppelt ihr euch beide gerade nur selbst. Die Zahlen sind auch gar nicht das Problem. Sie sind lediglich Indikatoren die in die Richtung weisen, wo ein Problem liegen könnte: kenne Deine Zahlen, aber erkenne besonders auch, was diese Zahlen antreibt! Die Grenzen zwischen valider Verkaufschance und Unterhaltungsshow verschwimmen je näher wir dem Ultimo kommen. Und manch‘ guter Deal schwimmt uns davon, war gar nicht da, betrachten wir uns mal ernsthaft den hohen Anteil von totem Holz, das durch unsere Verkaufsprognosen treibt. Ist euch nicht auch schon aufgefallen, dass die spontanen „Bluebirds“ immer weniger geworden sind, und die Kunden sich immer weniger in Monats- oder Quartals-Ende-Entscheidungen pressen lassen. Ist euch nicht auch schon aufgefallen, dass Entscheidungen länger dauern als noch vor ein paar Jahren. Einkäufer sagen, dass es heute doppelt so lange dauert, auch, weil wesentlich mehr Leute involviert sind. Wie also soll der Plan aussehen, das aufzuholen, was in den bisherigen zwei und ein halb Quartalen liegen blieb? Denkt nach – jetzt: kennt eure Prioritäten, aber erkennt auch, was keine Priorität sein kann! 3) WAS BLEIBT IST DIE ERKENNTNIS: etwas verändern zu wollen, was man nicht verändern kann, macht offenbar genauso unglücklich, wie etwas verändern zu müssen, was man eigentlich gar nicht verändern will. Das ist kein Problem das man lösen könnte, sondern eine Situation. Ein Faktum. So wie die ernst gemeinte und kundenbezogene Kreativität in den meisten Vertriebsorganisationen faktisch eher unwahrscheinlich ist. Dort wird werkzeuggestützt organisiert, geplant und exekutiert. Und der Prozess des Organisierens hat ja gerade das Ausblenden von Kreativität und Agilität zum Ziel. In den meisten Meetings, denen ich beisitzen darf, geht es vielmehr darum, schnell mehr zu tun und weniger darum, etwas besser zu tun. Was beim Einsatz aller Tech-Gadgets allerdings besonders fehlt ist, die Dinger können nicht abwägen und nicht beurteilen. Noch nicht einmal was der kleinste gemeinsame Nenner sein könnte, der Sinn macht und doch für den Kunden einen Wert darstellt. Die Briten haben ihren Brexit ja bisher auch nur technisch und vor allem nur mit sich selbst verhandelt: not even the Brits are perfect! 4) EIGENTLICH KANN MAN NICHTS VERLIEREN, was man noch gar nicht besessen hat. Doch noch nie war das Nichts so sirenenhaft beredt wie heute. Die massive App-und Tool-Maschinerie teilt uns ununterbrochen mit, alles, das Letzte, das Intimste, das Dümmste. Und das Schlimmste sind die Fantasien, die damit ausgelöst werden. Glauben Sie also bloß nicht, ihre Verkäufer hätten lediglich ein Abschluss-Problem. Das ist auch nur eine Situation. So wie die vielen Methoden und Helferlein, die bespielt werden müssen und doch nur die Achtsamkeit für den kleinen Unterschied vernebeln. Aufmerksamkeit hilft uns, gute Entscheidungen zu treffen. Unaufmerksam opportunistisches Verhalten dagegen fördert es sogar, Forecast-Totholz zu stapeln. Aufmerksam betrachtet schmilzt jede Umsatzprognose wie Eis in der Sonne, und ganz egal, was ihr bevorzugtes CRM- und/oder Verkaufs-Tool dazu meint. Es braucht schon mal zehn oder mehr Jahre um ein wirklich guter Verkäufer zu werden, aber es braucht womöglich nur ein Training um ein Sales-Tool zu befüllen und die Knöpfchen einigermaßen bedienen zu können. Bob Apollo, einer meiner früheren Chefs, hat mal gesagt: “sales automation is enabling stupid people to do stupid things more frequently than they used to be able to.” 5) IMMER MEHR AM „NEUEN VERKAUFEN“ WIRD IMMER WIEDER ZUR ANALOGEN KULTUR- UND VERTRAUENSFRAGE. Die Zeit, die wir in Menschliches investieren müssen, um unsere Kunden und Gesprächspartner zu verstehen, mag dem Algorithmen-Beat-Berater heute ineffizient erscheinen. Betrachten wir uns allerdings die Reibungsverluste, die entstehen müssen, wenn wir unsere Kunden nicht mehr verstehen, sondern nur noch digital abarbeiten, ist diese Zeit bestens investiert. „Today’s businesses need to view sales as being all about relationship.” Man kann sie auch schon spüren, die Renaissance des guten Gespräches. Je "teurer" die Investition, desto mehr. Einen Commodity-Fehlgriff kann ich zügig austauschen, eine Maßnahme jedoch, die wirklich in die Abläufe des Unternehmens eingreift deutlich schwieriger. Natürlich werben alle Instrumenten-Hersteller mit flexibel, kompetent und schnell, aber erwarten immer noch die Einhaltung einer klaren Befehlskette, samt Entscheidungskompetenz, die noch immer den höheren Hierarchiestufen vorbehalten ist. Da ist viel Schein(Kontrolle) drin. Und vieles können wir in derart Hierarchie gar nicht hinbekommen – nicht wenn Manager per Definition etwas entscheiden (müssen), was sie in der erforderlichen Tiefe gar nicht entscheiden können oder sollten. Vielleicht kennen Sie das Beispiel, dass ein Verkäufer die gerade mühsam bei seinem Kunden verhandelten Attribute eines „guten“ Deals erst noch vom Management absegnen lassen muss. Der Manager glaubt überschreiben zu müssen, um im Griff zu haben was vom Verkäufer zur Exekution erwartet wird - doch tatsächlich nimmt er dem Verkäufer die Kompetenz.   6) WIR NEIGEN HEUTE DAZU, DATEN ZU VIEL GEWICHT ZUZUSCHREIBEN. Und je mehr Daten uns zur Verfügung stehen, desto mehr Wahrheit interpretieren wir hinein. Das ist nicht innovativ, das ist ignorant. Alleine das digitale Aufrüsten wird den Zweck eines Unternehmens auch nicht sonderlich beeinflussen. Und in kaum einem Job ist die Kompetenz der Mitarbeiter so eng mit dem Erfolg (Umsatz) des Unternehmens verknüpft, wie im Verkauf. Und häufiger Fehler – unbestritten im Vertrieb - ist die Herangehensweise, denn die meisten Unternehmen glauben, sie müssen ihren Kunden unbedingt etwas verkaufen. Und die meisten Vertriebschefs glauben, dass das noch schneller gehen muss. Unsere Führungsgrundsätze sind noch immer der Industrie und dortigen Arbeitsbegrifflichkeiten entlehnt. Zu viele Methoden verfolgen Ansätze, die uns mehr an Charlie Chaplins „Modern Times“ erinnern, als dass sie an unsere moderne Welt andocken. Nüchtern betrachtet kann es bei maximalem Automatisierungs- und Digitalisierungsbestreben mit der Qualifikation der Verkäufer also nur bergab gehen. Doch wem ist geholfen, wenn das Ergebnis des digitalisierten Verkaufs Verkäufer sind, die auf Knöpfe drücken? 7) JE MEHR WIR UNSEREN KUNDEN ZUM ERFOLG VERHELFEN, DESTO ERFOLGREICHER WERDEN WIR SELBST SEIN. Um hierfür die Chancen und Grenzen einzuschätzen, sind besonders die menschlichen Faktoren entscheidend - mindestens so entscheidend wie die Strategie und smarte Methoden. Erfolgreiche Beziehungen sind nun einmal analog besonders intensiv. Sich persönlich Zeit zu nehmen ist eine unglaublich starke Form der Wertschätzung. Sich auf ein gutes Gespräch einlassen, anstatt Mails und Memos hin und her zu jagen, hat heute fast schon einen fortschrittsfeindlichen Beigeschmack. Aber, wie Andre Wilkens meint: „Analog ist das neue BIO.“ Außerdem sind es in erster Linie die Kunden, die etwas von motivierten Mitarbeitern haben! Das zahlt zurück. Denn der beste Grund warum Kunden von Ihnen kaufen ist nicht Ihr Produkt, nicht Ihre High-Tech-Kunden-Assessments, und auch nicht Ihr Preis. Der beste Grund ist Vertrauen!

8) „What it all comes down to in the end is that buyers won't believe in what you say unless they believe in you.” Wir haben kein Datenproblem – wir haben eine gewaltige Wertelücke. Und wie groß diese jeweils ist, versuche ich bei und mit meinen Kunden herauszufinden. Denn in vielen Branchen und für viele Produkt- und Lösungsbereiche wird die Zukunft des Verkaufens wohl menschlich bleiben. Dort wo es wirklich wichtig wird, oder dann wenn es richtig teuer und beratungsintensiv wird, wird’s auch schnell wieder analog. Dann geht es um Respekt, um echte Wertschätzung, um den korrekten Umgang, und um eine verlässliche Vereinbarungskultur. Und genau dann sind Empathie und Kultur das Herzstück unseres Wettbewerbsvorteils.

Und wenn Sie trotzdem der Meinung sind, dass gute Verkäufer altmodisch oder gar zu teuer sind, dann probieren Sie ruhig einmal die Automaten. Aber Achtung, denn schließlich gilt - damals wie heute: know that you have to have fun!

Wenn nicht, wird auch das Umfeld wenig Spaß an ihrer Sache haben. Und so etwas ist immer sehr sehr ansteckend – für alle, außer für den Automaten. Aber der steht dann auch nur noch alleine in der Ecke und blinkt.

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