Was ich unternehmerisch auf der Gorch Fock gelernt habe

Was ich unternehmerisch auf der Gorch Fock gelernt habe

Diese Bilder entstanden heute vor genau zehn Jahren!

Auf der Gorch Fock absolvierte ich knapp drei Monate seemännische Ausbildung im Rahmen meines Offizieranwärterlehrgangs. Nach einer intensiven Segelvorausbildung im Hafen von Las Palmas, ging es über die Azoren bis nach Lissabon.

Als junger Obergefreiter auf der Gorch Fock
Als junger Obergefreiter OA auf der Gorch Fock


Die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, prägen mich bist heute. Sie helfen mir im Berufsalltag, in schwierigen Zeiten und bei der Entscheidungsfindung.

Hier sind einige davon:

  • Wenn Du gar keine Risiken eingehst, wirst du vermutlich nicht mit dem schönsten Ausblick belohnt. Teilweise ungesichert auf 46 m Höhe in den Mast zu klettern, das fiel mir nicht unbedingt leicht. Besonders bei Seegang bedeutete die höchste Position auch die meiste Bewegung. Aber: Risikobereitschaft bedeutet nicht Leichtfertigkeit: Ein sicherer Schritt nach dem anderen brachte mich auch nach oben.
  • Mach das Beste aus deiner Situation oder ändere sie zu deinen Gunsten. Positive Affirmationen können helfen! Einmal am Tag wurde "Reinschiff" gemacht – alle Mannschaftsdienstgrade durften putzen. Ich war in der sogenannten "Mülllast" eingeteilt. Während andere die Gläser und Pokale in der Offiziermesse polieren durften, mussten zwei Kameraden und ich sämtlichen Verpackungsmüll sammeln und so klein wie möglich zusammentreten, damit er im gekühlten Müllraum im Bug Platz finden konnte. Hier habe ich nicht nur realisiert, wie viel Müll eine einzelne Person produzieren kann und was das auf lange Sicht bedeutet (wir waren immer ca. zwei Wochen am Stück auf See – da sammelt sich der Müll!), ich habe auch gelernt, mit unangenehmen Aufgaben klarzukommen. Die Arbeit war alles andere als angenehm: Im Bug war die meiste Bewegung im Schiff, man konnte oftmals kaum stehen, es roch trotz Kühlung recht bald unangenehm und die Arbeit war hart – doch je härter und schneller wir arbeiteten, desto länger hatten wir "Mülllastfahrer" Pause, denn zur Kontrolle kamen die Unteroffiziere nur ganz am Ende.
Wer bereit war zu klettern, konnte den Ausblick genießen.
Wer mutig war, konnte den Ausblick genießen.
  • Du bist nicht immer Herr der Elemente. Manchmal triffst du auf äußere Faktoren, auf die du keinen Einfluss hast und mit denen Du umgehen musst. Beurteile die Lage, triff deine Entscheidung und tritt entschlossen an. Wenn 8-Meter-Wellen auf dein Schiff zukommen, gilt es, sich sicher zu sein, ob du und dein Schiff das schaffen, oder ob das Unwetter umschiffst. Wenn du nur auf Gegenwind stößt, hilft es manchmal, den Kurs ein wenig anzupassen. Hart am Wind zu fahren, kann dich jedoch auch schneller machen als die, die nur vor dem Wind herfahren.
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  • Nicht jeder muss dich mögen. Du musst auch nicht jeden mögen. Manchmal hast du Personen in deiner Mannschaft, mit denen es einfach nicht harmoniert. Wenn ihr aber zusammen ein Schiff bewegen müsst und alle Hände voll zu tun habt, ist es Zeit für Professionalität. Auf der Gorch Fock habe ich gelernt, mit Menschen zusammenzuarbeiten, selbst wenn man sich gegenseitig nicht mag. Gegenseitiger Respekt und Professionalität stehen über Sympathie. Eine Lektion, die man selten in der Schule lernt.
  • Sprich Differenzen direkt an und räume sie aus dem Weg. Wenn 200 Leute ohne Ausweichmöglichkeiten auf einem Schiff leben, ist kein Platz für schwelende Konflikte. Differenzen und Streitereien mussten präzise angesprochen und geklärt werden.
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Leben auf engstem Raum, Schlafen in Hängematten: Kein Platz für lange Diskussionen
  • Merke dir, wer mit anpackt. Wenn Du einen großen Kahn bewegen willst, brauchst du Leute, die anpacken. Mit der Zeit wird sich herauskristallisieren, wer beim Segel brassen vorne am Seil steht und sich trotz offener Handflächen noch voll reinhängt – und wer immer hinten stehen möchte, um sich die Hände nicht schmutzig zu machen. Ganz klar, wechsle dein Team durch, um nicht einseitig zu belasten, aber realisiere auch, auf wen du bauen kannst.
  • In intensiven und zehrenden Zeiten, konzentriere dich aufs Wesentliche. Wenn du fünf Minuten Zeit für ein Power-Nap hast, nimm sie dir! Und dann wieder Attacke!
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Auf 46 Metern Höhe zu arbeiten – daran musste ich mich erst gewöhnen.

Und am Wichtigsten:

  • Halte durch, auch wenn es anstrengend ist. Manchmal ist einfach kein Land zu sehen. Da hilft es, den Kartenmaßstab einmal zu reduzieren bzw. einmal herauszuzoomen. Bist du weiterhin auf Kurs? Dann halte ihn!

Während ein Großteil meiner ehemaligen Klassenkameraden nach dem Abitur in Australien oder Neuseeland unterwegs waren, gerade zu studieren begonnen hatten oder einfach die Seele baumeln ließen, begab ich mich deutlich aus meiner "Komfortzone" heraus.

Weg von zuhause, weg von Freunden und Partnerin, hinein ins Ungewisse, ins Neue und in die unbekannte Welt der Marine und Bundeswehr.

Mein Resumee nach knapp drei Monaten Gorch Fock aus meiner heutigen Sicht:

Es gibt Zeiten, Reisen und Herausforderungen, die mich nachhaltig prägten und mein Verhalten beeinflussen. Die Zeit auf der Gorch Fock war eine davon. Ich wurde mit für mich neuartigen Herausforderungen konfrontiert und hatte keine Möglichkeit eines Plan B oder einfachen Ausstiegs. Auch heute noch kann ich von diesen Erfahrungen zehren und sie helfen mir immer wieder, schwierige Situationen zu meistern.

Hast Du gedient? Wie hat Dich die Zeit bei der Bundeswehr geprägt? Was sind Deine unternehmerischen Learnings?

Bogdan Gavrylenko

Head of Development and Partnership, SE at Giraffe Software

11 Monate

Moritz, thanks for sharing!

REINER Prof. Dr. POMMERIN

Strategischer Berater bei EURO-COMPOSITES S.A

1 Jahr

Wunderbar, der Sinn und der Effekt der Ausbildung auf der "Gorch Fock" könnte nicht besser beschrieben werden. BZ

👾 Moritz S. Ich hab das mal für mich in Gänze aufgeschrieben - vieles was wir in der Bundeswehr gelernt haben ist auch im zivilen anwendbar

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Nils Merkle

Our biggest Asset? - Our People! // IBM Consulting 👁🐝Ⓜ️

1 Jahr

Starker Artikel, Moritz! Was wir bei der Bundeswehr alles gelernt haben und wie wichtig das für eine Karriere auf der anderen Seite vom Zaun ist, fällt mir teilweise erst heute auf. So "einfache" Dinge, wie Verbindlichkeit und Pünktlichkeit, machen es mir leicht, mit anderen ehemaligen Soldatinnen und Soldaten zusammen zu arbeiten. Darüber hinaus ist die Bereitschaft zum Tragen von Verantwortung wohl das Wichtigste, das ich aus meinen 14 Jahren gezogen habe und das heute für mich den Unterschied macht.

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