Ich weiß, wo ich beim Thema KI stehe,
Symbolbild erstellt mit ChatGPT+

Ich weiß, wo ich beim Thema KI stehe,

liebe Kolleg*innen. Mir ist also bewusst, dass es sehr viele Journalist*innen gibt, die beim Thema Künstliche Intelligenz weiter sind als ich. Ich weiß aber auch, dass ich deutlich mehr weiß als sehr viele andere. Das zeigt sich auch daran, dass meine KI-Vorträge und -Webinare in diesem Jahr gut besucht waren. Kleines Schmankerl: Ich bin kommendes Jahr bisher für sechs Seminartage beziehungsweise Vorträge gebucht – und alle haben KI zum Thema. Auch für zwei der Webinare, die ich als Host anbiete, gibt es schon Anmeldungen. Heißt für mich: Ich kann was. Und vor allem kann ich es auch anderen erklären.

Umso absurder war die folgende Situation für mich: Ich habe an einer Journalist*innengesprächsrunde zum Thema Künstliche Intelligenz teilgenommen. Innerhalb von drei Minuten habe ich gemerkt, dass die Teilnehmenden etwa ein halbes Jahr hinter meinem Wissensstand waren. Das ist an sich kein Problem, da sich die Dinge schnell entwickeln. Was ich aber fast lustig finde ist, dass diese Kolleg*innen einfach einmal eine Stunde und unter 20 Euro investieren könnten, um an meinem Einführungsvortrag teilzunehmen, und sie würden in dieser Zeit inhaltlich um sechs Monate weiterkommen.

Mein Zeitaufwand, um auf dem Laufenden zu bleiben

Warum sie das nicht tun, bleibt ihr Geheimnis. Stattdessen freuen sie sich über Inhalte, die in dieser Gesprächsrunde geteilt werden, die aus meiner Sicht aber schon Allgemeinwissen in der Branche sein sollten. Das verstehe ich nicht. Ich informiere mich übrigens pro Woche gute vier Stunden zum Thema KI in der Medienbranche. Und das ist eigentlich noch zu wenig. Wer also unter Umständen nicht mehr macht, als einmal im Monat mit Kolleg*innen zu sprechen, die genauso wenig wissen wie man selbst, der wird nicht wirklich weiterkommen.

Wieviel Zeit investierst du, um beim Thema Künstliche Intelligenz auf dem Laufenden zu bleiben?

Viel Meinung, wenig Wissen

Ein weiteres Problem scheint zu sein, dass es Menschen gibt, die nicht wissen, dass sie nichts wissen. Man könnte auch sagen: Rund um das Thema KI gibt es unfassbar viel Meinung, aber deutlich weniger Wissen. So war ich beispielsweise bei einem Vortrag zum Thema KI. Hinter mir unterhielten sich zwei Kolleginnen und kommentierten, was auf der Bühne gesagt wurde. Das allein ist schon ausgesprochen unhöflich. Zusätzlich war es inhaltlich falsch. Das habe ich mitbekommen:

  • „Hahaha! Die KI halluziniert und macht Fehler! Was soll daran revolutionär sein?“ – nun ja, wenn man weiß, ich welchen Fällen man KI-Tools einsetzt und wo die Grenzen liegen, hat man wenig mit Halluzinationen zu tun. Dafür kann die eigene Arbeit qualitativ besser und effizienter werden. Aber das setzt eben voraus, dass ich mich damit auseinandersetze.
  • „Und das nennt sich dann Recherche“ lautet der Kommentar zu einer Aussage, dass jemand sich sehr viele Informationen von einem KI-Tool zusammenfassen lässt, um schneller auf dem Laufenden zu sein. Tatsächlich hat das nichts mit Recherche zu tun, und der Begriff wurde in diesem Zusammenhang auch nicht gebraucht. Vielmehr geht es darum, anhand der Zusammenfassung zu entscheiden, mit welchen Quellen man sich eben doch ausführlicher beschäftigen möchte. Das muss jedoch nicht zwingend in Zusammenhang mit einer Recherche sein. KI-Tools können auch unnötig lange Mailwechsel zusammenfassen oder das, was bei einer Konferenz gesagt wurde, bei der man nicht dabei sein konnte.
  • „Ja danke auch!“ lautet der Kommentar zu der Aussage, das Künstliche Intelligenz Arbeitsplätze kosten wird – auch im Journalismus. Axel Springer hat übrigens angekündigt, dass die App Upday bald vollständig KI-basiert laufen soll. In diesem Zusammenhang werden 70 Mitarbeiter*innen entlassen. Aber: Arbeit hat sich schon immer mit neuen Technologien verändert: Wer keine Mails schreibt, muss Briefe schreiben. Und künftig wird es eben so sein, dass diejenigen, die keine KI-Tools nutzen möchten, unter Umständen ins Hintertreffen kommen.
  • „Der Microsoft Copilot ist dasselbe wie ChatGPT+!“ – nö! Auch das stimmt so nicht. Der Microsoft Copilot wird in ziemlich jeder Microsoft-Anwendung sein, also auch in den Office-Produkten. Dadurch wird die Nutzung von KI unbewusst erfolgen. Allerdings müssen die Nutzer*innen dafür etwa 30 Euro mehr im Monat zahlen. Die Frage ist, wie viele sich das leisten können. ChatGPT+ ist dagegen ein KI-Tool, das eine Menge kann. Es hat aber zum Beispiel derzeit keine Schnittstelle zu meinen Office-Programmen.

Ich bin sicher, dass die Damen, die dieses Gespräch geführt haben, meinen Newsletter nicht lesen werden. Aber vielleicht klärt er ja einige Punkte, die manche von euch auch noch auf der Liste der offenen Fragen hatten.

Meine vier Lese- und Hörtipps des Monats

  • Von der Drehscheibe gibt es eine Podcastfolge zum Thema KI im Redaktionsalltag. Einige Beispiele, die genannt werden: Struktur für Texte, Überschriften, kreative Assistenz, Bildbearbeitung und so weiter. Also eine ganz gute Zusammenfassung für alle die Kolleg*innen, die bisher noch ganz am Anfang stehen.
  • Paris-Charta zu KI und Journalismus. In der Charta erkennen Medienunternehmen beziehungsweise Journalist*innen an, dass sich ihre Arbeit durch KI verändert. Sie haben jedoch auch Forderungen: So sollen Medien bei der Nutzung Transparenz wahren und die Herkunft und Rückverfolgbarkeit von Inhalten sichern. Alle Medienschaffenden sollten sich diese Charta einmal durchlesen, finde ich. der DJV - Deutscher Journalisten-Verband hat die Charta unterzeichnet.
  • Deepfakes – Wenn man Augen und Ohren nicht mehr trauen kann. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein Long Read zum Thema Deep Fakes erstellt. Im Text wird zunächst erklärt, was Deep Fakes sind und was sie mit Künstlicher Intelligenz zu tun haben. Außerdem beleuchtet der Text damit verbundene Probleme wie politische Desinformation oder Pornographie, Deep Nudes genannt. Dabei werden Menschen mit KI-Tools quasi ausgezogen und nackt gezeigt. Der Artikel erklärt auch, wie man Deep Fakes erkennen kann.
  • ChatGPT liest künftig die Bild. Die Nachricht war auf vielen Plattformen. Ich habe sie bei Golem.de gelesen. Kurzzusammenfassung: ChatGPT und Axel Springer werden kooperieren. Unter anderem sollen ChatGPT-Nutzer*innen weltweit Zusammenfassungen von Springer-Inhalten bekommen – und zwar auch von kostenpflichtigen.

Anstehende Termine

23. Januar 2024: Webinar KI und Text: Von der Recherche übers Schreiben, Redigieren und bis zur Veröffentlichung

30. Januar 2024: Einführungs-Zoom-Vortrag: So gelingt der Einstieg in der Medienbranche

20. Februar 2024: KI – das kann der Bing Chat

17. Februar 2024: Fotos und Videos mit Künstlicher Intelligenz generieren und animieren – ich habe mich dafür angemeldet, denn davon weiß ich wirklich nicht viel!

Rückschau

Bei "Chancen & Risiken von Künstlicher Intelligenz", einer Veranstaltung des DJV Rheinhessen, des DJV Wiesbaden und der Presseclubs Mainz und Wiesbaden hat Ulf Sölter, Museumsdirektor des Gutenberg Museums in Mainz, sich dazu geäußert, wie KI die Museumslandschaft verändern könnte. Das fand ich interessant, weil es ein Blick über den Tellerrand war. Die Kurzzusammenfassung:

  • Vorstellbar sind Hologramm-Figuren, die durchs Museum führen
  • Ein ChatBot, der persönliche Interessen abfragt und individuelle Führungen durch die Sammlung erstellt und aufs Smartphone spielt
  • Zeitmanagement: „Jetzt ist besonders viel los. Mehr Zeit wirst du dann und dann haben“. Oder: „Gehe zuerst in Raum X, weil Raum Y sehr voll ist“. Oder: „Mache noch einen kurzen Spaziergang zu den folgenden Sehenswürdigkeiten in der Nähe des Museums“.

Mit diesem Ausblick auf eine schöne, bunte und interaktive Museumswelt verabschiede ich mich für dieses Jahr. Habt ruhige und friedliche Jahresendtage.

Bis Januar, viele Grüße

Bettina

P.S.: An diesem Text haben die WSKI von der Reporterfabrik und DeepL Write mitgewirkt.

Kay Dethlefs

Journalist & Podcaster | Kunst & Kunstmarkt ➡️ enjoy amazing stories of art

1 Jahr

Danke, Bettina, für den Hinweis auf die KI in der Welt der Museen. Ein wunderbares Thema für meinen Podcast.

Peter Jebsen

Chefredakteur HW | Hamburger Wirtschaft, Handelskammer Hamburg

1 Jahr

Bettina, durch welche Anwendungsart vermeidest du Halluzinationen? Ich bin vor allem bei Googles Bard immer wieder überrascht, wie wirklich gut dokumentierte Fakten völlig falsch dargestellt werden.

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