Man braucht Ruhe, um die eigene Stimme wahrzunehmen. Eine Freundin von mir, Coach
Mathilde Roch
, hielt vor kurzem einen Präsenzworkshop zum Thema Intuition. Daran teilnehmen konnte ich leider nicht, doch bin ich stark verbunden mit diesem Thema, weshalb ich meine heutigen Gedanken zum Sonntag dem widme. Sonntag ist oft ein Tag, an dem man ausschlafen und langsam starten kann, beflügelnde Lektüre liest, und sich auch mal länger einem Gedanken widmen darf. Deshalb kommt mir der Wunsch, einen Text für euch zu schreiben und darin meine Erfahrungen und Ideen zu teilen, oft sonntags. Und das hat schon mit dem Thema Intuition zu tun.
Im Alltag, ohne weit auszuschweifen, haben viele von uns in der Regel keine Zeit und keinen mentalen Raum für das vertiefte Achten auf unsere Wahrnehmung und Gefühle. Die/der Durchschnittserwachsene ist sehr eingebunden von der Arbeit, die sie/er verrichtet. Alleinerziehende oder getrennt-lebende Elternteile machen oft noch zusätzlich einen Nebenjob, am Wochenende oder vor und nach der regulären Arbeitszeit der Hauptbeschäftigung, um sich den immer teurer werdenden Lebensstil mit Fahrzeug, moderner Wohnung/Haus und Jahresurlaub weiterhin leisten zu können. Routine sind Ratenzahlungen, Rechnungen, in nicht wenigen Haushalten auch Mahnungen. Mittlerweile wissen auch viele von uns, dass Burnout nur eine andere Form einer Depression ist, also einer Unterdrückung dessen, was wir nicht wahrnehmen möchten, nämlich, dass wir etwas ändern müssen. Wir ignorieren unser Bauchgefühl, und immer weiter steigt uns der Druck in die Kehle. In Anbetracht dessen verschmälert sich das innere Blickfeld, und das Wahrnehmen unserer Umgebung wird reduziert. Dabei ist es wichtig für unsere mentale und physische Gesundheit, dass wir zufrieden sind. Und Zufriedenheit erreichen wir, wenn wir unseren Seelenwüschen folgen dürfen. Die Erlaubnis hierzu erteilen wir uns selbst.
- den Spaziergang im Grünen, am besten täglich, auch wenn es nur eine halbe Stunde ist. Von ganz allein suchen wir mehr Verbindung mit der Natur, wenn wir erstmal in ihr sind, und im Nu vergehen 1-2 Stunden. Ich empfehle bewusst nicht das Fahrrad, da man beim regelmäßigen Spazierengehen die Wahrnehmung durch das Langsame, das Sichzeitlassen schärft. Man wird immer mehr dazu befähigt, den Blick von innen nach außen zu richten und die Details der wunderbaren Flora und Fauna um sich herum wahrzunehmen. Je mehr wir davon wahrnehmen, desto bewusster wird uns, wie alles miteinander verwoben ist. Und haben wir angefangen, unsere eigene Realität zu verbessern, verbessern wir auch die ganze Welt.
- den stillen Moment. Der stille Moment vor dem Einschlafen, der stille Moment ohne Smartphone auf einer Parkbank - die einfache Kontemplation, Reflexion, die uralte Meditation. In der Stille finden wir Erkenntnisse, manchmal auch erst im Traum oder gleich nach dem Erwachen. Da kommen Lösungsansätze zu den Dingen, die uns im Kopf rumschwirren. Um die Lösungen zu sehen, müssen wir uns erlauben, Zeit für unsere Gedanken zu haben. Und vielleicht auch ein kurzes Gebet sprechen vor dem Einschlafen, in dem wir um das Finden der Lösung bitten.
- in einer sauberen Umgebung zu leben. Wichtiger als perfekte Organisation ist die Sauberkeit. Menschen, bei denen es zu geradlinig ist, machen mir manchmal Sorgen, wobei man sie wiederum von Minimalisten unterscheiden muss, die auch mit wenigen und alten Dingen sehr gut leben können. Aber Sauberkeit ist ein Bedürfnis des Lebens an sich. Wenn wir viel Staub um uns haben, unreine Gegenstände (Taschentücher vom letzten Schnupfen, ungewaschene Wäsche etc.), dann blockiert uns das unsere Wahrnehmung und Entwicklung. Wir verspüren verminderte oder keine Lebenslust in Räumlichkeiten, die nicht zurechtgemacht sind. Wer hier ohne viel finanzielle Investition einen ersten Schritt setzen möchte, könnte mit der Literatur von Marie Kondo beginnen. Wer in psychotherapeutischer Begleitung lebt, könnte dieses Thema mit in die nächste Sitzung nehmen und dort reflektieren.
- ein Gespräch mit echten Freund:innen. Oft bezeichnen Menschen solche Menschen, die sie schon lange kennen, als Freund:in. Darin liegt manchmal aber ein Problem. Wie definierst du denn das, was ein:e Freund:in ausmacht? Trifft das wirklich auf alte Schulfreunde "noch" zu? Wenn ich mir teils anhöre, was meine Kontakte von “Freund:innen” gesagt bekommen, höre ich oft Eifersucht, Neid und Reduktion heraus. Auch manchmal ein Bedürfnis, sich selbst ins Zentrum zu rücken. Wahre Freund:innen im Leben können je nach Zeit und Lage wechseln, und das müssen wir allen Menschen erlauben. Freund:innen wie Lebenspartner:innen sind oft Begleiter:innen für einen bestimmten Lebensabschnitt. Wahre Freund:innen finden uns, und wir finden sie. Manchmal gibt es auch Personen, bei denen wir spüren, dass der Austausch besonders fruchtvoll sein wird. So habe ich mit Mitte 30 auch irgendwann meinen Mut zusammengenommen und einen ehemaligen Schüler angesprochen und gefragt, ob er mich nicht mentorn wolle. Es war eine der besten Freundschaften meines Lebens. Ein solcher freundschaftlicher und aufrichtiger Austausch braucht eine ruhige Umgebung und Zeit, vielleicht also einen Samstag oder einen Sonntag in privaten Räumlichkeiten.
Eine gesunde Intuition führt dich zu den richtigen Lebensentscheidungen fernab von den gewählten Kriterien unserer Gesellschaften. Sie entspricht vielmehr unseren ursprünglicheren, tieferliegenden Bedürfnissen nach Liebe, Schönheit, Gesundheit und Gemeinschaft. Es fühlt sich gut an, auf sein wahres Selbst zu hören, weil man dann dem Leben selbst folgt.
Und an Mathilde: Eine wundervolle Arbeit, die du leistest! Wir sind auf derselben Reise!
EHS Manager for Occupational Health at Sherwin Williams
1 JahrVielen Danke!