Ist korrektes Deutsch heut noch gefragt?
Es ist nicht so, dass ich behaupten könnte, stets korrektes Deutsch anzuwenden, denn Fehler passieren so schnell, gerade wenn der Zeitdruck im Nacken sitzt. Tippe ich hastig eine Whatsapp-Nachricht auf meinem Smartphone, geschieht es durchaus, dass die Autokorrektur entnervt das Handtuch wirft und der Empfänger eine gute Portion Fantasie zum Entschlüsseln meiner Botschaft braucht.
Dabei finde ich korrektes Deutsch sehr wichtig. Ich stolpere über offensichtliche Fehler in den Medien, also bei schlechter Grammatik, einem Fallfehler oder mangelnder Interpunktion. Nur schon ein Komma, bzw. ein fehlendes, kann sich fatal auswirken: «Er will, sie nicht.» – «Er will sie nicht.» Oder: «Wir essen, Tante Gerda.» – «Wir essen Tante Gerda.»
Immer mehr Zeitungen und Zeitschriften lagern ihr Korrektorat ins Ausland aus oder reduzieren es auf ein Minium. Der Rotstift streicht wichtige Stellen zusammen, und Journalisten sollen sich nun gegenseitig korrigieren. Dabei stehen Sie sonst schon genügend unter Druck: Veränderte Mediennutzung, möglichst rasch Artikel zu liefern, in denen wiederum komplexe Zusammenhänge heruntergebrochen werden müssen, um mit leicht verständlichen Worten möglichst viele Leser zu erreichen. Das Branchenmagazin «Schweizer Journalist» hat dazu 7 Regeln vorgeschlagen, wie man journalistische Texte verständlicher schreibt. Eine davon rät vom Konjunktiv ab. Besser als der Satz «Morgen könnte es regnen» sei der Satz «Morgen regnet es vielleicht». Dabei ist es doch schade, wenn wir nicht mehr die Möglichkeit erhalten, den Konjunktiv zu lesen. Kurze Sätze sollen verwendet werden. Selbst in längeren Texten. In jedem Satz sei der Name zu wiederholen, so bewahre man den Leser vorm Fadenverlieren. Dafür schläft er nun vermutlich ein. Für einen guten Satzrhythmus braucht es jedoch zu den kurzen Sätzen, die die Handlung beschleunigen, auch längere Sätze, die Spannung aufbauen. Oder ist das altmodisch?
Eine grammatikalische Herausforderung ist die Beugung der Verben. Manche sind schwach, andere stark. Wieso heisst es: sterben – starb – gestorben, jedoch nicht: erben – arb – georben? Das soll einer mal verstehen. Wem das nicht gelingt, kann sich an die Gesellschaft zur Stärkung der Verben wenden. Sie ist die Anlaufstelle für schwache Verben und hässliche Substantive.
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Ich kümmere mich – hobbymässig – eher um Wörter, die keinen Sinn machen! Und schon haben Sie mich erwischt. Sinn machen gibt es nicht, Sinn wird nicht hergestellt oder gefertigt, Sinn ist ja abstrakt. Ich will damit sagen: Sinn ergibt sich. Ok, manchmal auch nicht. Oder Wörter wie Unkosten! Es gibt keine Unkosten. Sie sind und bleiben Kosten. Angetan habens mir Adjektive, die Tautologien produzieren wie der uns längst bekannte «weisse Schimmel» und «schwarze Rabe» oder «schwere Verwüstungen» – haben Sie schon von leichten Verwüstungen gelesen? Dunkle Ahnungen sind nie hell, denn was hell ist, ist Wissen und – keine Ahnung – eben keine Ahnung mehr. Und nicht alle Adjektive lassen sich steigern: einzig, eisern, ideal – und trotzdem werden sie immer mal wieder in idealster und einzigster Form irgendwo hingeschrieben. Das finde ich in keinster Weise schön! Und Sie?
Vertriebs- und Geschäftsentwicklung ¦ Marketing & Kommunikation ¦ Digitale Transformation ¦ Change Management
3 JahreDanke für einen wieder sehr guten Blog-Artikel, lieber Alexander. Das skurrilste, was mir als Leserin von Beiträgen aus Redaktionen in Hetze mal passiert ist, spielte sich mit der Gratis-Zeitung 20 Minuten ab. Diese Geschichte fällt unter die Rubrik "keine Zeit für einen Check": In den 20 Minuten war ein Rezept abgedruckt (diese Rubrik gibt es inzwischen nicht mehr) unter dem Titel "20 Minuten Rezept". Eine Art asiatisch angehauchtes, leicht scharfes Stroganoff mit Aprikosen und Glasnudeln. Es sah sehr verführerisch aus. Ich kaufte alles ein, inkl. sündhaft teuren Filetspitzen und mein Ältester und ich verabredeten uns zum gemeinsamen Kochen. Das Rezept war irgendwie komisch aufgebaut, aber wir haben alles nach Vorgabe gemacht. Resultat: es schmeckte grauenvoll! Nach Kontaktierung der Redaktion stellte sich dann heraus, dass dort nur Rezepte abgedruckt werden durften, die nicht länger als 20 Minuten Vorbereitungszeit benötigen. Der Redakteur hatte ein Rezept vom Medienpartner "was kochen" verwendet und tatsächlich ganze Rezeptschritte oder Teilschritte herausgekürzt, damit es zeitlich in das 20 Minuten Zeitbudget für die Vorbereitung passt. Ich hab dann bei "was kochen" angerufen, weil ich das Originalrezept nicht fand (das wollte ich ja dann unbedingt nochmal nach dem richtigen Rezept kochen). Da stellte sich heraus, dass sie gar nicht Medienpartner von 20 Minuten waren. Da hatte die Redaktion von 20 Minuten nicht nur ohne Sachverstand ein Rezept gekürzt, sondern es auch noch unerlaubt gemopst. Schlussendlich habe ich dann versucht, dass mir 20 Minuten meine fantastischen Filetspitzen wenigstens zurückerstattet, bei so einem faux-pas - es hatte schon eine sehr skurrile Situationskomik an sich. Wer dann aber top reagiert hat war waskochen.ch, sie schickten mir per Post ein Paket mit feiner italienischer Pasta, einem Rotwein und Sösseli und eine zauberhafte Karte dazu. Obwohl sie ja gar keine Schuld an dem gekürzten Rezept von 20 Minuten hatten. Diese Story werde ich NIE vergessen, ich muss immer noch schmunzeln, wenn ich daran denke. 20 Minuten www.waskochen.ch Mark von Dewitz
Trainer für Führungskräfte bei Selbständig
3 JahreSelbst in Nachrichtensendungen wie Tagesschau und Heute sieht man auf eingeblendeten Informationen unglaubliche Schreibfehler. Haben die in den Redaktionen keine Korrekturleser*innen? Unglaublich.
Owner & CEO at iundf Marketing Technology AG
3 JahreSchön geschrieben Alexander! Was mich immer wieder besonders nervt, sind fehlende Bindungen ... z.B. "Diese Marketing Strategie ist vollständig Sinn befreit" ... Sowas schmerzt mein Auge (irgendwie habe ich das Gefühl, dass v.a. bei Jüngeren Bindestriche absolut "out" sind...)
Inhaber Private Medien GmbH / 16'700 Follower
3 JahreKorrektes Deutsch ist gefragter und wichtiger denn je in einer Zeit, in der jede und jeder meint, er müsse noch husch, pfusch etwas Weltbewegendes auf Facebook posten.
Geschäftsführer | Kommunikationsstrategie | interne Kommunikation | Moderator | Dozent
3 JahreAuch mir ist der bewusste Umgang mit Sprache wichtig, obwohl ich weiss, dass Sprachnormen einem ständigen Wandel unterliegen und viele Einschätzungen darüber, was gutes Deutsch ist, sehr subjektiv sind. Aber ich ertappe mich immer wieder dabei, mich über "schlussendlich" aufzuregen oder über "happige" Preise. 😉 Und Emojs sind übrigens eine nützliche Erfindung!