WAS IST "WEISE" AN DER FORDERUNG NACH 1,5 MILLIONEN EINWANDERERN?

Die sog. "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer hat vorgerechnet, dass jährlich (!!) 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland einwandern müssten, damit die "Zahl der Arbeitskräfte auf dem heutigen Niveau" gehalten werden kann. Was ist daran mit Blick auf die aktuelle gesellschaftspolitische, sozialpolitische, sicherheitspolitische, einwanderungsgesetzliche und kommunalpolitische Situation in Deutschland "weise"?

Es handelt sich hier wohl mehr um einen leider typischen, der Tagesaktualität in den Kommunen weit entfernten Blick aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm als um eine realistisch umsetzbare Zielvorgabe.

Unterstützung erhielt Frau Schnitzer von einem anderen Professor, dem Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, der zwar "nur" eine Million für ausreichend hält, aber eben auch "groß", sprich: im "Millionen-Bereich" denkt.

Wichtig, um die 1,5 Millionen Zuwanderer von Frau Schnitzer zu bewältigen, sind ihrer Meinung nach "mehr Willkommenskultur" und "mehr Arbeitszufriedenheit".

Professor Schularick fordert zur Bewältigung seiner Zuwanderung in Millionenhöhe eine "entsprechende Offenheit im Land".

Donnerwetter! Was für lebensnahe, an der Wirklichkeit vor Ort in den aufnehmenden Kommunen für großartige Lösungsvorschläge.

Ich möchte wetten, weder Schnitzer noch Schularick waren je auf kommunaler Ebene aktiv!

Noch "toller" sind deren Zahlen, wenn man die von der Bundesregierung erwarteten bzw. erhofften Zahlen gegenüberstellt: Die Bundesregierung selbst geht nach der Verabschiedung des - so Bundesinnenministerin Faeser - "modernsten Einwanderungsgesetzes der Welt" von jetzt möglichen 130 000 Zuwanderern in den deutschen Arbeitsmarkt aus, wobei sie selbst noch einräumt, dass dies eine "optimistischer Erwartung" sei. 

Macht nichts; Professoren brauchen dies nicht zu beachten; sie kämen sonst ja auch nicht in die Medien!

Ja, es fehlt hinten und vorne an Arbeitskräften, ja, es steigen jetzt viel zu viele Babyboomer aus dem aktiven Arbeitsleben aus.

Aber schauen wir doch einmal auf die Fakten:

Den Kommunen fehlen Erzieherinnen für die Kindergärten und Kindertagesstätten, den Ländern Lehrerinnen und Lehrer, Vereine aller Art müssen ihre Angebote zusammenstreichen, da es an Ehrenamtlichen fehlt, überall ist Wohnraum Mangelware; die Liste ließe sich leicht noch verlängern.

Nein, man muss nicht gleich vor steigenden Zahlen für die AfD warnen, wenn es um zweifellos notwendige Zuwanderung geht, aber man muss mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik heute schon am Rande der Überforderung angekommen ist, ganz zu schweigen von dem, was "los wäre", wenn die "professoralen Zahlen" Wirklichkeit würden.

Wie sagte einst Max Frisch: "Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Menschen". Eben. Und dazu passt, was jüngst in der NZZ zu lesen war: "Das reine Management der Migration ist nicht alles. Die kulturelle und menschliche Dimension von Zuwanderung in der geforderten Grössenordnung und Geschwindigkeit ist die grosse Unbekannte in der Gleichung der Ökonomen. Der Faktor Mensch passt nicht in Excel-Tabellen".

Was ist "weise" daran, wenn der eine 1 Million, und die andere mit 1,5 Millionen eben mal 50 Prozent mehr an Zuwanderung fordert, ohne sich die Mühe zu machen, aufzuzeigen, wie das bewältigt werden soll; zum Vorteil der Ankommenden und der Aufnehmenden? Schlicht nichts!

#zuwanderung #einwanderung #einwanderungspolitik


Jivka Ovtcharova

Prof. Dr. Dr.-Ing. Dr. h. c.

1 Jahr

Liebe alle, als Professorin für Informationsmanagement im Ingeneurerwesen seit 20 Jahren und gebürtige Bulgarin kann ich eindeutig sagen: der o.g. „weise“ Vorschlag ist keine Lösung des Problems mit dem Fachkräftemangel in Deutschland, insbesondere im Bereich Digitalisierung, was eigentlich alle Branchen betrifft. Überall in der Welt fehlen gut qualifizierte Digital Natives, woher sollen diese zu uns kommen und Aufgaben im Bereich KI, Digitale Dienste, Smart Factory, digitale Zwillinge, etc. gleich und zufriedenstellend übernehmen? Ich unterrichte viele Studierenden aus Indien, Pakistan, China, Vietnam, wie auch aus Osteuropa. Nicht zu unterschätzen ist die Überwindung der deutschen Bürokratie, die für eine Integration von Fachkräften enorme Kraft kostet, da spreche ich aus Erfahrung. Wir müssen endlich unsere Aufgaben in der Digitalen Bildung und Qualifikation selber lösen, und zwar flächendeckend und nachhaltig. Ich plädiere für mehr Fachzentren für berufliche Weiterbildung, pragmatisch, praktisch und zielführend und tue alles, was in meiner Möglichkeiten steht, voranzukommen. Leider bleiben die guten Wünsche oft nur auf Papier, die Praxis spricht leider eine andere Sprache.

Thomas Andrew Zenner

Geschäftsführender Gesellschafter / Managing Partner bei Family Office 360grad AG; Mitglied des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) Deutschland

1 Jahr

Lieber Walter, in Ergänzung noch zu Deinen Ausführungen muss der Standort für Zuwanderer im Facharbeitsbereich auch attraktiv sein. Eine hohe Eingangsbesteuerung, hohe Sozialabgaben und eine aus dem Ruder gelaufene Bürokratie macht Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht gerade attraktiv. Wen wundert es, dass Jahr für Jahr mehr Fachkräfte aus Deutschland abwandern als die Zuwanderung überhaupt ausgleichen kann. Die Probleme für Deutschland sind vielfältig und die aktuelle Politik verrennt sich in die falschen Details.

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