Jeder Entwurf ist ein Zitat in die Zukunft
Jeder Entwurf ist ein Zitat in die Zukunft. Der Ausspruch spielt mit bekannten Begriffen, die einzeln betrachtet erst einmal in eine gegenläufige Richtung zu weisen scheinen. Betrachtet man den Ausspruch aber mehr systemisch, wird eine mögliche Bedeutung besser ablesbar.
»Entwurf« – von seiner Bedeutung her – ist an sich etwas in die Zukunft Gerichtetes. Es gibt einen »Standpunkt«, einen »Werfer« und den entsprechenden »Wurf« mit einer Zielabsicht. »Entwurf« steht in der deutschen Sprache in Abgrenzung zum englischen Wort »Design« und erreicht auch dadurch ein Alleinstellungsmerkmal. Der »Entwurf« wird in erster Linie als »Plan« oder eine Idee für eine Umsetzung (Produkt) gesehen. Der Begriff »Entwurf« beinhaltet also einen konzeptionellen Ansatz im Sinne einer »gedachten Gestaltung«.
»Zitat« wirkt auf den ersten Blick rückwärtsgewandt, statisch und bewahrend. Wie kann das Zitat in die Zukunft verweisen?
Zitieren geschieht nicht grundlos. Mit einem Zitat wollen wir einen Bezug zu einem erweiterten Kontext herstellen. Wir bedienen uns der gleichen Codes – benutzen diese, bestärken diese, stellen diese in Frage, erweitern diese, transformieren diese ...
Ein Zitat beinhaltet aber immer auch Abstraktion. Trotz Quellenangabe wird das Zitat aus seinem Kontext gerissen und für unsere Bedürfnisse angepasst und letztendlich »umgeformt«. Wir fügen dem Zitat einen neuen Kontext (unseren »Text«) zu und erweitern es dadurch. Die ursprüngliche Bedeutung wird dadurch »aufgeweicht« und erweitert. Das Zitat dient als Anknüpfpunkt unseres Entwurfs (These) an das bestehende (wenn möglich anerkannte) Wissen. Dadurch wird es in einen bekannten Kontext verlagert und impliziert, es aus diesem Kontext heraus zu lesen und zu begreifen.
»Text« – im Sinne von Jacques Derridas verallgemeinerten Textbegriff – ist die Offenheit ohne Grenzen der differentiellen Verweisung. Alles sind Spuren, die hergeleitet sind und wieder hinleiten. Der Verweis ist ein infiniter Prozess der Zuschreibungen, Umschreibungen, Beschreibungen. »Alles ist Text« soll also zur Maxime der Möglichkeit an sich werden.
Jeder Entwurf ist eine Stellungnahme zum bestehenden System. Neben das »Davor« und »Jetzt« wird ein »Nachher« gestellt, welches wir »Zukunft« nennen. Dieses »Nachher« entspricht zum größten Teil dem »Vorher« in dessen Vielfalt und Vielheit. Die »Spuren« der Vergangenheit zeichnen sich zwangsläufig im »Neuen« ab, weil sonst kein Verständnis und keine Verständigung möglich wäre. Der »Schritt« vorwärts hinterlässt eine »Spur« wie der vorherige und ist als »Spur« gerade dieses letzten Schrittes lesbar. Im Kontext der vorherigen »Schritte« zeichnet sich eine logische Abfolge ab.
Die »Spur« als auch der »Schritt« finden in einem Raum-Zeit-Kontinuum statt. Eben durch dieses Raum-Zeit-Kontinuum findet immer ein Verweis statt. Selten nur fällt ein unbeschreibares Etwas an einen bestimmten Ort, ohne dass eine Bestimmung des »Woher« möglich wäre.
Ist es überhaupt möglich, etwas zu gestalten, was gar keinen Bezug zur Vergangenheit hat? Könnten wir es überhaupt formen? Würden wir es überhaupt als »gestaltet« erkennen? Würden wir es überhaupt erkennen? Könnten wir es überhaupt beschreiben? Wohl kaum.
Bei jeder Gestaltung ist das »Woher« bestimmbar, das »Wohin« die Möglichkeit zur Veränderung. Der Entwurf ist das »Schreiben« mit direktem oder wagen Ziel, – nicht richtungslos sondern gerichtet, – nicht ohne Inhalt sondern mit bestehenden »Zeichen«, – nicht »textlos« sondern kontextverbunden.
Jeder Entwurf ist ein Zitat in die Zukunft.
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Den vollständigen Artikel gibt es hier: dth – designtheorie.net