Kein Witz: Seilbahn für Villingen-Schwenningen wird ernsthaft geprüft
Das Verkehrsministerium in Stuttgart steht der Idee sehr offen gegenüber und will sich an der Machbarkeitsstudie finanziell beteiligen. Eine landesweite Untersuchung läuft schon.
Lachen im Saal als Oberbürgermeister Kubon bei seiner Neujahrsansprache die Idee einer Seilbahn zwischen Schwenningen und Villingen vorbrachte. Immer wieder schon wurde dieses Projekt auch bei Bürgerworkshops an die Wand gepinnt – und auch dort belächelt. Ist eine Seilbahn für den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) ein Hirngespinst? „Keineswegs“, sagt Julia Pieper, die Pressesprecherin des Verkehrsministeriums auf Nachfrage ganz klar. Seilbahnen seien geeignet, bestehende ÖPNV-Systeme zu ergänzen „insbesondere dort, wo eine Erschließung mit traditionellen Verkehrsmitteln schwierig erscheint“.
Für das Stuttgarter Verkehrsministerium sind Seilbahnen also keinesfalls Blödsinn. Dies hat auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann in einem Schreiben an die hiesige Landtagsabgeordnete Martina Braun (Grüne) mitgeteilt. Da man gegenüber der Idee von Luftseilbahnen „sehr offen“ sei, werde man sich auch an einer Machbarkeitsstudie finanziell beteiligen.
Schon Erfolg in der Praxis
Seilbahnen kennt jeder aus dem Urlaub in den Alpen und anderen Gebirgen. Schon seit vielen Jahrzehnten sind sie dort unersetzbare Transportmittel, die Touristen und Sportler auf die Gipfel bringen. Doch seit einiger Zeit entdecken Stadtplaner und Verkehrsexperten in aller Welt die Seilbahn als neues Verkehrsmittel für den Nahverkehr in Städten. An vielen Einsatzorten hat sich schon in der täglichen Praxis gezeigt, dass die schwebenden Kabinen am Drahtseil das Angebot von Bussen und Bahnen ergänzen oder sogar ersetzen können.
5,5 Kilometer Strecke
Für Villingen-Schwenningen wäre ein Verbindung zwischen den beiden Bahnhöfen vorstellbar. Die Strecke von etwa 5,5 Kilometer würde auch das Zentralklinikum anbinden, so dass man dort aus- und einsteigen könnte. Freilich kann noch überhaupt nichts zur finanziellen Seite der Idee gesagt werden. Sicher ist nur, dass Seilbahnen viel billiger sind als herkömmliche Schienenstrecken. Ganz zu schweigen vom Vergleich mit der U-Bahn, wo ein einziger Kilometer beim Bau schon Hunderte Millionen Euro kostet.
Viel billiger als Schienen
Diese Berechnungen machen die Pläne für Seilbahnen attraktiv. Beispielsweise plant Bonn den Bau einer Seilbahn vom Venusberg mit mehreren Haltestellen über den Rhein zum Telekom-Hochhaus. Für dieses Projekt gibt es bereits eine fertige Machbarkeitsstudie, die auch schon die Kosten kalkuliert hat. Demnach werden die Baukosten rund 42 Millionen Euro betragen. Die Betriebskosten könnten auf dieser Berechnungsgrundlage etwa 790 000 Euro im Jahr über den Einnahmen liegen. Das heißt: Der Kostendeckungsgrad beträgt 76 Prozent. Fachleute halten diese Zahl für einen sehr guten Wert für öffentliche Verkehrsmittel.
Diese Erkenntnisse haben auch das Verkehrsministerium dazu bewegt, sich genauer mit der Seilbahnidee zu beschäftigten. Ein großer Vorteil sei, dass Luftseilbahnen Hindernisse und Staus einfach überfliegen können und so viel kürzere Reisezeiten möglich sind. Beim automatisierten Betrieb sind Einsätze rund um die Uhr zu allen Tagen der Woche kein Problem. Mit vergleichsweise geringem Aufwand können Seilbahnen zusätzliche Transportkapazitäten bereitstellen und so den bereits bestehenden Nahverkehr entlasten. Ein Argument ist auch der geringe Flächenverbrauch von Seilbahnen.
Protest für die Seilbahn
Bisher sind vor allem in Millionenstädten von Südamerika Seilbahnen als öffentliches Verkehrsmittel im Einsatz. In der bolivianischen Hauptstadt La Paz wurde vergangenes Jahr eine Linie mit 2,6 Kilometer Länge eröffnet. Insgesamt soll das System einmal zehn Kilometer mit elf Stationen umfassen. In der bisher nur durch Drogen und Kriminalität bekannten Stadt Medellin in Kolumbien sind sechs Seilbahnlinien im Aufbau, die mit der Metro kombiniert werden sollen. Ein ähnliches Projekte gibt es seit den 1970er-Jahren schon in New York, wo die Roosevelt-Island-Seilbahn auch in das Nahverkehrsnetz integriert ist. Damit hat man auch im asiatischen Stadtstaat Singapur gute Erfahrungen gemacht. In Deutschland ist die Seilbahn von Koblenz berühmt, die seit der Bundesgartenschau von 2011 den Rhein überquert und zur Festung Ehrenbreitenstein führt. Vor allem bei Großveranstaltungen auf dem Felsen zeigt die schwebende Verbindung ihre Möglichkeiten: 18 Kabinen mit Platz für 35 Passagiere befördern mit 16 Stundenkilometern bis zu 7600 Fahrgäste in der Stunde in jede Richtung. Die Seilbahn am Deutschen Eck ist so beliebt, dass die Bürger dort sogar auf die Barrikaden gingen, als sie nach der Gartenschau wieder abgebaut werden sollte. Jetzt ist der Betrieb zumindest bis zum Jahr 2026 gesichert.
Im Land noch nicht
In Baden-Württemberg gibt es Seilbahnen als Verkehrsmittel im öffentlichen Nahverkehr bisher nicht. Doch Ministeriumssprecherin Julia Pieper erklärte, dass ihr Haus bei diesem Thema nicht untätig ist: „Derzeit läuft im Rahmen der Ausschreibung des Landes 'Nachhaltige Mobilität: Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Praxis' das Projekt 'Hoch hinaus in Baden-Württemberg: Über die Machbarkeit, Chancen und Hemmnisse urbaner Luftseilbahnen in Baden-Württemberg'“.
Ausdrücklich sollen in diesem Projekt die Seilbahn-Potenziale für die Städte Konstanz, Stuttgart und Markgröningen abgeschätzt werden. Unterstützung bekommen die Seilbahnideen auch von anerkannten Verkehrsexperten wie der Professor Heiner Monheim: „Hochleistungsseilbahnen taugen sehr gut zur Bewältigung akuter Probleme im Stadtverkehr. Sie bieten ein preiswertes, schnell realisierbares, innovatives Teilsystem eines erfolgreichen öffentlichen Verkehrs.“ Das passt doch für Villingen-Schwenningen.
Gute Erfahrungen
Doch bis die Bediensteten des Schwarzwald-Baar-Klinikums in die Gondel einsteigen können, um ohne Stress nach Hause zu schweben und dabei noch die Landschaft von oben genießen, werden bestimmt noch einige Jahre vergehen. Ob dieser Wunschtraum überhaupt einmal Wirklichkeit wird, ist auch noch gar nicht sicher. Mit der Studie und der ernsthaften Untersuchung ist jedenfalls ein guter Anfang gemacht. Das Verkehrsministerium jedenfalls verweist auf die „positiven Erfahrungen in anderen Weltgegenden“ – es lohne sich, die Potenziale und Risiken genau abzuschätzen.