Kino im Kopf
Auszug aus dem Buch: about coaching von Thomas Kottmann & Carl E. Gross
Stress kann anregen, Stress kann aufregen. Im ersten Fall wirkt er als Erfolgversprechender Ansporn und mobilisiert in uns wertvolle Energien, im zweiten Fall hindert er uns daran, frei und erfolgreich zu handeln. Belastender Dauerstress im Berufs- und Privatleben schränkt die Leistungsfähigkeit ein und stellt zudem ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko dar. All dies ist bekannt. Häufig jedoch begegnen wir diesem Phänomen hilflos, unentschlossen, nicht mit der Achtsamkeit, die diese Erfahrung verdient.
Stress ist evolutionsbiologisch eine Schutzreaktion des Körpers bei Gefahr. Durch die Ausschüttung von Stresshormonen wird der Organismus zu Aufmerksamkeit und Anspannung angehalten. Ob die Situation als Gefahr oder als positive Herausforderung wahrgenommen wird, können wir bestimmen.
Stellen sie sich vor, sie sitzen im Kino. Es läuft ein spannender Film. Sie fiebern mit. Ihr Puls steigt. Die Bedrohung der Filmhelden treibt ihren Adrenalinspiegel in die Höhe, sie geraten in Stress: Ihr Körper reagiert. Sie vergessen die reale Welt und sind ganz in den Geschehnissen auf der Leinwand versunken. Erst wenn das Licht im Saal angeht, sie wieder in den Alltag eintauchen fällt die Anspannung von ihnen ab. Sie gewinnen Abstand. Tatsächlich sind die körperlichen Reaktionen während des Film durch unsere Fantasie entstanden. Bilder haben die Ausschüttung von Hormonen in Gang gebracht, die sich nicht an eine reale Bedrohung knüpfen.
Doch was passiert, wenn die Bedrohung ganz real erscheint? Was, wenn sie in einer brisanten beruflichen Situation gefordert sind und in Stress geraten? Angriffe, Missverständnisse - sie malen sich die Konsequenzen aus und wissen, das es jetzt darauf ankommt, diesen Augenblick zu nutzen, um alles zu klären und richtigzustellen. Der Körper meldet sich, Zittern, ein mulmiges Gefühl überfällt sie, negative Gedanken lähmen ihre Energien. Der innere Kampf behindert ihre Reaktionsmöglichkeiten oder lähmt sie sogar.
Wenn der Körper in ständiger Alarmbereitschaft bleibt, kann das Folgen haben: Nervosität, Kopfschmerzen, erhöhter Blutdruck, Asthma, Arteriosklerose, chronisch werdender Stress und schließlich lähmende Schlafstörungen, Depression oder gar Angst.
Von der Herausforderung zur Überforderung...
Was uns überfordert oder bedrohlich erscheint, kann höchst unterschiedlicher Natur sein, da die Bewertung einer Situation immer von den eigenen Interpretationen, dem eigenen Empfinden und der eigenen Erfahrung abhängig ist. Nicht nur massive und einschneidende Ereignisse verursachen Stress, häufig sind es gerade die kleinen täglichen Ärgernisse, die für die Entstehung von Stressfolgeschäden verantwortlich sind und unsere Belastungstoleranz einschränken.
Von der Herausforderung bis zur Überforderung ist es dann oft nur ein kleiner Schritt. Um den negativen Folgen einer möglichen Dauerbelastung entgegenzuwirken, wird im Coaching die eigene Wahrnehmung für reale Warnsignale sensibilisiert. Es werden entsprechende Strategien entwickelt und damit ein Schutzschild gegen Stressoren gebildet, der unsere Unabhängigkeit im Denken, Fühlen und Handeln sichert.
Lernen wir also, mit Stress konstruktiv umzugehen, können wir die biologischen Vorgänge als wertvollen Antrieb für unsere Ziele nutzen. Unter positiver Anspannung, das heißt durch eine Neuausrichtung des Blickwinkels, werden Gefühle und Kräfte in konstruktive Denk- und Verhaltensbahnen kanalisiert. Das sonst voll automatische und geschlossene System öffnet sich kurzzeitig für neue Veerschaltungen. Kreative Lösungen schwieriger Probleme werden ganz plötzlich möglich. Stress und Leistungsbereitschaft hängen somit eng zusammen, bedingen sich und wir entscheiden, auf welcher Seite wir stehen.
Möglichkeiten nutzen
Der Coach kann zusammen mit dem Coachee Strategien zur Stressbewältigung entwickeln. Umfeld, innere Einstellung und unmittelbare Stresssituation sind Ausgangspunkte zur Lösung. Die Widerstandfähigkeit wird durch die gezielte Stärkung der Persönlichkeit, durch Bewusstmachung und Aufrufen der eigenen Möglichkeiten und Potentiale erreicht, die unbemerkt hinter einem Vorhang der Selbstbegrenzung auf ihren Auftritt warten.
Nicht allein Einsicht macht Neuentwicklung möglich, sondern die gewollte, trainierte und schließlich automatisierte Reaktionsweise