Klimaschutz statt Werbung: Ist Vaude auf dem richtigen Weg?

Klimaschutz statt Werbung: Ist Vaude auf dem richtigen Weg?

Schon bisher verzichtete Vaude zugunsten der Nachhaltigkeit auf kostspielige Werbemaßnahmen. Um die weltweite Klimaneutralität ab 1. Januar 2022 zu finanzieren, werden die Marketingausgaben nun weiter reduziert. „Nachhaltigkeit ist teuer. Da die Bereitschaft für höhere Preise im Handel und bei den Endkunden ihre Grenzen hat, können wir die Mehrkosten für nachhaltig hergestellte Produkte und eine Klimakompensation nur aufbringen, wenn wir an anderen Stellen einsparen. Deshalb leisten wir uns keine großen Image- und Werbekampagnen“, so Antje von Dewitz, Vaude-Geschäftsführerin und kürzlich gekrönte CMO of the Year.

Da drängt sich natürlich die Frage auf: Wofür soll ich eigentlich Werbung machen, wenn es so leicht ist, diese zu kürzen? Einerseits brauchen Marken die Werbung, um im Relevant Set potentieller KonsumentInnen zu bleiben, gerade in einem hoch kompetitiven Umfeld. Und sie wird gebraucht, um das eigene Markenbild - wofür steht meine Marke? - zu verdeutlichen und immer wieder zu festigen.

Ich denke, trotz der niedrigeren Werbeausgaben schärft und profiliert Vaude seine Marke enorm und macht ihre Haltung eindeutig. Das ist Markenführung par excellence. Mit dieser mutigen Entscheidung hinterlässt die Marke vielleicht sogar mehr Eindruck als mit wiederholten Imagekampagnen und gesteigertem Werbebudget.  

Hier greift, ähnlich wie beim Branchenkollegen Patagonia, das Phänomen der Grenzsetzung, was wiederum zu gesteigerter Begehrlichkeit und Anziehung führt. Auch Patagonia fällt immer wieder durch regulierende Maßnahmen auf, die sie in der Positionierung so spitz werden lassen, dass Menschen die Marke unbedingt besitzen wollen, um entweder ihre eigenen Werte zum Ausdruck zu bringen oder erwünschte Werte damit unterstützen.

Größte Herausforderung für Vaude ist die Reduktion der Emissionen. Um den ökologischen Fußabdruck kontinuierlich zu verkleinern und einen messbaren Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels unter Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zu leisten, hat sich das Unternehmen mit den Science Based Targets zu weitreichenden globalen Reduktionszielen verpflichtet. Nicht vermeidbare klimaschädliche Emissionen werden über ein Klimaschutzprojekt in Vietnam kompensiert, bei dem Kleinbauern Biogas aus organischen Abfällen gewinnen.

Derselbe Betrag, der jährlich in diese Kompensation fließt, wird zusätzlich in die kontinuierliche Reduzierung der Emissionen investiert. Das finanziert Vaude durch eine Umschichtung bzw. Kürzung des Marketingbudgets um rund eine halbe Million Euro. „Wir möchten zeigen, dass Klimaschutz finanzierbar ist, indem man Budgets umschichtet. Wenn alle Unternehmen beispielsweise einen Teil ihres Marketingbudgets für den Klimaschutz verwenden würden, könnten wir enorm viel erreichen. Das ist machbar - und das sollte uns unsere Zukunft auf diesem Planeten wert sein“, sagt Antje von Dewitz im Interview mit der w&v.

Funktionelle Outdoor-Produkte bestehen überwiegend aus synthetischen Fasern, deren Herstellung hohen Energieverbrauch verursacht. Vaude hat es sich zum Ziel gesetzt, auch hier aktiv zu werden und bis 2024 90 Prozent der Produkte überwiegend aus recycelten oder biobasierten Materialien zu erzeugen. Durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe und der Wiederverwertung von Materialien werden fossile Ressourcen geschont und CO2-Emissionen – je nach Material – um rund 50 Prozent reduziert. In der Bekleidungs-Kollektion für 2022 hat Vaude dies schon für die Hälfte aller Produkte geschafft.

Vaude engagiert sich bereits seit vielen Jahren aktiv für den Klimaschutz. Seit 2009 nutzt das Unternehmen am Firmensitz in Tettnang zu 100 Prozent Ökostrom, unter anderem aus selbsterzeugter Solarenergie. Seit 2012 ist die Firmenzentrale mit allen dort hergestellten Produkten klimaneutral. 2019 wurde das nächste große Klimaziel gesetzt: weltweite Klimaneutralität gemäß der Science Based Targets - so schnell wie möglich. Der Löwenanteil der Emissionen entsteht bei Vaude in der globalen Lieferkette. Darum wurde mit viel Aufwand und in enger Zusammenarbeit mit den Lieferanten alle Emissionen aus der vorgelagerten globalen Lieferkette erfasst. Basierend auf dieser fundierten Datengrundlage hat Vaude beschlossen: Ab 2022 werden alle Produkte klimaneutral.

Abschließend muss man auch sagen: Vaude verzichtet ja nicht komplett auf Werbeausgaben, sondern möchte sein restliches Budget zentraler und bewusster einsetzen. Auch das wird spannend zu beobachten sein, da sich das Unternehmen durch diese Konzentration zu mehr Effizienz zwingt, um seine Botschaft an die Frau oder an den Mann zu bringen. Desto kleiner das Werbebudget, umso verdichteter tritt die Marke in Erscheinung. Genauso habe ich das auch bei Vaude verstanden. Wir werden sehen, ob sich die Marke gegen den Wettbewerb, der ausschließlich über ihr Werbebudget Begehrlichkeit und Anziehungskraft zu erzeugen versucht, im Relevant Set durchsetzt. Ich denke ja, denn Vaude tritt bereits seit Jahren konsequent mit eindeutigen Leistungsbeweisen – ähnlich wie Patagonia – auf. Sie sind also weit von dem Vorwurf entfernt, mit einer leeren PR-Kampagne Aufmerksamkeit zu erregen, um vermeintlich fehlende Werbeausgaben zu kompensieren.

Ich gratuliere Vaude zu ihrer mutigen und starken Entscheidung und werde weiterhin gespannt die Entwicklung der Marke beobachten.


Martin Ohneberg

CEO/Owner HENN Connector Group | CEO/Owner XORIS | Investor | Supervisory Board | Business Consulting | Board Advisory | President Austrian Tennis Federation (ÖTV)

3 Jahre

wenn jeder kompensiert statt reduziert wird der Klimawandel nicht aufgehalten! Reduktion STATT Kompensation!

Julian Hermsdorf

Circular economy | Impact Entrepreneur | Footwear

3 Jahre

Absolut richtige und wichtige Entscheidung. Vaude zeigt immer wieder, wie es besser geht!

Fabian Gärtner

ID Markenberater bei Spall.macht.Marke

3 Jahre

Interessanter Ansatz von Vaude. Glaubwürdig genug für diesen Schritt sollte die Marke sein. Wirklich begeistert hätte mich, wenn man nicht "nur" kilmaneutral, sondern klimapositiv werden wollen würde. Denn letztendlich verursachen sie ja nach wie vor Emissionen… Ich bin gespannt, ob nicht bald mehr Marken ihre Marketing Budgets bei weiter steigender Reizüberflutung reduzieren, um das Geld anderswo gezielt einzusetzen.

Sarah Maria Böhmer

Gestaltungshunger für eine nachhaltige Wirtschaft | Sparring zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung von KMUs | Speakerin

3 Jahre

Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit werden mittlerweile so häufig als Marketingfassade enttarnt. Was ist also konsequenter und glaubwürdiger als gerade hier Geld zu streichen, wenn man es ernst meint. Und eine Marke, die durch und durch auf Nachhaltigkeit positioniert ist, muss genau das: sich über diese Glaubwürdigkeit von Trittbrettfahrern abgrenzen und darüber Kunden anziehen! Tolles Signal von Vaude, von dem ich überzeugt bin, dass es funktioniert.

Alexandra Hartmann

Growth Lead bei Brandification | Digitale Transformationsmanagerin

3 Jahre

Ich finde den Schritt super und er wird die passenden Kunden mit den passenden Werten anziehen .. und dadurch einiges an Marketingbudget obsolet machen.

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