Kommunikation neu erfinden (?)
„Es kommen jetzt viele Fragen auf“, schreibt Manu (32, Personalleitung einer Softwarefirma). „Wir müssen uns über viel mehr abstimmen als vorher: welches Tool man wofür benutzt, wo man was ablegt, in welchem Collaboration Tool man was macht. Da waren die Zurufe im Büro doch einfacher.“ Digitale Zugänge bieten viel Positives, aber nur wenn die Menschen gut eingearbeitet und die Tools übersichtlich sind, wenn die Kommunikation im Mittelpunkt steht und nicht das Tool selbst. Menschen, die in Unternehmen gearbeitet haben, in denen die Tools schon vor Corona eingesetzt wurden, haben den Wechsel kaum gespürt. „Wir haben keine neuen Tools eingeführt. Wir nutzten schon VPN, Outlook, Slack, Skype for Business, Zoom, Microsoft Teams, Sharepoint, Confluence, Jira, Stories on Board und noch viele andere interne Tools. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Mitabeiterinnen und Mitarbeiter mobil und von zu Hause aus arbeiten können“, schreibt Tanja (36), die als internationale Kundenbetreuerin eines Marketingunternehmens arbeitet.
Im Telefoninterview teilt mir Denis, (45), Mitarbeiter eines Logistikunternehmens mit: „Wir merken, dass das, was vorher gut funktioniert hat, weiterhin gut funktioniert. Aber das, was vorher sowieso schon nicht funktioniert hat, können wir kaum noch retten.” Die Umstellung auf digitale Lösungen bringt dort Herausforderungen mit sich, wo die zwischenmenschlichen Beziehungen vorher nicht gut waren. Eine positive Beziehung zur Führungskraft in einer höchst unsicheren und unvorhersehbaren Situation, wie wir sie jetzt erleben, kann für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausschlaggebend sein. Nicht nur für ihre Arbeitsmoral, sondern auch für ihre emotionale und psychische Stabilität. „Führen aus Distanz benötigt eine gute Beziehungsebene“, sagt Birgit Wintermann, Leiterin der Bertelsmannstiftung, in ihrem Podcast mit 2paarSchulter. Wer vorher keine gute Beziehung zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gepflegt hat, wird es allerspätestens jetzt merken. Wenn die Beziehungsebene aber stimmt, dann kann man in der virtuellen Welt dort weitermachen, wo man aufgehört hat. Aber Führen in der Arbeitswelt 4.0 braucht mehr als digitale Tools und Videokonferenzen. In ihrem Beitrag für t3n geht Anabel Ternes von Hattburg die Liste der Soft Skills durch, die Führungskräfte benötigen: Delegation, Kooperation, Gleichberechtigung in der Kommunikation, Mut zum Tun. Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwiefern „Führung“ so wie sie noch in vielen Betrieben verstanden wird – Ergebniskontrolle, sachlicher Input, hierarchiebasierte Strukturen – überhaupt überlebensfähig ist. Vielmehr setzen Führungskräfte im digitalen Zeitalter auf Selbstverantwortung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Transparenz, eine positive Fehlerkultur und vor allem auf Vertrauen.
Wer also versucht, Führung in der Arbeitswelt 4.0 auf digitale Tools und die Bereitstellung von Homeoffice-Angeboten zu reduzieren, hat das Wesentliche verpasst. Und kann im Unternehmen viel mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Eine Studie der AOK hat gezeigt, dass zwar die Arbeitszufriedenheit durch Homeoffice tendenziell steigt, die psychische Belastung aber auch zunimmt. Beschäftigte im Homeoffice leiden mehr an Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und Schlafstörungen. Umso wichtiger wird die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die Befähigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Selbstorganisation. „Selbstwirksamkeit ist hier der Schlüssel“, sagt Birgit Wintermann. Nur wer auf sich selbst achtet, Pausen macht, seine Zeit richtig organisieren und abschalten kann, ist in der Lage nachhaltig zu arbeiten. Aber das gilt nicht nur für das Homeoffice, sondern auch für das Arbeiten im Büro. „Digitale Tools können nur da helfen, wo die Prozesse schon stimmen und wenn auch die Organisation darauf ausgerichtet ist“, sagt Christian Staubach, Geschäftsführer von ZIP. „Ich habe schon oft erlebt, dass das perfekte Tool gesucht wird, um ein Unternehmen zu retten oder einen Führungsstil zu verbessern. Aber ein Tool ist eben nur ein Werkzeug. Wenn ich einen neuen Schraubenzieher habe, aber mein Reifen platt ist, kann ich trotzdem kein Rad fahren.“ Die digitale Transformation erfordert ein Umdenken, ein Infragestellen unserer Arbeitsweise. Es ist mehr als eine Umstellung, es ist eine Revolution.
Gender-Specialist; Co-Founder of Yarrow-Global-Consultung gGmbH; Feminist
4 JahreDas ist ein wichtiger Punkt! Kommt leider noch oft vor.
Mr OKR | Lean OKR Expert & Trainer with ❤️ | Mantra: Ziele setzen 🎯, Ziele erreichen ✅!
4 JahreDa kommt mir noch ein Gedankenblitz. Gerade in diesen Zeiten wird es wichtiger aber ich kenne das Phänomen der "unsichtbaren" Führungskraft, die aus welchen Gründen auch immer über Verlautbarung, E-Mail oder Veröffentlichungen führt. Führen per E-Mail. Leider findet das gar nicht so selten statt.
Mr OKR | Lean OKR Expert & Trainer with ❤️ | Mantra: Ziele setzen 🎯, Ziele erreichen ✅!
4 JahreDanke Lila für diesen Artikel. Mir hat besonders gut folgendes Zitat gefallen: "Digitale Tools können nur da helfen, wo die Prozesse schon stimmen und wenn auch die Organisation darauf ausgerichtet ist" Ich glaube, dass ist ein wichtiger Kernsatz. Leider wird immer noch versucht, über Tools neue Prozesse und Organisationsformen zu etablieren.
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4 JahreWunderbar auf den Punkt gebracht. Führung auf Distanz erfordert nicht einfach nur ein paar Tools sondern eine Änderung der Unternehmenskultur.
Gender-Specialist; Co-Founder of Yarrow-Global-Consultung gGmbH; Feminist
4 JahreAndreas Max S. Joana Prather Michaela Gongora Michael T. Krenbauer André Claaßen Dejan Mihajlović Juliane Fuchs Nicole Wronski Dr. Simone Burel Nadine Pniok Nadine Nobile Julia Strobel Robert Frischbier Nandita Rothermund-Bucher Christian Staubach Bertelsmann Stiftung