Kunststoffe – die Werkstoffe des 21. Jahrhunderts und ihre Herausforderungen

Kunststoffe – die Werkstoffe des 21. Jahrhunderts und ihre Herausforderungen

Diese Woche lassen wir gerne eine Expertin zu Wort kommen, die das Thema Kunststoff aus Ihrer Sicht als Anwältin beleuchtet und sich als FH-Lektorin sowie Umweltexpertin stark für Umweltbelange einsetzt.

Mit welchem Material werden

-       Lebensmittelabfälle vermieden,

-      Fahrzeuge leichter,

-       saubere Energiequellen wie Wind und Sonne angezapft,

-       Häuser gedämmt oder

-       kaputte Blutgefäße repariert?

-       Welches Material bringt uns zu sportlichen Höchstleistungen und ins Weltall?

 Es ist Kunststoff.

 Zurecht wird Kunststoff als der Werkstoff des 21. Jahrhunderts bezeichnet, als Werkstoff der Zukunft. Kein anderer Werkstoff lässt sich so vielseitig verarbeiten und hat so vorteilhafte Eigenschaften. Dies auch in Zusammenhang mit biogenen Rohstoffen als Einsatzstoffe. Obige Darstellung der Anwendungsbereiche zeigt schon, dass es sich um einen Überbegriff handelt, der unterschiedlichste Fraktionen und Sorten umfasst.

Während ein Großteil der technisch eingesetzten Kunststoffe – wie oben beschrieben – mittlerweile von der Gesellschaft und den KonsumentInnen nicht negativ assoziiert wird, stoßt die Verwendung von konsumnahen Verpackungen immer mehr auf mediale und teilweise auch gesellschaftliche Ablehnung. Diese Entwicklung ist massiv auf den optisch wahrnehmbaren Eintrag von Kunststoffabfällen in Flüsse und Gewässer zurück zu führen. Der jährliche Kunststofftransport der Donau aus Österreich beträgt nach einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) 40 Tonnen. Störend und medial auffällig ist das Problem des „Littering“ – der rechtwidrigen Ablagerung von konsumnahen Kunststoffabfällen (Einweg-PET-Flaschen, LDPE-Sackerln) – in naturnahen Bereichen wie Umwelt und Gewässern.

Bestimmte Kunststoff-Fraktionen sind sohin aufgrund ihrer hohen Funktionalität und relativ niedrigen Kosten in unserem Alltagsleben stark präsent, was zu nachstehender Entwicklung geführt hat. Zurückzuführen ist dieser negative Umstand darauf, dass Kunststoffe noch zu oft als Einwegprodukte verwendet und nach Gebrauch weggeworfen werden. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Bilder von gebrauchten Schutzmasken in europäischen Gewässern und Stränden, wodurch auch in der Corona-Pandemie die Aufmerksamkeit für Kunststoffmüll weiter angestiegen ist. Unbeschadet davon wird im Kampf gegen die Corona-Pandemie aber auch viel Kunststoff eingesetzt und genutzt.

Die Situation in Europa

In Europa wurden (EU 28 mit Norwegen und der Schweiz) im Jahr 2018 laut Plastics Europe 61,8 Mio. Tonnen Kunststoffe produziert. In der verarbeitenden Kunststoffindustrie landen 51,2 Mio. Tonnen, der Großteil davon – ca. 39,9% - in der Verpackungswirtschaft; im Baubereich sind es 9,8%, im automotiven Segment 9,9%. Grundsätzlich werden 7% des Rohölaufkommens verwendet, um Kunststoffe herzustellen – ein Anteil, der sich in ständigem und rasantem Wachstum befindet, da sich nach Marktschätzungen die Nachfrage sowie der Einsatz in den nächsten 20 Jahren verdoppelt.

Rund die Hälfte davon – ca. 27,1 Mio. Tonnen des konsumierten Kunststoffes pro Jahr werden nach dem erstmaligen Gebrauch entsorgt und weggeworfen. Von den gesammelten Kunststoffabfällen werden 32,5% recycliert (d.h. regranuliert und in der Folge einer stofflichen Verwertung zugeführt), 42,6% thermisch verwertet und bedauerlicherweise noch immer 24,9% deponiert. Um die 1,7 Mio. Tonnen Kunststoffabfall werden exportiert, wobei sich die asiatischen Exportdestinationen verschoben haben, da es in China seit 1. 1. 2018 ein Importverbot für Kunststoffabfälle aus Europa und den USA gibt. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass beträchtliche Mengen ohne entsprechende Entsorgung verschwinden.

Obige Herausforderungen, die Kunststoff darstellt, sind im hohen Maße darauf zurückzuführen, dass unsere Produktions- und Verbrauchssysteme – insbesondere im Verpackungsbereich – nicht nachhaltig sind. Die Europäische Kommission hat sich in ihrer Mitteilung vom 16.01.2018 „Eine Europäische Strategie für Kunststoff in der Kreislaufwirtschaft“ inkl. Anhang dieser unerfreulichen Entwicklung mit ihren Herausforderungen gestellt. Hierbei handelt es sich um die weltweit erste umfassende Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft. Schließlich gibt es mittlerweile auch Maßnahmen, mit denen der Entwicklung, die bedauerlicherweise auch teilweise zum sogenannten, nicht rational begründeten, Kunststoff–Bashing geführt hat, entgegengesteuert wird.

Den o.g. negativen Entwicklungen und Begleiterscheinungen soll durch nachstehende Maßnahmen Rechnung getragen werden:

-       Verbesserung der Gestaltung und Herstellung von Kunststoffen und Kunststoffprodukten, damit den Erfordernissen in Bezug auf Wiederverwendung, Reparatur und Recycling in vollem Umfang Rechnung getragen wird.

-       Die Entwicklung von nachhaltigeren Materialen sowie die Vorsorge für nachhaltigere Konsum- und Produktionsmuster.

-       Durch die RL 94/62/EG für Verpackungen und Verpackungsabfälle aus Kunststoff soll dafür Sorge getragen werden, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 wiederverwendbar und leicht zu recyceln sind.

 Dadurch soll dem Eintrag in die Umwelt und insbesondere in die Meeresumwelt - Meeresvermüllung ist naturgemäß grenzüberschreitend und wird als zunehmend globales Problem erkannt – entgegengesteuert werden.

Dass dringender Handlungsbedarf besteht, zeigt eine Analyse des letzten Berichts der Europäischen Umweltagentur (EEA in Kopenhagen) mit dem Titel „Plastics- the circular economy in Europe’s environment – A priority for action“ (28.01.2021) auf. Der Bericht beleuchtet sämtliche Phasen des Lebenszyklus von Kunststoffen – von der Herstellung über den Handel bis zur Nutzung – und untersucht die damit verbundenen Umwelt- und Klimaauswirkungen.

Aktuell werden Kunststoffprodukte zu oft als Einwegprodukt hergestellt und verwendet, hierauf weggeworfen und häufig in der Umwelt abgelagert. Daher müssen die Umwelt- und Klimaauswirkungen der derzeitigen Verwendung und des Einsatzes von Kunststoffen verändert werden. Die zukünftigen Systeme des Kunststoffeinsatzes in der Produktion müssen kreislauforientiert, ressourcenorientiert und nachhaltig sein, was einen längeren Einsatz, die Wiederverwendung und das Recycling ermöglicht. Die Forcierung von Kreislaufwirtschaftsmodellen im Zusammenwirken mit der Politik soll eine Veränderung des Verbraucherverhaltens ermöglichen und nachhaltige Veränderungen in der Kunststoffwirtschaft herbeiführen.

Durch die Verbesserung des Designs, der Verwendung von qualitativ hochwertigeren Kunststoffen sowie der Verbesserung und der Ermöglichung von Wiederverwendung und Reparatur werden Vorgaben für ein besseres Recycling gesteckt, um erste Schritte für eine Kunststoffkreislaufwirtschaft zu setzen. Diese Schritte sind noch ein Gegensatz zum derzeitigen, linearen Produktionssystem.

Der vorgeschlagene Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe stützt sich auf 3 Wege:

-       die intelligentere und nachhaltigere Nutzung von Kunststoffen,

-       die Stärkung des Kreislaufwirtschaftsprinzips, sowie

-       die Verwendung erneuerbarer Rohstoffe

Um die Produktions- und Verbrauchssysteme jedoch nachhaltig zu etablieren und den Weg zu einer grundsätzlich nachhaltigen und zirkulären Kunststoffwirtschaft zu beschreiben, ist nicht nur die Industrie und die kunststoffverarbeitende Wirtschaft in der Pflicht, sondern auch die KonsumentInnen. Denn Littering geht uns alle an!

www.qualityaustria.com/events/forum2021

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