Lange Betriebszugehörigkeit: Beschäftigte wechseln in der Krise seltener das Unternehmen
Gemeinsam unterwegs: Für viele ist Treue nicht nur in der Ehe, sondern auch im Job wichtig. Foto: pedrotalens.com – stock.adobe.com

Lange Betriebszugehörigkeit: Beschäftigte wechseln in der Krise seltener das Unternehmen

In Deutschland bleiben Arbeitnehmer durchschnittlich elf Jahre in einem Betrieb. Die Fluktuation hat während der Corona-Pandemie sogar noch mal abgenommen. Vor allem in der Industrie sind Beschäftigte lange treu.

Köln. Ohne das romantische Drumherum ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen zwei Menschen. Man verspricht sich Treue. Klingt erst mal seltsam: Aber Ähnliches gilt auch im Arbeitsleben. Zwei Parteien entscheiden sich, ein Verhältnis zu beginnen – ein Beschäftigungsverhältnis. Laut OECD bleiben sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber etwa elf Jahre treu. Ein Wert, der seit den 1970er Jahren nahezu unverändert ist. Eine Ehe hält durchschnittlich übrigens 14 Jahre.

In Krisenzeiten nimmt die Fluktuation ab

Zwischen den einzelnen Branchen lassen sich aber deutliche Unterschiede erkennen. Traditionell gibt es in der Land- und Forstwirtschaft aufgrund der vielen Saisonkräfte eine hohe Fluktuation. Und auch in der Gastronomie und im Gastgewerbe wechselt das Personal häufiger – weil zahlreiche Kellner, Köche oder Reinigungskräfte befristet angestellt sind.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich in der Metall- und Elektro- sowie in der Stahl-Industrie. „Im Verarbeitenden Gewerbe ist die Fluktuation grundsätzlich niedriger. Und dieser Trend hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal verstärkt“, erklärt Oliver Stettes, Experte für die Arbeitswelt im Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Personalbewegungen seien während der Corona-Pandemie deutlich zurückgegangen.

Eine aktuelle Analyse des IW zeigt, dass vor allem in Krisenzeiten die Fluktuation der Beschäftigten über alle Branchen hinweg abnimmt. „Wenn die gesamtwirtschaftliche Lage schlecht ist und das Risiko von Arbeitslosigkeit eher hoch ist, sind weniger Arbeitnehmer bereit, den Job zu wechseln“, erklärt Stettes. „Das hat sich zum Beispiel schon in der Finanzkrise im Jahr 2008 gezeigt und ist gerade während der Corona-Pandemie wieder sichtbar geworden.“

Wie lässt sich das erklären? Maßgeblich drei Faktoren sind verantwortlich: Erstens, der Einsatz von Kurzarbeit hat zahlreiche Stellen gesichert und einer massiven Entlassungswelle vorgebeugt. Zweitens haben die Betriebe nicht so viele Jobs neu geschaffen oder Arbeitsplätze nachbesetzt wie vor der Krise. Laut aktuellen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat im Jahr 2020 (im Vergleich zum Vorjahr) die Gesamtzahl der begonnenen Beschäftigungsverhältnisse um 11,7 Prozent abgenommen. Und drittens wurden deutlich weniger Jobs durch Arbeitnehmer gekündigt. Das IAB beziffert den Rückgang auf 7,5 Prozent.

Neben diesen aktuellen Entwicklungen spielen auch noch andere Einflussfaktoren bei der Fluktuation in den Unternehmen eine wichtige Rolle – wie Alter oder Qualifizierung. „Grundsätzlich zeigt sich zum Beispiel, dass ältere Arbeitnehmer nicht mehr so schnell bereit sind, ihren Job zu wechseln“, so der Experte. Ist der Altersdurchschnitt der Belegschaft in einem Betrieb also höher, kann man eine niedrige Fluktuation beobachten.

Eine hohe Konstanz ist aus Sicht der Betriebe positiv

Übrigens: Aus Sicht der Betriebe ist eine niedrige Fluktuation wünschenswert. „Unternehmen bewerten eine hohe Zahl an Mitarbeiter-Zu- und Abgängen als schlecht“, macht Stettes deutlich. Es werde in der Regel als Signal für eine geringe Attraktivität und mangelnde Bindung der Mitarbeiter gedeutet. Zusätzlich verursachen häufige Neueinstellungen Kosten – etwa bei der Personalverwaltung.

Der Wettbewerb um Fachkräfte könnte in Zukunft zu mehr Fluktuation führen: wenn Unternehmen nicht mehr genügend Fachpersonal aus dem Nachwuchs-Pool rekrutieren können und Mitarbeiter bei anderen Betrieben abwerben.

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