Learning Experience Plattformen (LXP)

Learning Experience Plattformen (LXP)

Individuelle Lernpfade, Themenvorschläge, Einladungen zu kollaborativen Lernformen mit Kollegen, spielerische Elemente wie ein Quiz zum Wiederholen oder Bestenlisten – all dies ermöglichen die neuen Learning Experience Plattformen. Sie bilden damit die Basis für agiles Lernen.

Was bieten moderne Lernplattformen?

Lernmanagement-Systeme (LMS) gibt es schon lange: Sie werden meist als digitale Sammelstelle für alle betrieblichen Weiterbil- dungen und Lerninhalte genutzt. Sie dienen hauptsächlich der effizienten Verwaltung klassischer formaler Lernformate wie Inhouse-Schulungen (Anmeldeverwaltung, Ablage Kursunterlagen, Zertifikate, ...). Betriebliche Weiterbildung unterliegt allerdings einem massiven Wandel: Gefragt sind informelle Lernformate, die man zu jeder Zeit und an jedem Ort konsumieren kann. (Siehe: Das neue Lernen – Teil 1*). Dieses Bedürfnis erforderte eine Weiterentwicklung der Lernmanagement-Systeme: Sie sollen individuelles, ,selbstgesteuertes Lernen in kleinen Einheiten zu jeder Zeit und an jedem Ort ermöglichen.

Die neue Generation, der nun am Markt angebotenen Learning Experience-Plattformen (LXP) wird auch als «Netflix des Lernens» bezeichnet.

Sie zeichnen sich durch Funktionen aus, die man von Social Media Plattformen, Amazon und YouTube kennt.

Freie Gerätewahl und Responsivität: Lernende können von jedem mobilen Endgerät auf das System zugreifen. Das LMS optimiert die Darstellung der Inhalte automatisch für das gewählte Gerät. Eigene Apps für Android und IOS ermöglichen, dass Inhalte komfor- tabel mobil abgerufen und heruntergeladen werden können, sodass Lernen auch im Zug oder Homeoffice möglich ist.

Benutzerfreundlichkeit: Die Nutzer erleben eine intuitive, leicht verständliche Navigation durch das Programm.

Soziales Lernen: Social-Media-Tools ermöglichen den Nutzern mit Kollegen zu interagieren, zusammenzuarbeiten und Lernerfahrungen auszutauschen. So können Massive oder Corporate Open Online Courses (MOOCs und COOCs) organisiert werden.

Gamification: Lernen soll spannend sein und Spass machen. Strukturen wie Bestenlisten, Badges, Punktesammelsysteme und die Aufbereitung von Inhalten mit Simulationen, Augmented Reality und spielerischen Elementen motivieren die Lernenden zur Nutzung der Angebote.

Tracking und Analysen: Die Administratoren und Ausbilder erhalten Analysen zur Bewertung der einzelnen Angebote und Schulungsinitiativen.

Kurs- und Katalogmanagement: Das Lernmanagement System enthält alle E-Learning- Kurse und die zugehörigen Lerninhalte. Die Admins und Dozenten können Kurse mit den passenden Elementen (Videos, Checklisten, Lerngruppen-Aufgaben, Coaching mit Mentoren, Tests ...) erstellen und verwalten. Zuweisungen von Kursen sind durch eine zentrale Stelle (z.B. HR) möglich

Lernpfade: Für einzelne Kompetenzen wie Projektmanagement, Vertrieb, Nutzung eines IT-Programms oder Standardprozesse wie Onboarding können individuelle Lernpfade erstellt werden. Das System schlägt den Nutzern dann Schritt Schritt die abzuarbeitenden Aufgaben vor.

Künstliche Intelligenz: Mittels KI erhalten die Anwender personalisierte Vorschläge für Lerninhalte und Anregungen für weitere Lernschritte auf Basis der bereits absolvierten Kurse: „Nutzer, die diese Übung gemacht haben, sahen sich auch dieses Video an…“. So können die Lernenden selbstgesteuert Inhalte entdecken und Kompetenzen aufbauen. 


Vorteile einer Learning Experience Plattform 

Gegenüber klassischen, formalen Personalentwicklungs-Massnahmen bieten diese Systeme für die Lernenden zahlreiche Vorteile:

  • Angebote werden personalisiert auf die Bedürfnisse der Nutzer zusammengestellt.
  • Nugget Learning: Lernen findet in Häppchen – „nebenbei“ und on the job – ohne große Reisezeiten oder lange Abwesenheit von der Arbeit statt. Es entspricht vielmehr der Art, wie junge Menschen sich auch privat Wissen aneignen.
  • Social Network Elemente: Chatfunktionen mit Tutoren und Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Lernenden zum Erfahrungsaustausch ermöglichen das Lernen voneinander und miteinander.
  • Das System unterstützt „Blended Learning“-Formate, wo traditionelle Kurse mit Online-Lerntools kombiniert werden.
  • Zeit- und ortsunabhängiges Nutzen von Inhalten auf mobilen Endgeräten ist Teil des modernen Lebens geworden.

Auch der HR-Abteilung bieten Plattformen neue Möglichkeiten:

  • Die Verwaltung der PE-Aktivitäten (Anmeldung, Teilnehmerlisten, Kursbestätigungen) erfolgt digital.
  • Die Daten aller betrieblichen Lernaktivitäten können leichter aufbereitet und genutzt werden (Learning Analytics).
  • E-Learning-Module können einfach und effizient aktualisiert werden.
  • Module können in mehreren Sprachen angeboten werden.
  • Bei Social Skills und Standardthemen wie z.B. Projektmanagement, Compliance und Recht, Marketing oder Verkauf kann man am Markt ein breites Angebot fertiger E-Learning-Angebote einkaufen und diese in die Plattform integrieren.

Diese Funktionen erleichtern zwar den administrativen Aufwand der Personalentwicklung für Zertifikatserstellung, Teilnehmerumfragen, oder ähnliche Aufgaben.

Um die Möglichkeiten von Plattformen wirklich gut zu nützen, ist vor allem in der Einführungsphase mit einem Mehraufwand zu rechnen.

Lernpfade müssen in Abstimmung mit Fachkräften und Linienvorgesetzten definiert werden. Inhalte, die zugekauft werden, sind auszuwählen. Vorhandene Lerninhalte müssen aktualisiert oder hochgeladen, neue Inhalte wie ein Wissenstest oder Quiz konzipiert werden. Schließlich sind die Nutzer in der Anwendung der Plattform zu schulen. Der Zeitaufwand ist nicht zu unterschätzen und dafür sind Ressourcen bereit zu stellen.

Wie finden wir die geeignete Lernplattform?

Das Angebot neuer Learning Experience Plattformen ist gross, dementsprechend schwierig ist die Auswahl. Es empfiehlt sich, alle Stakeholder (HR, PE, IT, Führungskräfte und Nutzer, Arbeitnehmervertretung, interne und externe TrainerInnen) in die Auswahl einzubeziehen.

Zuallererst ist der künftige Lernbedarf zu definieren: Welche Inhalte und welche Lernformate sollen in Zukunft für wen angeboten werden? Welche – informellen – Lernmethoden will man nützen (siehe Teil 2: Das neue Lernen*)? Dabei ist zu klären, inwieweit man hauptsächlich fertige Inhalte aus Lernplattformen zukaufen oder selbst Inhalte gestalten will.

Neben den geplanten Inhalten gibt es zahlreiche technische und betriebswirtschaftliche Fragen, die man vor der Auswahl klären sollte: 

  • Plattformen zum Kauf werden «on-premises» auf den unternehmenseigenen Kun- denservern installiert und müssen von der IT-Abteilung verwaltet werden. Die Pflege des Systems im Unternehmen erfordert IT-Infrastruktur, Personal muss zur Betreuung bereitgestellt sowie ein hoher Sicherheitsstandard im Umgang mit den Daten garantiert werden.
  • Der Trend geht eindeutig zu Mietversionen, die als «Software as a Service» (SaaS) an- geboten werden. Bei diesen cloudbasierten Lösungen sorgen die Anbieter für Betrieb, Pflege und Updates des Systems.
  • Es gibt unterschiedliche Lizenzmodelle für die Verrechnung: Während einzelne Anbieter die Anzahl der aktiven Nutzer verrechnen, wird bei anderen die maximale Anzahl der aktiven Nutzer in einem gewissen Zeitintervall herangezogen. Hier zu sparen und zuerst einmal nur für einen kleinen Kreis Auserwählter Lizenzen zur Verfügung zu stellen, kann kontraproduktiv sein: Wenn Mitarbeitende keinen Zugang bekommen oder ständig alle verfügbaren Lizenzen im Einsatz sind, sodass man «nie hineinkommt», geht die Motivation, die Plattform zu nützen, schnell verloren.
  • Ein heikles Thema ist das Hosting und die Verwaltung der mitarbeiterbezogenen Da- ten. Einzelne Anbieter speichern die Daten explizit in Deutschland ab und bieten ein der DSGVO entsprechendes Datenmanagement mit Zugriffs-Berechtigungen und Löschfunktionen.
  • Eine passende Schnittstelle zur Personalsoftware des Unternehmens oder zu bereits genutzten Wissensmanagement- oder Lernmanagement-Systemen ist notwendig. 
  • Da viele Plattformen keine Inhalte mitliefern, sollte man auch prüfen, ob und wie zugekaufte Lerninhalte externer Anbieter integriert werden können.
  • Es sollte selbstverständlich sein, dass mehrere Nutzer das System über einige Zeit ausprobieren können. Zu vereinbaren ist auch die Form der Einschulung und der Support in der Einführungsphase.
  • Nicht zuletzt sind die Referenzen der Anbieter, ihre Markterfahrung und finanzielle Struktur ein wichtiges Thema: Alteingesessene Anbieter sind vielleicht etabliert, mit ihrer Lernplattform aber nicht innovativ oder „state oft he art“. Unerfahrene neue Anbieter ohne finanziellen Background bergen das Risiko einer Insolvenz und damit des plötzlichen Wegfalls von Support und Updates. Im Idealfall sind die Anbieter seit einigen Jahren erfolgreich am Markt und können auf Referenzen in ähnlichen Branchen und Betriebsgrößen verweisen.

Fallbeispiel: Anforderungskatalog an eine Learning Experience Plattform für ein Medienunternehmen

In einer Projektwerkstatt der FH Vorarlberg wurde die Autorin mit einer Gruppe von vier Studentinnen vom Management eines Medienunternehmens beauftragt, eine geeignete Lernplattform zu finden. Dazu erhob die Projektgruppe die Wünsche und Anforderungen der künftigen Nutzer an das neue System in einem Mitarbeiter-Workshop. Mit dem Management und der Personalentwicklung als künftiger Administratorin wurden die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswahlkriterien definiert. 

Das Ergebnis war ein umfassender Anforderungskatalog für das neue System. Die einzelnen Beurteilungskriterien wurden gewichtet. Damit entstand ein Punktesystem für den Vergleich der einzelnen Anbieter. Ein Besuch der Messe „Zukunft Personal“ und intensive Internetrecherche ergab eine erste Liste möglicher Anbieter. Sieben Plattformen kamen in die engere Wahl und wurden mit Demoversionen von der Projektgruppe und Mitarbeitern des Unternehmens ausprobiert. Daraus ergab sich eine „Top 3“ - Liste von Lernplattformen, welche die gestellten Anforderungen erfüllten. Im Preisvergleich lagen die jährlichen Kosten bei angenommenen 500 Usern zwischen ca. € 14.000, - und € 26.000, -. Trotzdem entschied sich das Management nicht für das billigste Angebot, sondern für ein System mit höchstem „Fun to use“: Lernen mit der Plattform soll Spaß machen.

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