Leise Größe: Demut als Comeback-Wert der Zukunft.

Leise Größe: Demut als Comeback-Wert der Zukunft.

Ich gebe zu: Der Begriff wirkt wie aus der Mottenkiste gezerrt. 

Ein bisschen verstaubt, irgendwie religiös angehaucht, tradiert. 

Und doch beinhaltet er alles, was modernes und humanes Management ausmacht. 

Meine Prognose: 

➡️Demut erlebt ein Comeback. 

Vielleicht - um moderner zu klingen - in der englischen Variante: Humility. 

Ich bin vor einigen Jahren wieder bewusst auf den Begriff gestoßen. Seitdem habe ich mich intensiv damit beschäftigt und bin dabei sogar auf einen deutschen Demutsforscher gestoßen. Darüber schreibe ich im weiteren Verlauf des Artikels noch etwas ausführlicher. 

Zunächst eine Begriffsklärung: 

Demut bezeichnet eine innere Haltung, die geprägt ist durch 

  • Bescheidenheit: Realistische Einschätzung der eigenen Bedeutung und Fähigkeiten.
  • Anerkennung von Grenzen: Akzeptanz, dass man nicht alles kontrollieren oder wissen kann.
  • Respekt: Achtung vor anderen Menschen, dem Leben oder einer höheren Macht.
  • Offenheit: Bereitschaft, Kritik anzunehmen und aus Fehlern zu lernen.
  • Zurückstellen des Egos: Handeln ohne egoistische Überheblichkeit, jedoch ohne Selbstverleugnung.

Demut wird oft als Tugend verstanden, die authentisches und respektvolles Verhalten ermöglicht.

Auf Führungskräfte übertragen steht Demut für die Fähigkeit, nicht alles besser wissen zu wollen, sondern zuzuhören, anzuerkennen und anzupassen. Sie zeigt Größe, indem sie Schwächen zulässt, Raum für andere schafft und Eitelkeiten hintanstellt.

Eine Führungskraft mit Demut

  • erkennt die Leistung ihres Teams an, statt sich selbst zu feiern.
  • ist offen für Kritik und sieht Fehler als Chance zur Weiterentwicklung.
  • versteht, dass echte Stärke aus Kooperation und Vertrauen entsteht.
  • ist dankbar und nimmt Gegebenes nicht als Selbstverständlichkeit. 
  • ist neidfrei und kann gönnen. 

Demut ist also keineswegs verstaubt, sondern eine zeitlose, vielleicht sogar dringend benötigte Führungseigenschaft in einer Welt, die immer komplexer wird.

Demut als Voraussetzung für Fehlerkultur

ESCP Professor Christoph Seckler sieht Demut und insbesondere das Lernen aus Fehlern als Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert.

Studien belegen, dass Menschen, die proaktiv und konstruktiv mit Fehlern umgehen, schneller lernen, kreativer und resilienter sind. (...) Menschen, die konstruktiv mit Fehlern umgehen, teilen eine gemeinsame Eigenschaft: Demut
Entgegen der landläufigen Meinung ist Demut keine mangelnde Selbstsicherheit, sondern eine echte Charakterstärke. - Christoph Seckler 

Demut als Wirtschaftsfaktor 

Eine Tugend unter Wirtschaftlichkeitsaspekten zu betrachten, scheint auf den ersten Blick unangemessen. 

Aber wenn ethisch positives Verhalten gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit hat, macht es doppelt Sinn, diese Strategie zu verfolgen. 

Folgende wirtschaftliche Auswirkungen können in der Demutsforschung nachgewiesen werden. 

  1. Steigerung der Produktivität: Demütige Führung fördert Vertrauen und Zusammenarbeit, was die Effizienz von Teams erhöht.
  2. Höhere Mitarbeiterzufriedenheit: Wertschätzung und offene Kommunikation reduzieren Fluktuation und senken die Kosten für Neueinstellungen.
  3. Förderung von Innovation: Ein sicheres Umfeld für neue Ideen steigert die Innovationsrate und schafft Wettbewerbsvorteile.
  4. Effiziente Konfliktlösung: Empathische Konfliktbewältigung spart Zeit und Ressourcen, da Probleme schneller und nachhaltiger gelöst werden.
  5. Stärkere Kundenbindung: Demut in der Führung wirkt sich positiv auf die Unternehmenskultur aus, was das Vertrauen der Kunden stärkt.
  6. Verbesserte Entscheidungsqualität: Einbezug verschiedener Perspektiven führt zu fundierten Entscheidungen, die langfristig erfolgreicher sind.
  7. Förderung der Lernkultur: Eine offene Fehlerkultur reduziert die Wiederholung von Fehlern und beschleunigt organisatorisches Lernen.
  8. Höhere Resilienz: Demütige Organisationen sind anpassungsfähiger in Krisen, was langfristige Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg sichert.
  9. Reduktion von Machtmissbrauch: Verantwortungsvolle Führung verhindert schädliche Entscheidungen und schützt den Ruf des Unternehmens.
  10. Nachhaltige Beziehungen: Tiefere Bindungen zu Partnern, Kunden und Mitarbeitenden führen zu langfristiger Stabilität und wirtschaftlichem Wachstum.

Demut im Recruiting

Lange Zeit konnte ich es nicht genau benennen. Erst jetzt, durch die intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema, wird mir klar: Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, das von Demut geprägt war.

Diese Erfahrung beeinflusst auch meinen Blick auf Einstellungsverfahren. Besonders bei Unternehmensnachfolgen ist eine Haltung der Bescheidenheit und Offenheit entscheidend. Darüber habe ich in einem meiner früheren Artikel ausführlich geschrieben. 

Fazit: Demut tut gut

Demut ist nicht nur eine Tugend vergangener Zeiten, sondern ein Schlüsselelement moderner Führung. In einer Welt voller Komplexität, Wandel und Unsicherheiten schafft sie Orientierung, Vertrauen und echte Stärke.

Ob im Team, im Unternehmen oder im Recruiting: Wer Demut zeigt, hebt sich ab – nicht durch lautstarke Selbstinszenierung, sondern durch leise Größe.

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Ich bin Philip Thormann und seit mehr als 10 Jahren auf die Besetzung von Führungspositionen der obersten Ebenen bei Konzernen und inhabergeführten Unternehmen spezialisiert. 

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Astrid Schulte

Familienunternehmerin/Beirätin/Speakerin, immer auf dem Weg der ,inneren Karriere‘

3 Wochen

Ja, Demut tut gut lieber Philip THORMANN

Clemens von Ramin

Meine Seminare und Trainings zu Kommunikation und Sprache machen Sie sicher für Vorträge, Auftritte und Verhandlungen. Sprecher| Trainer | Speaker| Coach | Führungskräfteentwicklung | Vorleser

3 Wochen

Größe und Demut schliessen einander nicht aus..

OLIVER F. GOSEMANN

Boards and Executive Advisor | Multi-Aufsichtsrat und Vorsitzender | Ex-Group CEO | #Aufsichtsratstracker | Cyber Security im Aufsichtsrat | Experte zum Thema Aufsichtsrat & Beirat | AI/GPT | BUILD.BETTER.BOARDS

3 Wochen

Sehr schön. Auch wenn anscheinend Hochmut gerade Konjunktur zu scheinen hat, hier passend eine Zeile von Johann Wolfgang von Goethe, die auch heute nicht aus der Zeit gefallen ist: „Alle Wege bahnen sich vor mir, weil ich in der Demut wandle.“

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