Liebe AI! Ist das Kunst oder kann das weg?
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Liebe AI! Ist das Kunst oder kann das weg?

Jetzt sind es 18 Jahre. 18 Jahre im Kunstgeschäft. 18 Jahre Kunst aus der Perspektive des Künstlers, aus der Perspektive des Händlers, aus der Perspektive des Käufers und natürlich auch aus der Perspektive der Wissenschaft.

In diesen 18 Jahren habe ich mehrere tausend Hände von Künstlern geschüttelt, tausende von Kunstwerken betrachtet, bewertet und auch nicht wenige gekauft. Ich habe Künstler getroffen, die so authentisch und ehrlich für ihre Kunst leben, Künstler mit so unglaublichem Potential, dass mir das eine oder andere Mal die Stimme versagte. Ich habe nicht wenige Künstler getroffen, die nur davon profitierten, dass der Kunstmarkt im 21. Jahrhundert keine Gatekeeper mit Bildung, Geschmack und dem Auge für das wirklich besondere hat.

Ich traf nicht wenige Kunstakteure, die noch immer besessen von der Idee elitärer Kreise für die wahre Kunst waren, obwohl sie eigentlich selbst nur strohdumme Narzissten sind. Ich habe unglaublich langweilige und sich ständig wiederholende Dialoge mit der Spezies Sammler-WannaBe-Gallerist-WannaBe-ArtSapiens geführt. In all den Jahren hat sich das Gefühl verankert, dass die "Kunst" als solches, am Ende tatsächlich nicht definierbar ist, dass es eigentlich kaum wirklich messbare Parameter für eine objektive Qualität und schon gar nicht für ihren echten Wert gibt. Nach 18 Jahren bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass es eigentlich nur auf die Perspektive ankommt. Nach 18 Jahren im Metier der Kunst hat sich eigentlich auch nichts wirklich verändert. Bis heute!

Nach 18 Jahren im Metier der Kunst hat sich eigentlich auch nichts wirklich verändert. Bis heute!

Gerade in Deutschland mit seiner reaktionären, verängstigten und retardierten Kunstelite war es noch immer ein Kampf, Neues willkommen zu heissen, wenn es nicht in vorgefertigte Muster oder Feinbilder passte. Das war das in amüsantem Rahmen gerade erst vor zwei Jahren zu spüren, als die grosse Ponzi-Scheme Welle von Blockchain verifizierter Kunst das Fundament des Verständnisses vom gesellschaftlich-kulturellen Wandel unterspülte. Kaum begannen Medien die deutsche Kulturelite über NFT-Kunst zu informieren hatte der/die gemeine Galerist*in endlich mal wieder einen Impuls (also Business-Case) den man mal ausprobieren und verwurschteln konnte. Natürlich interessierte sich kaum jemand für den Fakt, dass der Begriff "NFT-Kunst" kein Titel für eine neue Kunstrichtung geschweige denn eine historische Wende sei. Aber schon Charles Baudelaire hat es poetisch auf den Punkt gebracht: "Der Trend ist das amüsante Sahnehäubchen auf der göttlichen Torte der Ewigkeit" und so verwundert es auch kaum, dass auch diese Blase schon längst geplatzt ist. 

 Das war das in amüsantem Rahmen gerade erst vor zwei Jahren zu spüren, als die grosse Ponzi-Scheme Welle von Blockchain verifizierter Kunst das Fundament des Verständnisses vom gesellschaftlich-kulturellen Wandel unterspülte (...)

Nach 18 Jahren im Metier der Kunst war für mich als Insider der wirklich interessanteste und vielversprechendste neue Trend die Entwicklung der Digitalen Kunst. Kunst also, in der der Künstler die Dimensionen analoger Werkzeuge aufbrechen konnte und mit Hilfe einer schier unendlichen Palette neuer Ausdrucksformen, die Dimension der Darstellung des Vorstellbaren merklich erweitern konnte. Ich hatte das Gefühl, dass diese Entwicklung nach und nach ein immer intensiveres Tempo aufnehmen könnte und im Sog von Höchstgeschwindigkeit und unendlichen Ausdrucksformen neue Dimensionen eröffnet. 

Höchstgeschwindigkeit und unendliche Ausdrucksformen!

Stattdessen rauscht sie aktuell gegen eine unüberwindbare Mauer und zerschellt in abertausende von Stücken, in Pixeln um genauer zu sein. Diese Mauer ist jedoch keine physische Mauer. Diese Mauer ist digital. Diese Mauer ist eigentlich auch keine Mauer. Diese Mauer ist möglicherweise der Beginn eines neuen Zeitalters, eines Zeitalters der Neubestimmung unseres Verständnisses von Kreativität und ihren vielfältigen Ausdrucksformen.

AI - oder für die, die sich intensiver damit beschäftigen: "Deep Learning Models" (hier mein Artikel zum Einstieg in das Thema) sind Fluch und Segen zugleich. Noch vor ein paar Tagen habe ich mich intensiv mit den Fähigkeiten und Unfähigkeiten von Chatbots wie GPT-3 (Link zum Artikel) auseinandergesetzt und versucht zu verstehen, wohin die Reise gehen könnte. Es war spannend und doch ein bisschen vage - aber zumindest nachvollziehbar. Dann kam MIDJOURNEY - eine der vielen Applikationen für AI Imagery und mir stockte sprichwörtlich der Atem. Wow - wie konnte das passieren? Wie sind wir so schnell an diesen Punkt gelangt, warum hat das niemand bemerkt? Um meinen AHA-Moment, meine Erweckung auf den Punkt zu bringen: Software kann jetzt alles, alles denkbare und vor allem auch undenkbare visuell darstellen - wirklich ALLES. Und das nicht nur in allen erdenkbaren Varianten, Farben, Stimmungen, Stilrichtungen - oder auch jedem nur denkbaren Adjektiv - sondern auch (ich) innerhalb von wenigen Sekunden. Alles was man dafür braucht sind einfache Befehle. Wörter, die man getrennt von einander in die Promptzeile </imagine> einträgt. Hit Enter und die kreative Hölle potenziert sich selbst.

 Die aktuelle Debatte um die Urheberrechte von Künstlern im Kontext von AI generierter "Kunst" ist berechtigt, verfehlt aber um Dimensionen den wahren Kern des Pudels: Ist der Künstler ab jetzt obsolet? Brauchen wir den Künstler jetzt noch? Sind wir früher durch Ausstellungen, Messen und Galerien gepilgert, um Kunst zu finden, die uns (egal aus welchen Gründen) ansprach und dazu verführte, für sie Geld auszugeben, können wir genau diese "Kunst" jetzt selber kreieren. Jeder kann das jetzt. Hätten wir es für möglich gehalten, dass der "#1 Running Gag" der Kunstszene: "Das könnte ich auch malen" kein Zeichen für Dummheit, sondern eine Prophezeiung war? Jetzt kann es wirklich jeder und zur Information-Bubble reigt sich nun die "Kreativ-Bubble". Where do we go from here?

 Kein Zeichen für Dummheit, sondern eine Prophezeiung!

In all den Jahren 18 Jahren hatte sich bei mir das Gefühl verankert, dass die "Kunst" als solche am Ende tatsächlich nicht definierbar ist, dass es eigentlich kaum wirklich messbare Parameter für eine objektive Qualität und schon gar nicht für ihren echten Wert gibt. Nach 18 Jahren bin ich mehr denn je davon überzeugt, das es eigentlich nur auf die Perspektive ankommt. Und diese Perspektive akzeptiert möglicherweise in Zukunft nur noch zwei Standards: "Made by Humans" und "Made by Software". 

Martin Eggert

Founder @ David+Martin • Gaining experiences via various internships • 40 under 40 @ Horizont 2023 • Top 100 in 2021 & 2022 @ W&V • Agenturpersönlichkeit 2022 @ New Business

1 Jahr

Schönes Ding. Schön geschrieben!

Carsten Popp

Managing Creative Director // Plan.Net PULSE at Plan.Net Group

1 Jahr

Lieber Marco, vielen dank für deinen Beitrag und die Offenheit das Neue auch erst einmal zu Umarmen

Christopher Sicurella ∴

Point of view • Perspective • Attitude • Clarity

1 Jahr

Die dritte Kategorie wäre 'Made by humans and software'. Ich empfehle hierzu die wertvollen Beiträgen von Vladimir Alexeev.

Jonas Eideloth

Freischaffender Steinbildhauer - Kunst die Lebenswerke inspiriert.

1 Jahr

Danke für den schönen Artikel. Ob es etwas wie eine "objektive Qualität" gibt, darüber lässt sich je nach Art des Kunstwerks sicher streiten. Doch ich denke das es in Zukunft (und eigentlich auch in der Vergangenheit) auf die Perspektive, auf den individuellen Künstler ankommt der hinter den Werken steht. Alles andere sind dann doch einfach nur irgendwelche Bilder und Effekte, welche auf Dauer Tiefe vermissen lassen.

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