Liebe Freundin.
Seit unserem letzten Telefonat gehst Du mir nicht mehr aus dem Kopf - und ich habe so oft überlegt, was ich Dir schreiben soll, aber hab in meinem Kopf Knoten bekommen. Da ich jetzt gerade hier sitze und wieder an Dich denke, schreibe ich einfach.
Es hat mich so berührt, was in Dir und so vielen anderen Menschen vorgeht. Wie es sich wirklich anfühlt, vor großen neuen Aufgaben zu stehen und in welche Muster wir dabei immer und immer wieder rutschen. Obwohl wir reflektiert, bearbeitet, therapiert und klug sind. Und schon so vieles herausbekommen haben. Mein erster Impuls war, ganz erschrocken zu sein über Deine Zweifel, weil ich Dich doch so sehr bewundere und Du ein Vorbild in so vielem bist. Und so mitgefühlt habe, welche Abgründe sich in einem auftun können.
Und dann wollte ich Dir einen langen Brief schreiben, wie toll Du doch bist und was Du alles weißt und überhaupt. Ehrlich.
Dann bin ich ins Stocken gekommen, weil ich gedacht habe, dass Du mir wahrscheinlich auch so einen Brief schreiben könntest. Und das hat mir noch mal klar gemacht, wie schwer es wirklich ist.
Auch wenn unsere Umwelt das Großartige in uns sieht, kommt es noch lange nicht bei uns an. Jedenfalls nicht immer. Wir alle tragen Abgründe in uns, die wir gut verstecken.
Vor uns und anderen.
Ich erinnere mich an Momente, bei dem jemand meine roten Knöpfe gedrückt hat und ich erschrocken über meine eigene Reaktion war. Dass jemand anderes es schafft, mich so zu treffen. Aber vielleicht sind wir es auch, die den anderen die Macht geben, uns so zu behandeln? Welche Aufgaben sind das, die uns da gestellt werden? Und was hat das Verhalten der Anderen mit denen und was mit uns zu tun?
Derzeit schreibe ich mir mit zwei noch nicht lange bekannten Menschen, mit denen gerade etwas großartiges geschieht: wir tauschen uns aus. Ehrlich. Über Dinge, die uns verwundbar fühlen lassen. Und es passiert etwas - jede und jeder teilt und andere hören einfach zu und irgendwie macht es das alles etwas leichter. Dem einen fehlt der Sinn in seinem Tun und es ist mühsam, am Ende des Tages mit sich zufrieden zu sein, wenn die Ergebnisse so schwer zu fassen sind. Der andere ist enttäuscht, wenn wichtige Arbeit, die in Kundenbeziehungen gesteckt werden, enttäuscht wird und möchte sich unabhängiger davon machen.
Als Pädagogin möchte ich immer und immer wieder sagen: Menschen wollen gesehen werden. So einfach und so schwer ist das!
Menschen, die von Außen betrachtet groß und wichtig und überhaupt beeindruckend sind, sind genau so vulnerabel wie ich, wie wir, wie alle. Und dann tut es richtig gut, solche geschützten Räume zu haben, in denen Begegnung möglich wird.
Die Welten, in denen wir uns bewegen erlauben nur selten Schwäche, keine Zweifel. Organisationen schmücken sich gerne mit hübschen Hochglanzfolien und der Ruf nach Menschen, die mal neue Ideen reinbringern ist laut, aber welche Währung zählt wirklich? Da wünschte ich mir manchmal eine Kultur, die wenigstens zugibt, was wirklich zählt. Aber so einfach sind die Dynamiken nicht.
Gestern habe ich lange mit jemandem über Sinn, Authentizität und Entgrenzung in unserer Arbeitswelt gesprochen. In dem wunderbaren Gespräch kamen mehr Fragen als Antworten zusammen und es war klar, es gibt keine binären Sichtweisen. Weder auf Menschen noch auf Organisationen und es geht eher um etwas, das in Bewegung ist. Prozesse, Veränderungen, alles bewegt sich. Das sollte uns aus den Naturwissenschaften schon lange bekannt sein.
Und so geht es ja auch mit uns. Die Buddhisten haben dieses schöne Bild eher jemanden zu fragen, wo er oder sie sich auf dem eigenen Weg befindet. Darin steckt die Annahme, dass wir alle unterwegs sind. Themen werden vermutlich nie ganz abgehakt, aber wir können lernen, mit ihnen zu leben. Mit den Abgründen und mit dem Großartigen!
Liebe Freundin, ich wünsche Dir viel Kraft auf diesem Weg, der gerade so ruckelig für Dich ist. Sei Dir gewiss: Du bist nicht alleine. Und vielleicht gelingt uns allen ja immer mal wieder ein Blick auf unser eigenes, besonderes Leuchten.
Das macht die Welt heller.
Deine Helena
Kfm. Angestellte / Sekretärin bei Bertelsmann SE & Co. KGaA
3 Jahrewie wahr! Toll!
Schluss mit Projekt-Chaos! Vom guten zum exzellenten Projektmanager - für wirtschaftlich erfolgreiche Projekte.
3 Jahre„Wo bist du gerade auf deinem Weg?“ - das ist eine tolle Frage, die nach dem Lesen deines Artikels noch lange nachklang.
Executive Coach, Transaktionsanalytikerin, Lehrcoach DGTA, Autorin
3 JahreWie herzensklug liebe Helena!
Ganz toll Helena!