Lkw-Flottengrenzwerte: Lobbyschlacht um E-Fuels beginnt

Lkw-Flottengrenzwerte: Lobbyschlacht um E-Fuels beginnt

In wenigen Wochen will die Kommission ihren Vorschlag für ein Verbrenner-Aus bei Nutzfahrzeugen vorlegen. Die Umweltorganisation T+E fordert jetzt in ihrer Studie, dass E-Fuels auch bei Lkw keine Rolle spielen sollen. Ein Wissenschaftler widerspricht und zweifelt die Seriosität der Studie an.

Von Markus Grabitz/Table.Europe

Die Kommission will Anfang 2023 ihren Vorschlag für das Verbrenner-Aus und CO2-Flottengrenzwerte bei Nutzfahrzeugen vorlegen. Im Vorfeld der Entscheidung beginnt nun die Auseinandersetzung der Lobbyisten, die sich auch um nahezu CO2-neutral hergestellte Kraftstoffe dreht – sogenannte E-Fuels.

„Im Jahr 2035 wird es 47 Prozent teurer sein, einen Lastwagen mit E-Fuels zu betreiben, als einen batterieelektrischen Lastwagen zu benutzen.“ Das ist die Kernaussage einer Studie von T+E, die heute veröffentlicht wird und Europe.Table vorab vorlag. T+E steht für Transport und Environment und ist die Dachorganisation der europäischen Umweltverbände, bei der auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Mitglied ist.


Bei der Betrachtung der Gesamtkosten während des Lebenszyklus (Total cost of ownership) kommt der fabrikneue Lkw mit Dieselmotor, der mit E-Fuels betankt wird, demnach auf Kosten von 70 Cent pro gefahrenem Kilometer. Ein fabrikneuer batterieelektrischer Lkw komme im günstigsten Szenario auf einen Wert von 48 Cent je Kilometer. Im schlechteren Szenario, bei dem höhere Energiekosten unterstellt werden, komme der batterieelektrische Lkw auf Kosten von 50 Cent. Bei einem gebrauchten Lkw, dessen Diesel-Motor mit E-Fuels betankt werde, liege der Wert wegen geringerer Anschaffungskosten immer noch bei 58 Cent.

Die geringeren Preise für das Laden der Batterie sowie der Wartung und Instandsetzung machten die höheren Anschaffungspreise von batterieelektrischen Lastwagen wett, argumentiert T+E. Die Autoren der Studie haben unterstellt, dass synthetische Dieselkraftstoffe im Jahr 2035 um 52 Prozent teurer sind als fossiler Diesel.

Zudem behauptet T+E, dass ein Lkw, der mit E-Fuels aus 100 Prozent CO2-freier Produktion betrieben wird, immer noch 41 Prozent mehr Treibhausgase verursacht als ein batterieelektrischer Lkw, der mit Strom aus regenerierbaren Quellen betrieben wird. Ein batterieelektrischer Lkw verursache 86 Prozent weniger CO2, wenn er mit dem Strommix des Jahres 2035 geladen werde, als ein Lkw, der mit fossilem Diesel getankt werde.

T+E warnt die EU davor, ein Anreizsystem für synthetische Kraftstoffe bei Lkws zu installieren: Grüner Wasserstoff zur nahezu CO2-freien Produktion von E-Fuels werde rar bleiben: „E-Fuels zu Lkws umzuleiten würde bedeuten, dass die Transformation zu CO2-freien Kraftstoffen bei Flugzeugen und Frachtschiffen behindert würde.“

Heftiger Widerspruch vom KIT

Vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kommt heftige Kritik an der Studie. Entscheidend sei der Kostenvergleich von verschiedenen Technologien unter Berücksichtigung identischer Steuereinnahmen für die öffentliche Hand. Heute steuerten verbrennungsmotorische Antriebssysteme von Pkw und Lkw im Jahr weit über 60 Milliarden Euro an Steuereinnahmen in Deutschland durch Energie-, Mehrwert-, Kfz- und CO2-Steuer bei. Diese Steuerbelastung auf Kraftstoffe bilde die T+E-Studie nicht ansatzweise ab, weshalb keine seriöse Kostenanalyse vorliege.

Olaf Toedter, Leiter neue Technologien und Zündsysteme am Institut für Kolbenmaschinen, hat die Studie analysiert und zieht folgendes Fazit: „T+E führt als Gründe für den Kostenvorteil des batterieelektrischen Lkw niedrigere Kosten für Energie und Wartung an, diese Aussage ist hochspekulativ.“ Bei den Energiekosten arbeite T+E mit Werten von 17 beziehungsweise 22 Cent je Kilowattstunde. „Schon die heutigen Preise liegen deutlich darüber“, so Toedter. „Dass an Schnellladestationen derartige Preise realistisch sein sollen, das halte ich für völlig utopisch.“

E-Fuels könnten bei einer industriellen Herstellung an Orten mit günstigen Bedingungen für Energie aus erneuerbaren Quellen zu Gestehungskosten von unter einem Euro produziert werden und wären damit wettbewerbsfähig. Er rechne zudem nicht damit, dass die Preise für batterieelektrische Antriebe weiter kräftig rückläufig seien, sagt Toedter. Im Gegenteil: „Ich rechne mit Produktions- und Lieferengpässen für die deutlich höheren Bedarfe an Nickel, Kupfer und Seltenen Erden und daher mit deutlich steigenden Preisen.“ 

Toedter, Experte für Energiebilanzen, kritisiert zudem die Berechnung des CO2-Aufwands für die Batterieherstellung. „Hier wird gezielt verschleiert, dass auch 2035 die Energie aus Sonne und Wind nicht komplett die Versorgung mit Strom gewährleisten kann.“ Er kritisiert außerdem die Forderung von T+E, nur E-Fuels für Schiffe und Flugzeuge zu produzieren: „Die Gesetzmäßigkeiten der Produktion in Raffinerien gebieten, dass neben Kerosin für Flugzeuge und Diesel für Schiffsmotoren auch Diesel für Lastwagen entsteht. Es wäre unwirtschaftlich, den Diesel für Lastwagen nicht zu nutzen.“

Miro ADHSHELP

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2 Jahre

Doppelmoral???

Sebastian Rohleder

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2 Jahre

Diese Verbände agieren nach dem Grundsatz: wahr ist, was deren Sache nutzt.

Claus Dieter Vogt

Chief Technical Officer Europe & America NGK Europe GmbH

2 Jahre

Bei all den Diskussionen zum Thema Kostenvergleich. Strom vs Kraftstoff ( E-fuel ) . Hat jemand heute schon berücksichtigt, dass beim Ladestrompreis heute noch die > 85% Kraftstoffsteuer +MwSt fehlt bzw. wie wird in den Vergleich berücksichtigt ? Will der Staat auf diese Einnahmen zukünftig für alle Konzepte verzichten oder gilt die Befreiung nur für BEV ?

Rudolf Scharping

hier privat (Gründer & Vorstand bei RSBK AG)

2 Jahre

Was ist eigentlich mit den „komparativen Kosten“ der europäischen/deutschen Volkswirtschaft? Die USA ziehen über ihr „Inflation Reduction Act“ massiv (z.B.) Batterieproduktion an. Europa/Deutschland hat auf der Seite der Preise, der Subventionen und der Genehmigungen massive Nachteile - was die EU Kommission gerade öffentlich beklagt hat. Wird sie das berücksichtigen, wenn es um die ganze Logistik-Branche geht? Und: geraten wir nicht bei Kobalt, Nickel, Kupfer, seltenen Erden in Abhängigkeiten, die Europa/Deutschland gerade verringern wollen? Schließlich: sollten wir nicht einbeziehen, was OECD und andere uns sagen zu Umweltschäden und CO2 Ausstoß durch den Bergbau/die Gewinnung solcher Rohstoffe? Mich erstaunt, wie wenig die globalen Fragen eine Rolle spielen; wir müssen und können in Europa/Deutschland mehr bieten (!!) als eine sich überschlagende Verbotswelle, nämlich vielfältige und global brauchbare technische Lösungen

Henrik Domanovszky

G-mobility provide a uniquely positive alternative for the transport sector in all respects

2 Jahre

A typical lie again from T&E, as we have seen continuously during the last 15 years at least. It’s time - since long - to take legal action against this manipulative lobby group.

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