Long-term value - Mode in der Pole Position?

Long-term value - Mode in der Pole Position?

In Kürze… 

… «Long-term Value» meint die Werte eines Unternehmens, die über die Erzielung von Gewinn hinausgehen: Positionierung in Bezug auf Nachhaltigkeit, Diversität, Fairness und weitere Stakeholder-relevante Themen  

… Fashion-Unternehmen gelten hier nicht als Vorzeigebeispiele, sind gleichzeitig aber prädestiniert, um sich hier zu profilieren

…  Es gibt einige Vorreiter und leuchtende Beispiele – der Grossteil der Branche hat jedoch noch einiges an Weg vor sich! 

… Das Thema wird über die nächsten Jahre an Brisanz gewinnen  

 

Mit “Long-Term Value” meinen wir einen Themenkomplex, der weit über das Thema Sustainability hinausgeht. Long-term Value bedeutet, als Unternehmen oder Marke eine klare Positionierung zu gesellschaftlich, umweltpolitischen und unter Umständen sogar politischen Themen eine klare Positionierung vorzunehmen. Damit werden die eigenen Werte nicht nur klar definiert, sondern als Unternehmen gelebt.  

Das mag auf den ersten Blick etwas befremdlich klingen – Sollen Unternehmen nicht in erster Linie Gewinne schreiben? Wir finden: Ja – aber nicht nur. Geld verdienen allein wird bald kein Selbstzweck mehr sein. Vieles deutet darauf hin, dass gerade die Fashion- und Lifestylebranche bezüglich Nachhaltigkeit und gesellschaftlichem Einfluss einerseits unter Zugzwang steht, sich aber andererseits in der «Pole Position» befindet, eine Vorreiterrolle einzunehmen.  

Long-term Value: der neue Imperativ?

Weshalb ist es ein «Must», sich um Long-term Value zu kümmern? Ein grosser Aspekt ist die Nachhaltigkeit. Die Fashionbranche steht als gewichtiger Verursacher von CO2-Emissionen besonders stark in der Kritik. Gerade «Fast Fashion» und die stetige Angebotsausweitung sind die Wurzel des Übels. So hat sich etwa in den letzten fünf Jahren die Anzahl an produzierten Kleidungsstücken verdoppelt, bei gleichzeitig stark gefallener Nutzung pro Kleidungsstück.  

Einige Umfragen, so auch der «EY Future Consumer Index» zeigen, dass Nachhaltigkeit immer stärker in das Bewusstsein der Kunden treten. So geben etwa in unserer Umfrage über 50% der Befragten an, stärker auf die Auswirkungen auf die Umwelt durch ihren Konsum zu achten. Klar – Umfragen alleine bedeuten nicht, dass demnächst nur noch nachhaltige Produkte gekauft werden. Wenn dem so wäre, wären die «Fast Fashion» Anbieter längst nicht mehr im Geschäft. 

Dennoch deuten einige Anzeichen darauf hin, dass das Thema Nachhaltigkeit verstärkt marktrelevant ist. So gibt es etwa einige spezialisierte Brands, die viel schneller wachsen als der Markt – von veganen Sneakern und Accessoires bis hin zu den «Made in Germany/ France, …»-Konzepten ist alles dabei. Dabei fällt auf, dass diese oft jungen Brands in nur wenigen Jahren Umsätze um die 30-50 Mio. EUR erzielen können, und das Thema Nachhaltigkeit jung, trendy und chic bedienen. Ebenfalls gibt es einige Secondhand-Formate, die sich wachsender Beliebtheit, Nutzerzahlen und Umsätze erfreuen. Auch die Investoren glauben an den Markt: in den letzten Jahren wurde seitens Investoren und grossen Häusern erhebliche Summen in den Second-Hand-Markt investiert – und werden weiter investiert. Auch durch «Gen Z», die Käufergeneration, die Trends setzt, hat sich das Thema Second-Hand weg vom staubigen Image hin zum Trendsetting bewegt. 

Dazu kommt ein wachsender Druck seitens Regulatoren und Finanzierer. Gerade Themen wie das Lieferkettengesetz befeuern die politische Debatte um Nachhaltigkeit und Verantwortung der Unternehmen. Allerdings kommt der Druck auch von Finanzierungsseite: so gibt es vermehrt PE-Investoren und Kreditgeber, die Nachhaltigkeits-Kriterien bei der Kreditvergabe anwenden.  

Exponierte Fashion-Branche ...

Neben dem Thema Nachhaltigkeit rückt auch das Thema Diversität immer stärker in den Vordergrund. So werden die Casts der globalen Modehäuser «diverse und inclusive». Einige Brands haben aus Fehlern lernen müssen, etwa aus peinlichen Fehltritten und fehlendem Fingerspitzengefühl, was öffentlichen Zorn eingebracht hat. Andere konnten sich durch eine geschickte Besetzung des Themas profilieren. 

Weshalb aber steht gerade die Modebranche so stark unter Druck, was die Themen Nachhaltigkeit, Fairness, Diversity und Inclusion betrifft? Klar ist die Fashionbranche von globaler Wichtigkeit punkto Arbeitsplätze und Investitionen. Das trifft allerdings auch für viele andere Branchen zu... «Mode» aber ist mehr als «Business only» - Mode verkörpert auch Träume und gibt ein Spiegelbild der Gesellschaft ab. Fashion steht für Identitäten, für Zugehörigkeit und ermöglicht, dass gesellschaftliche Trends und Subkulturen wortwörtlich zum Vorschein treten und gesehen werden.  

Gerade deshalb, weil Fashion auch Teil unserer Kultur und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist, ist die Branche in der «Pole Position», hier eine Vorreiterrolle einzunehmen – und steht damit gleichzeitig auch unter Druck, dies zu tun. 

… im Realitäts-Check 

Was zeigt uns der nüchterne Blick auf die Branche? Der Fortschritt fällt insgesamt noch verhalten aus. Klar gibt es einige Vorzeige-Firmen, die über viele Dimensionen hinweg engagiert sind und ihr Geschäft konsequent an ihrem Werte-Kompass ausrichten. Ebenfalls gibt es bekannte - und weniger bekannte - Vorreiter, die aus einem starken Engagement heraus geboren wurden und entsprechend konsequent auftreten. Dies können Brands oder innovative Start-ups sein, die sich auf einen Bereich, beispielswiese Nachhaltigkeit, fokussieren. 

Generell treffen wir jedoch selten etablierte Spieler in der Textilindustrie an, die die verschiedenen Dimensionen (Nachhaltigkeit, Fairness, Diversity & Inclusion, …) umfassend betrachten und konkrete Ziele und Massnahmen definiert haben und darüber Transparenz schaffen. 

Gerade im Bereich Sourcing und Produktion wird zwar oft und gerne “Claiming” betrieben, aber es bleibt für die Konsumenten schwierig, sich vollumfassend zu orientieren und die Informationen einzuordnen.  

Unser Fazit ist daher, dass die Fashion-Branche beim Thema «Long-Term Value» generell am Anfang steht. Aktuell stehen die Unternehmen unter Zugzwang, mehr Transparenz und klar formulierte Ziele und Massnahmen zu entwickeln. Gerade weil der Druck der öffentlichen Meinung und der Konsumentensteigt, sind wir zuversichtlich, dass die vielfach gestarteten Initiativen in den nächsten 5-10 Jahren konkreter werden und tiefgehende Veränderung bringen. In einer idealer Welt kommen wir an den Punkt, an dem “Long-term Value” eine Notwendigkeit für die Geschäftsgrundlage ist und nicht durch geschicktes “Claiming” umschifft werden kann.  

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