Luxus läuft - nachhaltig

Luxus läuft - nachhaltig

Globalisierung und Digitalisierung, die nicht enden wollende Pandemie, Lieferketten-Stress und Produktionsengpässe – und dazu die Transformationen in essenziellen Bereichen wie der Energiewirtschaft und der Automobilindustrie… Die Erholung der Wirtschaft lässt sich Zeit. Da überrascht in diesen Tagen die Unternehmensberatung Bain mit ihrer jüngsten Studie zur Luxusgüterindustrie. Im laufenden Jahr wird danach der weltweite Markt der persönlichen Luxusgüter auf 283 Milliarden Euro wachsen. Das ist ein Prozent mehr der Vorkrisenwert des Jahres 2019, gegenüber 2020 beträgt das Wachstum sogar 29 Prozent. 

Einmal mehr ist China ein entscheidender Impulsgeber. Hier hat sich das Marktvolumen gegenüber 2019 auf 60 Milliarden Euro verdoppelt. In den USA, dem größten Markt für Luxusgüter, stieg im gleichen Zeitraum die Wachstumskurveauf 89 Milliarden Euro. Europa, Japan und der restlicheasiatische Raum lassen sich allerdings bei der Erholung etwas mehr Zeit.

Renaissance der Luxusgüterindustrie

Dennoch: „Die Luxusgüterindustrie erfährt gerade eine wahre Renaissance“, schlussfolgert Bain-Studienleiterin Marie-Therese Marek. Die Bain-Studie bestätigt einmal mehr, was Branchen-Insider seit langem wissen: „Die öffentliche Wahrnehmung der Top-Marken verändert sich derzeit deutlich. Ging es bislang vor allem um Status, Logos und Exklusivität, müssen die Hersteller von Nobelwaren heute ihren Fokus verstärkt auch auf Nachhaltigkeit, Diversität und soziale Verantwortung richten.“ Dahinter steckten unter anderem Ansprüche der jüngeren Kunden. „Das wird bei den Erwartungn an Luxusprodukte zu radikalen Umbrüchen führen, von Lederwaren bis hin zu Diamanten“, sagt Marek.

Die unabhängige europäische Denkfabrik LaboratoireEuropéen d’Anticipation Politique (LEAP) sieht in den jüngsten Erfolgen einen strukturellen Wandel:

„Der Luxussektor ist ideal mit der Zukunft kompatibel“,

so der Befund der Analytiker. Und mehr noch: Der von Corona erzeugte systemische Kipppunkt begünstige die schrittweise Einführung eines neuen Wirtschaftsmodells, dessen Symptom das „Ende der Billigwirtschaft“ sei. 

Es bleibt dabei: Weniger ist mehr

Eine interessante These, die durch den alle Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche erfassenden Paradigmen-Wechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit und der Wahrung planetarer Grenzen zusätzlich Nahrung erhält. Darüber hinaus ist die „teure“Wirtschaft eine Voraussetzung aller Pläne für den ökologischen Übergang:

„Weniger, aber besser konsumieren“,

weist der Notwendigkeit einer Änderung des Wirtschaftsmodells die Richtung. Im Luxussektor ist dies im Grunde schon immer „gelernt“ und wird von der jungen, ökologisch sensibilisierten und nachhaltig motivierten Generation entsprechend als „natürlich“ selbstverständlich assoziiert. 

Die Konsumenten erwarten, dass bei einem als wertvoll empfundenen Luxusprodukt die Qualität in jeder Phase der Wertschöpfungskette an erster Stelle steht. Das lenkt dann auch zwangsläufig den Blick auf ein umfassendes Werte-Setup – auf die Bedingungen der Produktion, auf die Herkunft der Materialien, auf die Arbeitsbedingungen und Löhne, auf grundlegende Werte wie Ethik und Respekt gegenüber Mensch und Natur… Die „for-future-Bewegungen“ werden diese zunehmend konsequent und oft auch mit einer gewissen Radikalität von den Marktplayern einfordern. Das erklärt unter anderem auch, warum Larry Fink, CEO von Blackrock, dem weltweit größten Vermögensverwalter, von Unternehmen verlangt, mehr Druck beim Klimaschutz zu machen, wenn sie künftig Investoren von sich überzeugen wollen. 

Themen der Gesellschaft aufnehmen

Luxuskonzerne wie LVMH und Kering beziehen in ihre Definition von „Modern Luxury“ längst das (nicht nur) image-prägende Engagement für Umwelt und Nachhaltigkeit mit ein. Marie-Claire Dave, Nachhaltigkeitschefin von Kering, setzt dazu entsprechend die Leitplanken:

„Wir müssen uns weiterentwickeln und uns an eine sich wandelnde Welt und die Erwartung junger Menschen anpassen. Das bedeutet, dass wir im Einklang mit den Zeiten und unseren Kunden sind und dass wir die Themen, die in unserer Gesellschaft diskutiert werden, verstehen und vorwegnehmen.“  

Dazu gehört auch die Auseinandersetzung damit, wie junge Konsumenten heute Luxus für sich einordnen. Für einen 18-Jährigen versprüht ein Off-White Air Jordan 1, der gerade in seiner Peer-Group gehypt wird, mehr Glamour als ein Gucci-Sneaker. Für Luxusmarken heißt dies, dass ihre Benchmark nicht allein im eigenen Segment liegt, sondern auch bei Brands wie Nike, Yeezy, Off-White, Palm Angels oder hippen Newcomern, die bislang außerhalb des Luxusmarken-Radars unterwegs sind. 

Vollkommen neue Ära des Luxusmarktes

All dies muss und wird sich unmittelbar auf die Markenführung und Markenkommunikation niederschlagen. Die digitalen Bilder- und Bewegtbildwelten werden schon jetzt immer stärker auf ein junges Publikum zugeschnitten. Und das mit einem klaren Fokus auf deren Lebensgefühl, bei dem Achtsamkeit, Nachhaltigkeit und Diversität tragende Säulen des eigenen Selbstverständnisses und der Erwartungen der Generation Z an die Zukunft sind. Die Vorzeichen einer vollkommen neuen Ära des Luxusmarktes sind nicht zu übersehen. 

Und genau darin liegt ja auch der besondere Reiz einer ganzheitlichen Markenkommunikation. Auch wenn die digitalen Touchpoints der Top-Brands immer wichtiger werden und der E-Commerce längst umfassend im Luxusmarkt Fuß gefasst hat (im vergangenen Jahr betrug dasWachstum rund 50 Prozent, für 2021 gehen die Bain-Experten von weiteren 29 Prozent Plus aus), bleibt auch das analoge oder hybride Shop-Erlebnis weiter „en vogue“. Zum Beispiel in Form von Pop-up-Stores. 

Die neue Flughöhe: Shop im Shop

Am Zürcher Flughafen hat gerade „Gatezero“ eröffnet, wo die Kunden in den kommenden sechs Monaten 15 internationale Topmarken erleben können. Bis „Gatezero“ zum nächsten Flughafen zieht. Zur gleichen Zeit ist in Zürich im neu gestalteten Traditionswarenhaus Globus an der Zürcher Bahnhofstraße ein Boutique-Konzept umgesetzt worden, das zehn Top-Marken selbst bespielen: Louis Vuitton, Dior, Valentino oder Moncler etwa. Balenciaga sowie die LVMH-Töchter Loewe und Off-White eröffnen hier ihren ersten Schweizer Shop. Ein Konzept, das sich schon in großen Kaufhäusern in Paris, London und New York bewährt hat. 

Der Wandel der Einstellungen und Erwartungen an das Markenerlebnis wird weiter voranschreiten. Laut Bain-Studie werden 2025 die Generationen Z und Y – Menschen unter 40 also – für rund zwei Drittel der weltweiten Umsätze bei persönlichen Luxusgütern verantwortlich sein. Glamour, Nachhaltigkeit, digitaler Lifestyle und neu kalibriertes Shop-Erlebnis kommunikativ und markenstrategisch zu verbinden, wird der Faszination Luxus weiter Auftrieb geben. Die Aussichten dafür sind gut: Für den Zeitraum 2020 bis 2025 rechnet die Bain-Studie mit einem Marktwachstum von zehn Prozent im Jahresdurchschnitt. Darauf lässt sich bauen.

Christian Stoll

I help businesses establishing their brand in Europe

2 Jahre

Positiver Denkansatz, lieber Rupert. Allerdings würde ich die "new luxury labels" auch zum Marktpotential hinzufügen. Ich denke hier an lokale, sehr sauber und vertrauenswürdig aufgestellte Marken ohne globale Liefer- und Distributionsketten, die ja eher auf der negativen Seite einer Sustainability P&L stehen.

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