Makro-Blick 11.05.2023
In unseren letzten Kundengesprächen gab es immer wieder ein Thema, eine Frage:
Wie sortiert sich die Zinspolitik der Notenbanken ein und welche Schlüsse lassen sich persönlich daraus ziehen?
Gerne teile ich unsere Gedanken hierzu. Und nachdem der Sachverhalt etwas komplexer ist, benötigen Sie etwas Durchhaltevermögen. Aber ich versuche es kurzweilig zu gestalten, versprochen.
Lassen Sie mich kurz das Prequel formulieren. Wie alles begann, ohne auf jedes Detail der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte einzugehen.
Akt 1) Wie bekämpft man als Notenbank Inflation?
a) man erhöhe die Zinsen (die Fed Funds Rate) ÜBER die Kerninflation und
b) gebe dem Ganzen Zeit.
Schauen wir uns das im Chartbild an. Hier stehen wir nun:
Akt 2) Alles hat seine Zeit - was sagt uns die Historie?
Im Basisszenario war das wahrscheinlich die letzte Zinserhöhung in diesem Zyklus. Welche Argumente lassen sich dafür finden?
Zudem - aber ich würde das jedoch nicht als hartes Argument verwenden wollen - zeigt das CME FedWatch Tool eine Wahrscheinlichkeit von 91 %, dass es bei der nächsten FOMC-Sitzung im Juni keine Zinserhöhung geben wird.
Beachtlich auch die Markterwartung (gemessen an den Fed Fund Futures), welche eine erste Zinssenkung im 3. Quartal 2023 signalisiert. Das ist nicht das, was die Fed kommuniziert hat!
Gleichwohl ist die Markerwartung aus einem anderen Blick interessant. Es zeigt ein mögliches Enttäuschungspotenzial an, sofern eine Pause länger anhält oder es doch noch weiter nach oben geht.
Unterstellt, die letzte Erhöhung ist passiert, lauten die eigentlichen Fragen nun:
Der folgende Chart (Daten seit 1984) zeigt, dass die durchschnittliche Pause der Fed auf dem Höhepunkt des Zinszyklus nur etwa 5 Monate dauert und von ziemlich ausgeprägten Lockerungszyklen gefolgt wird.
Allerdings ist die Streuung bei der Dauer dieser Pausen groß: In den 80er Jahren war nur einen Monat lang Innehalten angesagt, während in 2000 oder 2018 die Ruhephase 7-8 Monate betrug. Erst danach senkte die Fed die Zinsen.
Im Sommer 2006 dauerte die Pause ganze 15 Monate....und führte zur großen Finanzkrise.
Akt 3) Die Welt ist komplizierter geworden - worauf sollten wir achtgeben?
These 1)
Je länger die „Pause“ (sprich das erhöhte Zinsniveau wirkt länger auf Banken und Wirtschaft), desto mehr laufen wir Gefahr, dass die Wirtschaft - angefangen an den den fragilen (bonitätsschwachen) Stellen - beschädigt wird.
Das billige Geld aus der Vergangenheit förderte Gewöhnungseffekte, eine Bereinigung verursacht Schmerzen. Unser System ist durchtränkt mit Schulden - höhere Marktzinsen führen über die Zeit an vielen Stellen zu höheren Kosten mit entsprechenden Folgen.
These 2)
Die „ähnlichsten“ Zinspausen im Vergleich zu heute sind wahrscheinlich der Mai 2000 und der Juni 2006: Beide Zinserhöhungszyklen waren ausgeprägt und sollten Markt- und Wirtschaftsexzesse beseitigen.
„On hold“ wurde anfänglich von den Börsen als Entspannungssignal gewertet. In den Jahren 2000 und 2006 lag der S&P 500 in dieser Zeit 6-7 % im Plus.
Aber dieser Zwischenschritt wurde im späteren Verlauf unschön aufgelöst…wie folgender Chart aufzeigt. Abgetragen sind die Fed Funds Rate (blau) und der Wilshire 5000 (rot) als marktbreiter US-Aktienindex.
Liz Ann Sonders, Marktstrategin von Charles Schwab, hat sich jüngst auch ein paar Gedanken zum Fed-Zyklus gemacht:
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Die folgende Tabelle zeigt jeden Zyklus seit 1929 mit dem Datum der letzten Erhöhung zusammen mit der Performance des S&P 500 zu den Sechsmonats- und Einjahreszeiträumen (Handelstage).
Gibt es Muster?
Nicht wirklich viele. Dies unterstreicht, dass es immer unzählige Einflüsse auf das Marktverhalten gibt – nicht nur die Geldpolitik.
These 3)
Gilt primär für die Zeit ab 2000:
Gehen wir also davon aus, wenn dieser Rettungsring geworfen wird, gibt es einen veritablen Grund dafür. In solchen Situationen wird mehr Liquidität zu sinkenden Kosten in das Wirtschaftssystem gegeben.
Wo bestehen bereits Schmerzen:
Randnotiz: Als aufgerufener Retter der komatösen Banken fungiert J.P.Morgan, was den Größten nur noch größer macht. Jamie Dimon wird sich nicht dagegen wehren.
Abschließend zurück zur Fed und den Überlegungen, was neben den obigen Punkten eine Zinswende herbeiführen könnte.
Im Blick ist sicherlich auch der Arbeitsmarkt in den USA (Doppelmandat der Fed). Eine deutliche und nachhaltige Eintrübung nimmt i.d.R. Druck aus der Inflaltionsdebatte und eröffnet Handlungsspielraum, der dann auch eingefordert wird. Noch ist das in der Breite nicht erkennbar. Der Arbeitsmarkt wird vorerst als stabil eingeschätzt.
Oftmals ist der finale Auslöser ein Ereignis, dass sich im Nachgang als „schwarzer Schwan“ definiert und heute nicht als „allgemein bekannt“ zu prognostizieren ist.
Aus meiner Sicht, gibt es vielfältige Themenfelder für Schmerzen, die ein Eingreifen der Fed über die Notenbankpolitik möglich machen. Schwer vorstellbar, dass einer davon ein unmittelbar positiver Trigger für den Aktienmarkt ist.
Fazit:
Haussierende Aktienmärkte benötigen Wachstumsimpulse und eine solide Liquiditätsversorgung. Beide Punkte sehe ich nicht unmittelbar an die Tür klopfen.
Aus diesem Grund sind wir aktuell in unserer Allokation - also die Gewichtung der verschiedenen Anlageklassen und der Einzelauswahl - tendenziell defensiv eingestellt.
Unterstellt die Zinsen fallen in einem Rettungsszenario (Risk off), sollten im ersten Wurf Anleihen bester Qualität (kein Kreditrisiko) und Gold zu den Gewinnern zählen.
Haben Sie Interesse auf einen weiteren Austausch? Kommen Sie gerne auf uns zu, wir freuen uns auf das Gespräch mit Ihnen.
Herzlichst
Ihr Rainer Brixel
Geschäftsführer bei Bunter Kreis Nachsorge gGmbH
1 JahrDanke für Deine Mühe und Deine Analyse! Die Zuspitzung im USA-Schuldenstreit 2011 ließ seinerzeit den S&P 500 um rd. 17 Prozent einbrechen. Interessante Zeiten.
Passion for Sales & Business Development | 🚀🏁 Digitalisierung
1 JahrPrädikat: erhellend! 💡
Direktor, Derivatives Public Distribution bei HSBC
1 JahrKlasse Aufstellung vieler Argumente, Chapeau!