Managerressourcen – Selbstachtung statt Selbsttötung   Teil 3

Managerressourcen – Selbstachtung statt Selbsttötung Teil 3

Was sagen die anderen?

Eine Herausforderung für die Betroffenen liegt in der Frage: „Wie kommt es in meiner Umgebung an, wenn ich Schwäche zeige oder sogar meinen Job verliere?“ Nun, wir können nie wissen, wie andere Menschen uns sehen oder was sie über uns denken. Und es ist erst einmal auch nicht besonders wichtig. Was im Leben eines Menschen passiert, geht erst einmal nur ihn und seine nächsten Menschen etwas an. Ausserhalb dieses engen Kreises ist es oft eine Herausforderung, die eigene Situation zu beschreiben. Das erste Problem liegt darin, „es“ zu beschreiben, falls sich ein Manager dafür entscheidet, über seine Probleme zu sprechen. Wenn Menschen versuchen, ihre emotional schwierige und herausfordernde Situation darzulegen – die sie sich sehr häufig noch nicht einmal sich selbst gegenüber erklären können –, verwickeln sie sich oft in eine Unterhaltung, in der sie das Gefühl bekommen, sich erklären und rechtfertigen zu müssen, um den Erwartungen anderer gerecht zu werden und ihr Verständnis und Mitgefühl zu bekommen. Es ist sehr gut möglich, dass manche Personen, denen die betroffene Person ihre momentane Situation erläutert, überhaupt kein Verständnis zeigt oder die Situation schlicht und einfach nicht versteht. Und das weckt in dem Erzähler ein ungutes Gefühl. Man erwartet, dass der andere die Situation verstehen sollte. Und das passiert leider sehr häufig nicht.

Es so zu akzeptieren, darin liegt oft die Herausforderung. Die andere Person ist nicht in der Lage, die Situation nachzuvollziehen, das hat jedoch weder mit der Erklärungsfähigkeit des Erzählers noch mit der Empfänglichkeit des Zuhörers zu tun. Auch in solchen Momenten gilt das hermeneutische Prinzip von Heinz von Foerster. „Die Bedeutung einer Botschaft bestimmt nicht der Sprecher, sondern der Hörer.“ Ein Beispiel: Was in einem Buch geschrieben steht, entscheidet nicht der Autor, sondern der Leser. Dieses Unverständnis ist sehr verständlich, insbesondere wenn der Zuhörer so etwas noch nie erlebt hat. Somit sollte man in den herausfordernden Zeiten, in denen man selbst noch in der Ungewissheit ist, die eigene Situation eher „wohldosiert“ seiner Umgebung vortragen. So werden Begegnungen nicht auch noch zu Belastungen, weil man sich nicht verstanden fühlt. Da solche Ereignisse höchst persönlich sind und viel Fingerspitzengefühl erfordern, bin ich der Meinung, dass sich Führungskräfte ihrer Verletzlichkeit erst einmal nur bewusst werden sollten, anstatt sie zu zeigen. Denn, wie ich bereits in den vorangegangenen Zeilen erwähnt habe, kann sich die Lösung der Krise – oder zumindest ein erster Schritt in diese Richtung – von selbst offenbaren, wenn das Bewusstsein und die Akzeptanz für die Situation entstanden sind. 

Die eigene Ohnmacht nicht zu bekämpfen, sondern sie anzunehmen, das ist die wahre Schwierigkeit und Herausforderung, und nicht das Problem selbst! Wenn solche Krisen auftreten und Sie das Gefühl haben, Sie seien unfähig, mit dem Problem fertig zu werden, machen Sie sich selbst fertig, indem Sie sagen: „Ich kann überhaupt nichts“ oder „ich bin ein Idiot“. Das kann niemals stimmen! Denn, bis zu dem Tag, an dem Sie sich vielleicht zum ersten Mal ohnmächtig fühlten, sind Sie einen erfolgreichen beruflichen Weg gegangen. Dafür müssen Sie eine ganze Reihe an Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen. Es ist nie Ihre ganze Person, die mit der Situation oder Problem fertig werden will, sondern nur ein Teil von Ihnen. Oder würden Sie sich als Mensch nur auf die eine Fähigkeit der Problemlösung reduzieren? Na, hoffentlich nicht! Hierzu möchte ich ein Beispiel anbringen. Dieses soll Ihnen aus einem anderen Blickwinkel aufzeigen, dass bei der Problemlösung, egal als wie schwierig sie empfunden wird, niemals die ganze Person das Problem hat. Bestimmt kennen Sie die übergrossen Bildwerbeflächen, die besonders oft an Flughäfen zu sehen sind. Sie bestehen aus sehr vielen schmalen, vertikal angeordneten Lamellen und zeigen oft eine Person, die für ein Produkt wirbt. Diese Lamellen drehen sich alle zehn Sekunden, wobei immer wieder ein anderes Bild entsteht. Stellen Sie sich vor, dass ein oder zwei Lamellen sich aus irgendeinem Grund nicht drehen, Sie aber trotzdem die Person auf dem Bild erkennen. So können Sie sich auch vorstellen, dass nicht Sie als ganze Person das Problem haben, sondern nur ein Teil von Ihnen hat die Schwierigkeit zu bewältigen. Demnach kann auf keinen Fall davon die Rede sein, dass jemand vollkommen unfähig ist oder er seinen Job nicht macht. Das Problem ist immer auf die jeweilige Situation bezogen und nicht auf die gesamten Fähigkeiten und Eigenschaften einer Person.


Manager, gefangen im Rollenkäfig

Matthias Franz, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, beschriebt die allseitige Überforderung der heutigen erwachsenen Männer und die Multivalenz der männlichen Identität sehr treffend. Bitte lesen Sie selbst! „Männern stehen aktuell erstaunlich anspruchsvollen Anforderungs-Katalogen gegenüber. Gesucht wird etwa seit 20 Jahren der voll empathische Partner, bei Bedarf auch gern mit starker Schulter zum heimlichen Anlehnen. Gefordert wird der kooperative, auch nach einem ganzen Arbeitstag noch emotional entspannte Vater, aber auch der kompetitive, konfliktfähige, beruflich erfolgreiche Mann, ein echter Kerl, der auch mal was durchstehen kann und der weiß, was er, aber auch sie will. Und gefragt ist sogar auch schon wieder der soldatische Mann, der in weltweiten Auslandseinsätzen angeblich für unsere Interessen kämpft und wenn nötig tapfer stirbt. Bitte schön lächeln, aber nicht schwächeln, lautet das Motto dieses projektiv idealisierten Männerbildes, das im Übrigen auch von weiblicher Seite mit subtilen Beiträgen stabilisiert wird.“

Diesen Anforderungen gerecht zu werden, gleicht einem Wahnsinn. Diese zu Recht empfundene Überforderung eines Mannes ist sehr verständlich. Ganz zu schweigen von den personen- und rollenbezogenen Anforderungen in der Arbeitswelt. So ist eine innere Zerrissenheit sehr wohl verständlich. Ich bin aber überzeugt, dass jeder die Chance hat, das eigene Leben so zu gestalten, dass er sich damit möglichst glücklich und zufrieden fühlen kann – vielleicht nicht zu 100 %, aber zu einem sehr grossen Anteil. Viktor Frankl, der österreichische Psychiater und Autor des Buchs „Trotzdem Ja zum Leben sagen“, wurde die folgende Frage gestellt: „Herr Frankl, was ist das Leben?“ Frankl antwortete: „Das Leben ist nicht etwas, sondern die Chance zu etwas!“ So glaube ich, dass wir alle, und zwar täglich, sehr wohl die Chance haben, unser Leben immer ein Stück besser zu machen, indem wir uns Selbstzuwendung schenken. Kritisch, aber wertschätzend, damit wir uns erst einmal stärken und uns selbst Halt und Unterstützung geben. Ein ewig sicherer und stabiler Lebenszustand wird es nie geben. Genau darin liegt die Kreativität des Lebens, sich immer wieder auf neue Situationen einzulassen, sie kennenzulernen und eine für sich selbst adäquate Lösung für diese Aufgabe zu finden. 

Wie Sie beim Lesen dieses Essays feststellen konnten, steht das Selbst immer im Mittelpunkt in der Gestaltung des eigenen Lebens. Dies gilt für die Privatperson selbst als auch für die Privatperson in der Rolle des Managers. Demnach ist die Selbstachtung die Voraussetzung bzw. das Fundament für die persönliche Entwicklung. Mit dem Ausdruck Selbstmord beabsichtige ich, eine Zweideutigkeit herzustellen, da er auf der einen Seite im wahrsten Sinne des Wortes den Tod bedeuten kann, auf der anderen Seite aber auch für Selbstaufgabe und Seelen- sowie Gefühlslosigkeit stehen kann. Wir erleben Gefühlslosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust, zu spät ist es aber erst dann, wenn wir tot sind. Und bis dahin haben wir „jede Menge“ Zeit, Einfluss auf unser Leben zu nehmen und es in die von uns gewünschte Richtung zu lenken. Es gilt, Antworten auf die Fragen zu finden, die für unser Leben von ungeheurer Bedeutung sind wie: Wie und wer möchte ich werden? Wo ist mein Platz in der Welt? Wie erlange ich mein Glück für mein Leben? Wer bin ich? Das ist ohne Zweifel schwierig. Sie werden aber dadurch nicht leichter zu beantworten sein, indem wir uns als Erwachsene nach anderen Menschen richten, die uns vermitteln, wie wir unser Leben zu führen haben, nur weil sie angeblich alles richtig gemacht haben, mehr Erfahrung haben und es besser wissen. Was für Ihr Leben das „Richtige“ ist, darüber können nur Sie selbst entscheiden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere in den USA, begannen die Menschen durch die Werke von Schriftstellern und Philosophen sich mit dem Thema der Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen und sich damit auseinanderzusetzen. Beispielsweise hat Orison Swett Marden, ein amerikanischer Arzt und Autor, eine monatlich erscheinende Zeitschrift als Ratgeber mit dem Titel Success Magazine herausgegeben, um Menschen so zu mehr Selbsthilfe zu verhelfen. Der amerikanische Dichter Walt Whitman beschrieb die Sinnhaftigkeit des Lebens in seinem Gedicht „Ich und mein Leben“ so: Ich und mein Leben, die immer wiederkehrenden Fragen, der endlose Zug der Ungläubigen, die Städte voller Narren. Wozu bin ich? Wozu nutzt dieses Leben?  Die Antwort: Damit du hier bist. Damit das Leben nicht zu Ende geht, deine Individualität. Damit das Spiel der Mächte weitergeht und du deinen Vers dazu beitragen kannst.

Herzlichen Dank fürs Lesen!


Julius Hargitai - Zürich, 13. Februar 2018

Hargitai Health Management Consulting


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