Mandatsniederlegung in der Krise – zur Unzeit?
Thomas Uppenbrink

Mandatsniederlegung in der Krise – zur Unzeit?

Autoren: Thomas Uppenbrink & Sebastian Frank

Erkennen einer manifestierten Unternehmenskrise

Gemäß § 17 Abs. 2 InsO ist eine Gesellschaft dann zahlungsunfähig, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, ihren fälligen Zahlungspflichten nachzukommen. Gemäß § 19 Abs. 2 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen einer Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Diese Vorgaben betreffen erst einmal die Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften oder Vorstände von Aktiengesellschaften in Hinblick auf eine Insolvenzantragspflicht, die mit zu beachtenden Fristen versehen sind und bei Nichtbeachtung zur persönlichen Haftung der Geschäftsleitung führen. Aber auf Basis des BGH-Urteils IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 und gemäß § 102 StaRUG tangieren diese Tatbestände auch die Kontrollverpflichtung der Mitglieder der steuerberatenden und wirtschaftsprüfende Berufe.

Rückständige Honorare sind bereits ein Indiz für Zahlungsunfähigkeit

Bereits rückständige Honorare mehrerer Monaten aus einem vereinbarten Dauermandat mit Steuerberaterinnen und Steuerberatern legen die Vermutung nahe, dass sich die Mandantin in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Aber auch andere Indizien, die der Steuerberatung auffallen müssen und werden, weisen auf eine Schieflage hin. Häufige Zahlungsstockungen müssen Steuerberaterinnen und Steuerberater aufhorchen lassen; spätesten das Auftreten der nachfolgenden Umstände in den Buchhaltungsunterlagen der Mandantin, muss Steuerberaterinnen und Steuerberater zum konsequenten Handeln zwingen:

-          Gerichtliche Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheide,

-          Mahnungen, Androhungen von Lieferstopps und Inkassoschreiben,

-          Kontopfändungen,

-          Vollstreckungsdokumentationen und Kosten von Gerichtsvollziehern,

-          Kürzung von Kontokorrentlinien oder Entzug geduldeter Inanspruchnahmen,

-          Unangepasste Herabsetzung von Steuervorauszahlungen,

-          Fehlende oder falsche Umsatzsteuervoranmeldungen.

Die potentielle Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung der Mandantin kann sich also in der Regel problemlos aus der Bearbeiten bei der Lohnbuchhaltung, der Umsatzsteueranmeldung oder der regelmäßigen Bearbeitung von benannten Unterlagen und Belegen ableiten lassen.

BGH-Urteil unterstellt Sachverstand des Steuerberaters

Das BGH hat im benannten Urteil seinerzeit begründet, dass die Mitglieder der steuerberatenden Berufe in der Regel über einen deutlich höheren wirtschaftlichen Sachverstand als die Geschäftsleitung der Mandantin verfügen und somit aufgrund ihrer besonderen Sachkunde wesentlich zeitiger in der Lage sind, aus den vorhandenen Umständen auf eine Insolvenzgefahr bzw. Insolvenzreife zu schließen.

Mandatsniederlegung ist Selbstschutz

Die Niederlegung des Mandats aufgrund der regulativen und gesetzlichen Vorgaben dient dann lediglich zu Selbstschutzzwecken und löst damit auch keinerlei Ansprüche gegen die Steuerberatung aus –  es handelt sich in einer solchen Lage somit nicht um eine Mandatsniederlegung zu Unzeit. Hier steht der Eigenschutz deutlich höher als die in der Berufsordnung vorgegebene Beistandspflicht. Allerdings müssen dazu einige Punkte beachtet werden.

Die Mitwirkungspflicht der Mandantin

Wie sieht die Mitwirkungspflicht der Mandantin aus, wenn Steuerberaterinnen und Steuerberater beauftragt werden? Und steht es um Konsequenzen, wenn die Mandantin diesen Pflichten eben nicht ordnungsgemäß nachkommt?

In der Praxis besteht oft Unklarheit und eine gewisse Sorge darüber. Insbesondere sehen sich Steuerberaterinnen und Steuerberater – zu ihrem Nachteil durch Schaffung möglicher Haftungsszenarien – häufig über die Maßen verpflichtet, die schlechte oder nicht vorhandene Mitwirkung oder Unzulänglichkeiten ihrer Mandantin durch eigenes Engagement zu kompensieren. Gerade bei Unternehmen in der Krise wird schnell klar, dass zum Beispiel die Qualität der Buchhaltung bzw. des Belegwesens oder der Zuarbeit bei der Erstellung von Jahresabschlüssen nachlässt. Das führt dazu, dass der ursprünglich vereinbarte Auftrag zwischen Mandantin und Steuerberatung eben nicht ordnungsgemäß durch die Steuerberatung zu erfüllen ist.

Ausgehend von einer Mindestqualität an Buchhaltung und Jahresabschlüsse werden und dürfen die Mitglieder der steuerberatenden Berufe keine lückenhaften betriebswirtschaftlichen Auswertungen oder unfertige Bilanzen herausgeben.

Unerfüllbarer Auftrag bei fehlender Mitwirkung der Mandantin

Das fehlende Mitwirken der Mandantin führt dann dazu, dass eben vertraglich vereinbarte Leistungen nicht oder nur in sehr rudimentärer Form durch die Steuerberaterinnen und Steuerberater erfüllt werden können. Speziell bei Vorhandensein einer Krise der Mandantin kommt es somit zu einer mit Haftungsgefahren belegten Nichterfüllung des vereinbarten Auftrags.

Hier setzt auch die Berufsordnung der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe ein, die nämlich auch auf die Mitwirkungspflicht der Mandantin abstellt. Dieser Sachverhalt muss somit in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Steuerberatung nach entsprechender mündlicher und schriftlicher Nachforderung mit Fristsetzung darauf hinweist, dass eine Unmöglichkeit zur Umsetzung der Aufträge besteht und damit das Mandat niedergelegt werden muss.

Gerade bei Kapitalgesellschaften in der Krise, bei denen die Thematiken Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung eine große Rolle spielen, sind zum Beispiel die Vorlage von Inventurdaten, Bewertungsansätzen, Forderungsbewertungen und vereinbarten Zahlungsabsprachen nötig, um die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung umzusetzen.

Ruhestellung des Mandats bei fehlender Mitwirkung

Ist nachweislich die Mitwirkungspflicht der Mandantin nicht gegeben oder die Qualität der vorgelegten Belege, Unterlagen und Informationen nicht ausreichend, kann das Mandat natürlich auch zunächst lediglich ruhend gestellt werden. Diese Entscheidung ist dann aber schriftlich der Mandantin mitzuteilen. Die Haftungsgefahren aus einer Ruhendstellung des Mandats sind aber besonders groß, wenn sich die Mandantin in erkennbaren wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet und die Steuerberatung entsprechende Kenntnis davon hat.

Keine Neutralisierung der Überschuldung mehr möglich

In Folge des BGH-Urteils IX ZR 285/14 vom 26.01.2017, welches mittlerweile durch die Gesetzesänderung zum Beginn des Jahres 2021 in § 102 StaRUG verankert wurde, erhöht sich das Haftungspotenzial für Steuerberaterinnen und Steuerberater, wenn bei einer Mandantin (Kapitalgesellschaft) im Rahmen der Jahresabschlusserstellung eine bilanzielle Überschuldung festgestellt wird und keine Prüfung erfolgt, ob es sich dabei auch um eine insolvenzrechtliche Überschuldung im Sinne des § 19 InsO handelt.

Ist eine Neutralisierung der Überschuldung durch Rangrücktrittserklärungen (ein Rangrückritt muss das Fehlkapital plus die Summe des Nominalkapitals beinhalten) oder die Vorlage einer positiven Fortbestehensprognose nicht möglich, dann bleibt der Steuerberatung nur noch die konsequente Mandatsniederlegung als Ultima Ratio.

Eigenverwaltetes Insolvenzverfahren mit Insolvenzplan als Handlungsoption prüfen

Sofern keine positive Fortbestehensprognose mehr ausgestellt werden kann, sollte umgehend geprüft werden, ob das krisenbehaftete Unternehmen durch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung mit Insolvenzplan nachhaltig entschuldet werden kann, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grundsätzlich gegeben sind und Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden können, um die Schieflage im Rahmen des Verfahrens zu beseitigen.

Unabhängig davon, ob ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung überhaupt möglich ist, kommst es dann natürlich auch auf den Willen der Geschäftsführung an. Diese tuen sich häufig schwer mit Gedanken, ein solches Verfahren zu initiieren und können zögerlich handeln. Dieses Zögern stellt für die begleitenden Steuerberaterinnen und Steuerberater eine immanente Gefahr dar: Zahlungsunfähigkeit und eine nicht mehr zu heilende Überschuldung zwingen die Steuerberatung ohne Aussicht auf eine kurzfristige Beantragung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung dazu, zeitnah das Mandat niederzulegen.

Mandatsniederlegung zur Unzeit?

Die Mitglieder der steuerberatenden Berufe wissen in der Regel genau, dass ein Dienstverhältnis nach § 627 Abs. 2 BGB mit der Mandantin nicht zur Unzeit gekündigt werden darf. Leider steckt diese Grundsatzannahme in vielen Köpfen. Der Gesetzgeber verlangt, dass die Mandantin die Möglichkeit haben muss, sich nach Kündigung des Mandatsverhältnisses die nötigen Dienste bei einer anderen Beratung zu verschaffen.

Beachtet die kündigende Steuerberatung diese Bestimmung nicht, dann macht sie sich ggfs. Schadenersatzpflichtig gemäß § 627 Abs. 2 Satz 3 BGB. Jedoch muss die Mandantin eine möglicherweise höhere finanzielle Belastung durch die Beauftragung einer neuen Beratung auch in Kauf nehmen. Der Gesetzgeber versucht dadurch vor etwaigen Rechtsnachteilen zu schützen.

Unumgängliche Mandatsniederlegung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Eine Kündigung ist daher immer so auszustellen, dass noch auf mögliche bevorstehende Fristen hingewiesen wird. Ggfs. müssen unaufschiebbare Handlungen noch selbst von der Steuerberatung vorgenommen werden, wie zum Beispiel das Einlegen bei fristgebundenen Rechtsmitteln.

Diese Dinge sind jedoch alle dann obsolet, wenn die Mandantin nachweislich zahlungsunfähig und/ oder überschuldet ist. Denn hier haben sich die Mitglieder der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe sowohl nach den Leitsätzen des BGH Urteils IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 sowie dem § 102 StaRUG zu richten.

Die Niederlegung des Mandats bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und/ oder der Überschuldung ist für die Mitglieder der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe nahezu unumgänglich, denn kommt es letztlich zu einer verspäteten Insolvenzantragsstellung, werden Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren in der Regel die sogenannte Quotenschadenregelung anwenden, wonach eine zum Teil existenzgefährdende Schadensersatzforderung gegen die Steuerberatung ausgesprochen werden kann, wenn sie trotz Kenntnis der Insolvenzgründe ohne Berücksichtigung der entsprechenden Warnhinweise weitergemacht hat.

In dem BGH Urteil IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 wird nämlich explizit darauf hingewiesen, dass die Mitglieder der wirtschaftsprüfenden und steuerberatenden Berufe als sogenannte Sachverständige gelten und daher zwingend erkennen müssen, dass eine Zahlungsunfähigkeit (bei Dauermandaten) oder eine Überschuldung (die nicht neutralisiert werden kann) vorliegt und entsprechend darauf hinweisen müssen (vgl. § 102 StaRUG).

Bei eingetretenen Insolvenzgründen ist es dann unerheblich, ob hier möglicherweise noch wahrende Fristen einzuhalten sind, weil die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft gemäß § 15a InsO binnen vorgegebenen Fristen verpflichtet ist, einen Insolvenzantrag in Eigenverwaltung oder eben einen Regelinsolvenzantrag zu stellen.

Der Eintritt der Insolvenzreife der Mandantin ist ein wichtiger Grund, der die Angehörigen der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe sogar dazu verpflichtet, ihre Arbeiten unter entsprechendem Nachweis der Situation einzustellen.

Steuerberaterhaftung bei Fortführung von Buchführungs- und Abschlusserstellung

Die Vorgaben des BGH Urteils IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 des § 102 StaRUG bestimmen genau, wann das klassische Dauermandat oder das Mandat zur Jahresabschlusserstellung bei Unternehmen in der Krise nicht mehr umzusetzen ist.

Es geht dann grundsätzlich um die Vermeidung einer Quotenschadenhaftung in Form eines Insolvenzvertiefungsschadens. Vereinfacht ausgedrückt ist der Insolvenzvertiefungsschaden der Saldo aus den Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt als das Unternehmen insolvent wurde (und die Steuerberatung davon auch Kenntnis erlang haben musste) und dem Zeitpunkt, an dem dann tatsächlich der Insolvenzantrag gestellt wurde. Hier kann es sich unter glücklichen Umständen um kleinere Summen handeln, aber bei mittelständischen Unternehmen und einem Verschleppungszeitraum von drei bis sechs Monaten können so große Summen im Rahmen der Berechnung des Quotenschadens entstehen, dass diese bei Durchsetzung gegen die Steuerberatung existenzbedrohend sein können.

Gewerbebetriebe stellen keine Ausnahme dar

Bei Gewerbebetrieben ist es im Übrigen so, dass auch hier bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Steuerberaterinnen und Steuerberater bei einer späteren Insolvenz der Mandantin Anfechtungsansprüche der Insolvenzverwaltung drohen.

Eingetragene Kaufleute und Gewerbetreibende sind gesetzlich zwar nicht verpflichtet, Insolvenzantrag wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zu stellen, doch können aus einem Weiterführen des defizitären Betriebes strafrechtliche Tatbestände erwachsen, zu denen Steuerberaterinnen und Steuerberater dann ggfs. Beihilfe leisten: Man denke hier einfach an den klassischen Eingehungsbetrug – die Schuldnerin bestellt Waren oder Dienstleistungen im Wissen, die daraus entstehenden Forderungen nicht mehr bedienen zu können.

Exkulpation ist in der Regel problematisch

Ob die Versicherung der Steuerberatung dann eintritt, hängt allein davon ab, ob Steuerberaterinnen und Steuerberater nachweisen können, dass sie die Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit tatsächlich nicht erkennen konnten, was aufgrund der gesetzlichen Vermutung gerade beim Dauermandat in der Regel sehr schwer wird; denkbar ist hier meist nur noch die mangelnde Mitwirkung der Mandantin, auf die aber wie beschrieben entsprechend regiert werden musste, um entlastende Belege vorzuhalten.

Insolvenzverwalter prüft regelmäßig Anfechtungspotentiale gegen Steuerberatung

Ein angewachsener Rückstand im Zuge der Steuerberatung ist ebenfalls eine sehr schlechte Voraussetzung, da damit Steuerberaterinnen und Steuerberater quasi selbst belegen, von vorliegenden Zahlungsschwierigkeiten zu wissen.

Finden sich dann noch in den Buchhaltungsunterlagen zum Beispiel Mahnbescheide, Vollstreckungsbescheide oder Quittungen von Vollzugsbeamten oder Pfändungen durch Finanzamt und Sozialversicherungsträgern, ist eine begründete Exkulpation der Steuerberatung ausgeschlossen.

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