Marketing an die Generation Alpha: Zeit für Experimente
(C) Hotwire UK / WIRED RESEARCH UK

Marketing an die Generation Alpha: Zeit für Experimente

Im Bericht „Generation Alpha – Wie Technologie unsere Kinder prägt“ (Download) beschreiben WIRED Consulting und Hotwire, wie sich eine omnipräsente und intelligente Technikwelt auf Heranwachsende auswirkt. Was wir in dem Report nur anreißen sind die neuen Rahmenbedingungen für Marketer. Wie werden wir später mit den nach 2010 Geborenen kommunizieren? Wie sieht Marketing in zehn oder zwanzig Jahren aus? Holen wir die Glaskugel heraus…

Im ersten Kapitel unseres Reports („Inside the Alpha Brain“) beleuchten wir die kognitiven Veränderungen, die Technologie in den kommenden Jahren auslösen wird oder sogar schon ausgelöst hat. Drei Punkte will ich hier in sehr vereinfachter Art und Weise widergeben:

1.  Technologie macht Menschen schlauer: Der sogenannte „Flynn“-Effekt beschreibt, dass Menschen in den letzten Jahrzehnten – gemessen anhand von IQ-Testergebnissen – immer intelligenter wurden. Grund hierfür sollen mitunter neue Technologien sein.

2.  Es bildet sich eine Klasse von Superspezialisten heraus: Wer der technischen und menschlichen Konkurrenz eine Nasenlänge voraus sein will, muss sich immer weiter spezialisieren. Bessere technische Unterstützung – man denke an Big-Data-gespeiste KIs, die es schon heute in vielen Nischen gibt – beschleunigen diese Entwicklung.

3.  Wir lagern immer mehr Wissen an Computer aus, lernen immer weniger auswendig. Wer weiß heute noch, wie die Hauptstädte der Länder dieser Welt heißen oder kennt die Telefonnummern seiner Freunde? Ein Swipe und unsere Taschengehirne geben uns sofort die korrekte Antwort.

Marketing der Zukunft: Sensibel und subtil

Wenn die Wissenschaftler, die wir im Report zitieren, richtig liegen und sich die oben beschriebenen Entwicklungen fortsetzen bzw. eintreten, ergeben sich aus meiner Sicht folgende Konsequenzen für Marketer:

1.  Content Marketing Reloaded: SEO ist schon heute aufgeschmissen ohne relevante Inhalte. Das, was Content Marketer produzieren, ist aber oft nur im Ansatz relevant für Dialoggruppen (weil meist der kritische Filter fehlt, den die PR in Journalisten hat). Wer intelligentere Menschen oder Superspezialisten adressiert, kommt damit nicht durch. Content-basiertes Marketing wird sehr viel besser werden müssen.

2.  Pull statt push: Groß angelegte Informationskampagnen dringen nicht mehr durch – schon gar nicht, wenn wir uns Informationen immer weniger merken. Bereitstellen ja – rausblasen nein. Marketer müssen „lediglich“ sicherstellen, dass Dialoggruppen wissen, wo sie die Informationen finden – und zwar dann, wenn sie sie wirklich brauchen.

3.  Emotionen sind weiterhin das A und O: Emotionen werden im limbischen System verarbeitet, einem sehr alten Teil des Gehirns. Dieser hat sich über Jahrtausende kaum verändert und er wird auch in tausend Jahren noch genauso funktionieren wie heute. Eine gute Nachricht für all die brillanten Storyteller da draußen. Nur die Medien und Formate, über die wir die Geschichten erzählen, ändern sich.

Marketing-KI: Zeit für Experimente!

Welche Technologien in Zukunft relevant sein werden, betrachten wir in Kapitel zwei – und können basierend darauf Schlussfolgerungen auf die erwähnten neuen Medien und Formate ziehen. An dieser Stelle eine Trendfeststellung: Wir arbeiten derzeit daran, Technologie immer menschenähnlicher zu machen. Sprache wird als Technikschnittstelle immer relevanter, Künstliche Intelligenzen simulieren in Nischen bereits heute (mal mehr, mal weniger erfolgreich) Dialog, Spielzeughersteller wie Anki arbeiten an künstlichen Freunden auf dem intellektuellen Niveau von Disney-Charakteren…

Die Vermenschlichung von Technik wirkt sich auf unseren Umgang mit ihr aus: Kinder erwarten beispielsweise eine menschenähnliche Interaktion, wenn sie mit Alexa & Co. sprechen. Noch enttäuschen die Geräte. Marketer der Zukunft sorgen besser dafür, dass sich die Erwartungen erfüllen.

"The irony of AI from a personalization perspective is that we need machines to be more human at scale."

Brian Solis auf Twitter

Jetzt ist die Zeit für Experimente mit Voice. Bauen Sie Ihren ersten Skill für Alexa. Versuchen Sie, einen Chatbot aufzusetzen – da ist Tiefe gefragt bei den zu antizipierenden Fragen. Mit Chatfuel kann angeblich jeder Laie Facebook-Chatbots bauen, ohne Code kennen zu müssen. WhatsBroadcast aus München hilft mit Chatbots für WhatsApp. Denken Sie dabei nicht nur an Kundenservice-Bots – auch Wissensvermittlung im B2B-Umfeld könnte ein spannendes Anwendungsfeld sein: Die BBC testet Chatbots gerade als Bestandteil von Artikeln, um Menschen schwierigere Themen nahe zu bringen.

Künstliche Intelligenz im Marketing? Die Analysten von Gartner geben uns noch etwas Zeit: Erst in etwas mehr als neun Jahren rechnen sie mit produktiven Anwendungen (Hype Cycle für Digital Marketing und Werbung). Aus meiner Sicht ist deshalb heute die optimale Zeit um einzusteigen, sich einzulesen und dann am Ball zu bleiben. Die Internet World Business, Digitalvordenker Brian Solis oder Marketing-Fachautor Jim Sterne haben sich bereits über Applikationen Gedanken gemacht.

Zielvorstellung: Maschinenempathie und nutzenstiftendes Marketing

In einer Welt, in der Technik Marketern potentiell die Möglichkeit gibt, Kunden immer und überall anzusprechen, ist das Risiko unglaublich groß, es in einem unpassenden Moment zu versuchen. Doch wie finden wir heraus, wann der passende Moment ist, der Point of Need? Ich denke, dass wir für diese Aufgabe hochintelligente und emphatische Programme brauchen. Empathie macht Marketer schon heute erfolgreicher – um aber zu skalieren, brauchen wir eine Art Maschinenempathie.

Die dürfte zugegebenermaßen noch weit weg sein, aber einen zweiten Erfolgsfaktor könnten wir auch schon heute mehr in den Fokus stellen: Haben wir den richtigen Zeitpunkt der Ansprache identifiziert, wird eine Botschaft dann Wirkung entfalten, wenn sie dem Empfänger Nutzen stiftet. Im Report (Kapitel 3) beschreiben wir das Beispiel des Mayonnaise-Herstellers Hellmans, der den Alexa-Skill „Best Recipes“ entwickelte. Der steht am Point of Need bereit – nämlich dann, wenn Menschen vor dem Kühlschrank stehen und überlegen, was sie mit den Lebensmitteln darin zaubern könnten.

Werbebudget, das eingesetzt wird, um einen (skalierbaren, weil auf digitalen Lösungen basierenden) Alltagsnutzen zu stiften – mit diesem Thema beschäftigen sich bereits heute einige schlaue Marketer rund um den Globus. Die Münchner Agentur Virtual Identity versucht, die besten Cases einmal im Jahr auf ihrer „Useful Brand Experience“ (#UBX)-Konferenz zusammenzubringen (#UBX-Facebook-Gruppe). Die Fertigkeit, eine nützliche Kundenansprache zu erdenken, wird in Zukunft noch wichtiger.

Fazit: Lernen, sich austauschen, digitalisieren

Was wir unseren Kindern empfehlen, gilt auch für uns: Marketer dürfen nie aufhören zu lernen – schon gar nicht in Zeiten eines sich immer weiter beschleunigenden technologischen Wandels. Lesen Sie unseren Report über die übernächste Generation, experimentieren Sie schon heute mit den Technologien, die erst morgen oder übermorgen relevant werden. Und: Tauschen wir uns aus zu unseren Erfahrungen. Die Süddeutsche Zeitung hat vor einiger Zeit ein Tool bereitgestellt, mit dessen Hilfe sich prüfen lässt, ob Computer in Zukunft den eigenen Job übernehmen werden. Die Wahrscheinlichkeit in Bezug auf Marketer: lediglich 1,4% für die nächsten 20 Jahre. Einverstanden, wenn wir denn lernen, intelligente Technologie optimal mit unseren menschlichen Eigenschaften zu vereinen. Und? Wie weit sind Sie auf dieser Reise?

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