Maschinelles Lernen in der Produktion
- Ein Praxisbericht zum Einsatz Neuronaler Netze in der Fabrik
Grafik: Katrin Schaardt/Ahorner & Innovators GmbH 2019

Maschinelles Lernen in der Produktion - Ein Praxisbericht zum Einsatz Neuronaler Netze in der Fabrik

Neuronale Netze sind leistungsfähige Werkzeuge des Maschinellen Lernens, weil sich mit ihnen speziell in industriellen Umgebungen sehr präzise Datenmodelle erzeugen lassen (immer vorausgesetzt, es sind genügend Zeitreihendaten in ausreichender Qualität vorhanden). Damit lassen sich gewisse Aufgaben durch Softwareagenten automatisieren: 

  • Die Optimierung von bestimmten Zielgrößen in Fabrikprozessen (i. a. Menge, Zeit, Qualität und Kosten)
  • Die Überwachung oder Vorschau von Prozess- und Zustandsgrößen (z. B. Ausfälle oder Störungen)

Um mithilfe eines Neuronalen Netzes ein Anlagenmodell aufzustellen, bilden wir folgende Kategorien aus den Sensordaten aus dem Prozessleitsystem oder den dezentralen Steuerungen der Fabrik:

  • Zielgrößen: Die Größen oder KPIs, die optimiert werden sollen
  • Abhängige Größen: Diese Größen bilden sich in Abhängigkeit der regelbaren Größen und der Störgrößen und repräsentieren das Zeitverhalten der Prozesse
  • Unkontrollierbare Größen oder Störgrößen: Alle Größen, auf die man keinen Einfluss hat
  • Regelbare oder kontrollierbare Größen: Alle Sensoren, die sich in der Fabrik direkt beeinflussen lassen

Zusätzlich erfassen wir organisatorische Vorgaben, Erfahrung und Wissen aus dem Betrieb und die operative Logik der Fabrik als Randbedingungen und nehmen sie im Modell mit auf. Die Zielgrößen sind Outputgrößen, alle anderen Werte sind Inputgrößen. Konkret geht man nun in diesen Schritten vor: 

  • Das Neuronale Netz wird mit einem Teil historischer Daten trainiert (Offline-Learning). Das Modell bildet eine Formel, um bestimmte Output-Resultate aus den gegebenen Input-Daten zu berechnen.
  • Anschließend wird mit einem weiteren Teil der historischen Daten überprüft, wie gut das Neuronale Netz nun neue Output-Ergebnisse aus ihm bisher nicht bekannten Input-Daten selbstständig berechnen kann. 
  • Ist das Ziel eine Optimierung, wird zusätzlich ein Datenmodell gebildet, das für bestimmte, vorgegebene Outputgrößen die optimalen Regelgrößen errechnet. 
  • Danach kann das Datenmodell an die Anlage angeschlossen werden, damit es seinen Algorithmus mit aktuellen Betriebsdaten selbstständig und kontinuierlich anpassen kann (Online-Learning). 

Wie die Schritte genau funktionieren, habe ich in den früheren Artikeln bereits beschrieben, aber hier ist noch einmal eine kleine Zusammenfassung:

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Es hat sich bewährt, für die Durchführung zwei Phasen zu unterscheiden: Die Offline-Phase, in der mit historischen Daten gearbeitet wird, und die Online-Phase, in der das Modell implementiert und damit an die tatsächliche Datenwelt angeschlossen wird. In vielen Fabriken, speziell in der Chemie, liegen die relevanten Daten im Anlagenleitsystem vor. Datenvorverarbeitung macht heute noch bis zu 80 % der menschlichen Arbeit beim Erstellen des Datenmodells aus. 

Datenerfassung, Speicherung, Modellierung und Ausgabe und Visualisierung der Ergebnisse bilden dabei einen Digitalen Zwilling der Anlage. Da das Datenmodell für den Betrieb weniger Rechenaufwand als für das Training benötigt, könnte man zukünftig hybride Anwendungen herstellen, die tatsächlich als Edge betrieben und nur, wenn es erforderlich ist, an anderer Stelle trainiert und aktualisiert werden. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die missionskritische Schwelle, die einer „Echtzeit“- Berechnung und -Ausgabe der Ergebnisse entspricht.

Das Ganze hat natürlich, wie immer, ein paar Vor- und Nachteile:

Vorteile

  • Neuronale Netze liefern präzise Datenmodelle für Zeitreihenanalyse industrieller Prozesse und ermöglichen eine empirische Modellbildung von stark nicht-linearen und multivariaten Zusammenhängen.
  • Insbesondere Rekurrente Neuronale Netze ermöglichen es, dynamische Veränderungen und Rückkopplungen in der Fabrik gut abzubilden.
  • Die verfügbare Rechenleistung wird immer stärker, so dass Anwendungen und Verarbeitungszeiten auch on-premises in der Fabrik möglich sind und sich Betreiber nicht von Cloud-Lösungen abhängig machen müssen.

Nachteile

  • Neuronale Netze erfordern üblicherweise große Datenmengen. Teilweise sind bei geringerer Datenmenge statistische Verfahren bereits aussagekräftig, auch wenn sie zeitliche Zusammenhänge nicht immer gut abbilden.
  • Neuronale Netze erfordern einen Mindestaufwand an Zeit, Vor- und Nachbereitung sowie menschliche Expertise bei der Datenaufnahme und Parametrierung, bis das Datenmodell die realen Anlagenbedingungen gut abbildet. Statistische Verfahren liefern auch hier häufig schnellere, wenn auch teilweise weniger präzise und weniger vollständige Aussagen.
  • Die Hybrid-Methode, das eigentliche Datenmodell in der Anlage autonom als Edge-Lösung laufen zu lassen und das Training im Cloudbereich außerhalb davon vorzunehmen, befindet sich noch in der Erprobung

Wenn Ihr mir hier im In-Bereich Eure Erfahrung mit Neuronalen Netzen zur Anlagenoptimierung schreibt, kann ich versuchen, Eure Erlebnisse im nächsten Artikel für uns alle zusammenzufassen.

Bis dahin wünsche ich Euch weiterhin viel Erfolg beim Einsatz von KI in der Fabrik!

Engin Eser

Where B2B meets gaming | Trainings & Learning, Recruiting, Branding, eCommerce 👉 in Games | Microsoft Mesh | Microsoft365 Evangelist | MVP | AI | Cyber Security

5 Jahre

Finde ich richtig toll , genial einfach

Marius Stehling

Produktionsleiter | Production Manager @PALFINGER Group

5 Jahre

Danke für die praxisorientierten Insights, Markus!!

Herbert Schreib

Business Coach, Speaker, Spezialist für neurowissenschaftliche Erkenntnisse und Mindfulness für's Business, Wildwasser-Pro

5 Jahre

Cool, wie immer-Markus!!!

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