Materialwahl zum richtigen Zeitpunkt
Hersteller xy Bezeichnung abc123 – Sobald das Spritzgusswerkzeug hergestellt wird, sollte diese Information bekannt sein, aber nicht bereits bei der ersten Ideenskizze.
In welchem Stadium des Produktentwicklungsprozess entscheide ich, welches Material eingesetzt werden soll? Mit der ersten Ideenskizze sollte ich sicherlich nicht den spezifischen Kunststofftyp mit Herstellerbezeichnung definieren. Ich kann zu diesem Zeitpunkt sagen, ob ein besagtes Bauteil aus Holz, Metall, Stein oder Kunststoff hergestellt werden soll. Umgekehrt sollte ich es tunlichst vermeiden, kurz vor der Serienproduktion von Aluminium auf Kunststoff zu wechseln. Zu diesem Zeitpunkt und während der Live-Phase sollten keine Materialänderungen vorgenommen werden, ausser, ein zu spät erkanntes Problem lässt sich nicht anderweitig lösen. Zumindest die Fertigungstechnologie und der Rohstoff sollten identisch bleiben.
«Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend.»
First sketch
In der ersten Phase einer Produktentwicklung geht es darum, die Nutzerbedürfnisse und Randbedingungen kennen zu lernen. Aus der Analyse meines Projektumfelds erhalte ich wertvolle Informationen zum Anwendungsgebiet und den Anwendern, sowie den Umwelteinflüssen, welche auf das Produkt einwirken. Aus dem Business Case wird ersichtlich, welche Stückzahlen zu erwarten sind, was mir erlaubt eine erste Kostenschätzung zu machen. Abhängig von der Branche und der Art des Produkts gelten Normen und Richtlinien, welche bereits in dieser frühen Phase berücksichtigt werden sollten. Anhand der gesammelten Informationen kann ich eine grundlegende Materialwahl treffen und entscheide mich für Kunststoff.
Experience prototypes
Es gilt nun, passende Lösungen zu finden und diese zu verifizieren. Die Systemarchitektur wird definiert, Konzepte werden erstellt und anhand von Experience Prototypes und einfachen Funktionsmustern getestet. Gerade bei Kunststoffbauteilen, welche im Spritzguss hergestellt werden, ist das nicht ganz einfach. Die hohen Investitionskosten in ein Werkzeug, welches für die Herstellung einiger weniger Teile genutzt wird, lohnen sich nicht. Ich muss mich mit alternativen Materialien begnügen, welche im 3D-Druck eingesetzt werden oder als Halbzeuge erhältlich sind und spanend bearbeitet werden können. Mit den alternativen Materialien können nicht alle Bauteilfunktionen gleichzeitig abgebildet werden – die Auswahl bestimmter Kunststofftypen kann trotzdem verifiziert werden.
Verification & Validation
Die Materialwahl wurde in vorgängigen Gesprächen mit dem Materiallieferanten und dem Spritzgiesser diskutiert. Die Funktionsmuster haben gezeigt, dass die ausgewählten Materialien die richtigen sind. Jetzt ist es an der Zeit, Prototypen herzustellen, welche für die Verifikation und die Validierung eingesetzt werden können. Dazu müssen die Fertigungstechnologien und Materialien verwendet werden, wie sie auch in der Serie zur Anwendung kommen. Die Lieferanten für die Prototypenserie werden evaluiert und Offerten werden angefragt. Die spezifischen Materialtypen sollten jetzt definiert sein.
Production
Die Lieferkette steht, das Produkt ist validiert und wird jetzt verkauft. Es wird sich zeigen, ob das Produkt sich bewährt und die eingesetzten Materialien ihr Versprechen halten. Je nach Produkttyp und Branche ist es nicht immer einfach, alle Einflüsse richtig vorherzusagen. Wird es wie vorgesehen verwendet und entspricht der Einsatzort auch tatsächlich dem ursprünglich angedachten? Die zu erwartende Lebensdauer des Produkts hängt massgebend mit der Soll-Ist Situation zusammen. Im Falle eines Defekts ist eine Schadensanalyse oft aufschlussreich, ein Materialwechsel jedoch mit hohen Aufwänden und erneuten Investitionen verbunden. Wenn ein Materialwechsel unumgänglich ist, sollten die erneuten Ausgaben möglichst reduziert und zumindest der Kunststofftyp beibehalten werden. Lediglich der Grade kann jetzt noch gewechselt werden.
«Never touch a running system.»
Fazit: In der frühen Phase einer Produktentwicklung kann vieles ausprobiert werden. Es sollen verschiedene Materialien diskutiert werden, bevor das nächstbeste in Stein gemeisselt wird. Der finale Kunststoff (Herstellerbezeichnung) wird sorgfältig evaluiert und dessen Eignung mit dem Zulieferer und Spritzgiesser diskutiert. Sobald die Bauteilgeometrie im Werkzeugstahl verewigt ist und die ersten Teile fallen, ist ein Materialwechsel praktisch ausgeschlossen. Ganz nach dem Motto: "Never touch a running system."
PS: Lesen Sie auch Teil 1 "Auswahl des geeigneten Kunststoffs in der Produktentwicklung"
Engineering - Innovation - Transformation ¦ from idea to product ¦ Engagement Manager
4 JahreSebastian W. tolle Artikelserie, danke. Sehr spannendes Thema und du gibts einen guten Einblick in eine knifflige Disziplin.
Radical innovation enthusiast | Done it | Innovation management and consulting for companies who really want to break out of their known territory | Consulting beyond the press release | Loving husband and Proud dad :)
4 JahreGreat continuation of your first post.