Was wir von RWE lernen können: Mehrwerte aus dem Nichts?!

Was wir von RWE lernen können

Autor: Dr. Detlef Bleise;  Think2Move Consulting    November 2016

RWE bringt innogy an die Börse – ja und?

Woran haben Sie früher gedacht, wenn Sie an RWE dachten? Sicherlich haben die meisten nicht an Innovation und Börsenerfolge gedacht. Die öffentliche Meinung assoziierte mit RWE vor allem alte Industrien und rauchende Schlote ohne Zukunft. Weit gefehlt im doppelten Sinne! Am 7.10.2016 hat RWE die innogy mit großem Erfolg an die Börse gebracht und gezeigt, welche Werte in diesem Unternehmen stecken. Um konkret zu sein: Über 20 Milliarden Euro. Dieser größte Börsengang seit 16 Jahren ist aber auch gleichzeitig ein „Lehrstück über Mehrwerte aus dem Nichts!“ und zeigt auf, wie man innovativ sein kann, selbst, wenn die öffentliche Meinung das nicht so sieht. Deshalb „friert der Autor diesen Moment ein“.  

Um hier das Besondere deutlich zu machen, ein hoffentlich schnell überzeugender Vergleich …

Verblüffender Benchmark zwischen eon und RWE 

Ohne Geheimnisse zu verraten, kann jeder an der Börse anhand der Börsenkurse von eon und RWE miteinander vergleichen. Wir vergleichen die Marktkapitalisierungen vom 7.10.2016 mit denen vom 7.10.2015. Letztes Jahr hatte eon eine Marktkapitalisierung von ca. 20 Mia. € und RWE eine von ca. 8 Mia. €. Eon war eindeutig Branchenprimus.  In 2016 konnte eon die Tochtergesellschaft uniper an der Börse platzieren und RWE die innogy. Die Ergebnisse sind verblüffend!

Eon (12 Mia. €) und uniper (4 Mia. €) haben heute zusammen einen Börsenwert von 16 Mia. €.  Damit ergibt sich ein Börsenwertverlust von 4 Mia. € also minus 20 Prozent .

 Was würden Sie jetzt für RWE und innogy erwarten? Mit normalem linearem Denken erwarten wir scheinbar „selbstverständlich“ ähnliche Ergebnisse. Wenn wir aber die Börsenwerte von RWE ( 9 Mia. €) und innogy (20 Mia. €) addieren erhalten wir einen Börsenwert von 29 Mia. €.  Einen absoluten Börsenwertzuwachs von 21 Mia. € und einen Relativen von 260 Prozent! Ja, Sie haben richtig gelesen 260 Prozent. Das verblüffende Benchmark-Ergebnis:

                    RWE ist um  260% wertvoller geworden,
                    während eon 20% an Wert verloren hat!

 Ein entscheidende Gabelungspunkt: Der „Elefant“ wird aufgeteilt!

Auch wenn eon und RWE nicht gleich sind, so waren sie bisher doch sehr ähnlich. Beide waren als Energieversorger über 100 Jahre sehr erfolgreich. Beide haben Börsenwerte von ca. 100 Mia. € gesehen.  Die Deregulierung des Marktes, die Entscheidungen über den Ausstieg aus der Atomenergie in Kombination mit der politisch gewollten Reduktion der konventionellen Kohle- und Gaskraftwerke, die Bevorzugung alternativen Energieerzeuger, die aktuelle Diskussion über die hohen Rückstellungen für Endlagerungskosten und nicht zuletzt die fehlende oder zu langsame Anpassung an die neuen Rahmen-bedingungen in den Unternehmen selbst haben die Börsenwerte um 70 – 80 % einbrechen lassen.

Die Charakterisierung aus dem Börsenumfeld mit dem Adjektiv „halbtot“ war zwar nicht nett aber treffend. Wie könnte ein Ausbruch aus dieser existentiell kritischen Situation gelingen?  Sowohl eon wie auch RWE standen vor derselben Frage?

Zuerst glaubten beide an Aristoteles „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Beide versuchten als ein Ganzes die Herausforderungen zu meistern. Das Problem ist aber Folgendes. Stellen Sie sich einen Elefanten vor, der sich mit seinem Vorderteil nach vorne bewegen will (Aufbau) und mit seinem hinteren Teil rückwärts (Abbau).  Der Elefant geht entweder langsamer vorwärts oder rückwärts oder bleibt stehen. 

Wie konnte es dazu kommen? Beide Unternehmen sind für die damaligen Rahmenbedingungen als „vorangehende Elefanten“ konstruiert worden. Beide Unternehmen erkannten, dass sie die bisherige ganze Einheit „Elefant“ in eine „Rückbau-Einheit“ und in eine „Aufbau-Einheit“ aufteilen müssen, damit jede Einheit gezielt ihren Weg verfolgen kann.

        Die „Elefantenaufteilung“ ist der entscheidende Gabelungspunkt.

 Wieso entsteht aber ein Mehrwert aus dem Nichts?

Mathematisch gesehen entsteht aus dem Aufteilen eines Ganzen in zwei Teile Nichts! Wieso entsteht dann aber aus dem mathematischen Nichts trotzdem ein Mehrwert? Das klingt paradox. Aus der Chaostheorie kennen Sie den Hinweis, dass ein Schmetterlings-schlag das Wetter dramatisch ändern kann. Selbst leichte Veränderungen der Anfangsbedingungen können zu dramatischen Veränderungen des Ergebnisses führen. Was ist jetzt aber der Unterschied zwischen eon und RWE? Ganz einfach ausgedrückt: Nach dem Gabelungs-punkt „Elefantenaufteilung“ hat eon die Rückbaueinheit (uniper) und RWE hat die Aufbaueinheit (innogy) an die Börse gebracht! Spüren Sie den Schmetterlingsschlag? Spüren Sie den Unterschied?

Wenn der Unterschied nicht in der Mathematik liegt? Wo liegt er dann? Liegt er in der Physik! Die tatsächlichen technischen Anlagen haben sich physikalisch kaum geändert.

Die Lösung des Rätsels liegt in der Psychologie und wird uns von Daniel Kahneman geliefert, der für seine „neue Erwartungstheorie“ 2002 einen Nobelpreis erhielt. Entgegen der zuvor einhelligen Meinung verhält sich der Mensch eben nicht wie „Mr. Spock“ also rein logisch. Vielmehr „fürchten Menschen Verluste mehr, als sie Gewinne begrüßen“. Dieses asymmetrische Verhalten führt in unserem Fall dazu, dass der befürchtete Verlust durch die Gründung einer Rückbaueinheit zu deutlichen Verkäufen der Stammaktie führt. Wer will Aktien besitzen, die den Rückbau mit all seinen Risiken in den medialen Fokus rücken? Die Antwort hat die Börse gegeben. Dagegen kommuniziert RWE Wachstum, Nachhaltigkeit und Innovation mit einer innogy, die ein EBITDA von ca. 4,5 Mia. € aufweist und dem Investor 70 – 80 % des Ergebnisses verspricht.  Strategisch liegt hier eine win win- Situation vor. Der Investor erhält ein gutes Investment, die Gesellschaft eine zukunftsorientierte innogy und RWE profitiert als Eigentümer.

Das Ergebnis – eine Marktkapitalisierung von 20 Mia. € - ist jetzt an der Börse amtlich.  

Was können Sie daraus lernen?

Einstein hat einmal gesagt: „Gott kümmert sich nicht um unsere mathematischen Schwierigkeiten. Er integriert empirisch.“

Aus unserem Fall lernen wir, was auch Sie angeht:

  1. Es ist eben nicht nur die Mathematik oder die Technik oder die BWL allein, sondern erst die Integration empirischer Erkenntnisse aus vielen Disziplinen, die Mehrwerte scheinbar aus dem Nichts schaffen.
  2. Der Erfolgsschlüssel liegt in einem „Mehr an Sinn“ aus der Perspektive der Gesellschaft, der Kunden und des eigenen Unternehmens. Auch der Sinn Ihres Unternehmens hat eine Haltbarkeitsdauer. Allerdings ist dieses Datum nicht sichtbar angebracht. Sie müssen es selbst herausfinden.
  3. Elefanten mit innerlich konkurrierenden Sinninhalten werden auch durch die Digitalisierung nicht entscheidend besser.
  4. Notwendige Erkenntnisse entstehen nicht nur aus moderner Technik sondern durch die Königsdisziplin des Menschen. Nein, nicht Fußball, sondern das Denken selbst.

 … und zum Schluss

 Vielen Dank und Chapeau RWE für dieses „Lehrstück für Mehrwerte aus dem Nichts“.

 … Mehrwerte als systematischer Ansatz

RWE hat aber übrigens für seine Zukunftsfähigkeit durch Mehrwertgenerierung mehr getan als „nur“ einen erfolgreichen Börsengang. Auch in der Organisation selbst setzte man frühzeitig auf neue Mehrwerte durch ein integriertes Neudenken des eigenen Geschäftsmodells. Das sei an anderer Stelle in der Zukunft ein Thema!

Dieter W. Baumert

OWNER / Inhaber und Chefberater bei BAUMERT Management Consulting International (BMCI) Berater, Unternehmer und Kunden

8 Jahre

Das ist eine unerwartete erstaunliche Betrachtung wie Mehrwerte entstehen können - und das ist überall möglich, das muss man sich einmal vorstellen können, kann aber nicht jeder !!!

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