"Mindset" oder Führungskultur?

"Mindset" oder Führungskultur?

Kommt es im Beruf nur auf das „Mindset“ an? Wie wichtig ist die Einstellung für den beruflichen Erfolg und die Zusammenarbeit im Team?

Auf der einen Seite lesen wir hier auf LinkedIn immer wieder, wie wichtig das „richtige #Mindset“ sei. Unternehmen müssen demnach darauf achten, die Menschen mit der passenden Einstellung einzustellen – dann werden sie auch Erfolg haben. Und wenn der sich nicht gleich einstellt, dann kann ein Coaching helfen, um das Mindset zu formen.

Sind die Strukturen wichtiger als die Persönlichkeit?

Autoren aus der systemischen Organisationsberatung sehen das anders. Sie bewerten die Einstellung als deutlich weniger wichtig. Einstellung ist für sie ein Merkmal der Psyche eines Individuums – und damit für Unternehmen ohnehin weder sichtbar noch steuerbar. Organisationen sollen sich demnach lieber darauf konzentrieren, die Kommunikationsstrukturen und Führungspraxis so zu gestalten, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Im Fokus dieser Schule steht die Rolle, weniger die Person. Die Zusammenarbeit sollte unabhängig von der Persönlichkeit der einzelnen Akteure funktionieren.

Diese Sicht finden wir vor allem bei Judith Muster (und anderen) in ihrem Buch „Die Humanisierung der Organisation.“ Hier heißt es schon im Untertitel: „Wie man dem Menschen gerecht wird, indem man den Großteil seines Wesens ignoriert“. Die Autoren fordern, die Persönlichkeit aus den Überlegungen zur Organisation weitestgehend auszublenden. Und sie tun das, um die Menschen in der Organisation vor deren Übergriffigkeit zu schützen. Ähnlich argumentiert auch Christina Grubendorfer in ihrem Buch „The Real Book of Work“.

Psychologie oder Soziologie?

Welche dieser Sichten hilft uns nun bei Führung und Personalsuche?

Die Psychologie sagt uns, dass das Verhalten von Menschen von beiden Faktoren geprägt ist: den persönlichen Dispositionen wie Fähigkeiten, Einstellungen und Motivation und den Bedingungen im sozialen Umfeld. Uwe P. Prof. Dr. Kanning hat es in einem Vortrag auf ein eingängiges Bild gebracht: „Nicht Gelegenheit macht Diebe, sondern Diebe nutzen Gelegenheiten.“

Ich teile die Ansicht der systemischen Organisationsberater (ich bin ja selbst einer), dass die Arbeit an den Bedingungen der Organisation den größten Hebel für den dauerhaften Erfolg des Unternehmens bietet. Wir sollten uns also vorrangig um Kommunikationsstrukturen, Entscheidungswege und die Führungspraxis kümmern.

Blick auf die Persönlichkeit lohnt

Dennoch empfehle ich, bei Personaleinstellungen und Personalentwicklung einen Blick auf die Dispositionen der Persönlichkeiten zu investieren. Es hilft nach meiner Erfahrung, wenn Menschen in einem Umfeld arbeiten, wo ihre individuellen Motivatoren angesprochen und gefördert werden.

Für den Einstellungsprozess bedeutet das: Die Leitfrage ist nicht: „Hat diese Person das richtige Mindset für unser Team?“ Sie lautet vielmehr: „Kann sich diese Person im Rahmen unseres Unternehmens auf Dauer gut entwickeln? Oder bringt sie Dispositionen mit, die wir hier nicht bedienen können (oder wollen)?“

Welche Motivatoren können (wollen) wir bedienen?

Für diese Leitfrage ist es wichtig, sich mit den Motivatoren zu beschäftigen und ein Verständnis zu entwickeln, welche Motivationen in der gelebten Führungskultur förderlich sind oder nicht bedient werden können.

Der Blick auf die Persönlichkeit von interessierten Personen minimiert das Risiko unzufriedener Mitarbeitenden und schneller Fluktuation. Organisations- und Führungsentwicklung machen das Unternehmen darüber hinaus unabhängiger von Persönlichkeiten und damit auch resilienter gegen die Herausforderungen von größerer Diversität.

Persönlichkeitsbeschreibungen sinnvoll einsetzen

Wie Sie Fragebögen zur Persönlichkeitsbeschreibung im Einstellungsverfahren sinnvoll einsetzen, um mehr über die Motivation und Einstellung von interessierten Personen zu erfahren, lesen Sie in meinem Blog-Artikel zur Personalauswahl.


Making Teams Work

Ich bin Rainer Feldbrügge. Als Organisationsberater geht es mir darum, die Zusammenarbeit in den Arbeitsteams zu verbessern. Dazu schaue ich mit Ihnen auf Ihre Prozesse, die Führungskultur und die Strukturen. Abonnieren Sie meinen Newsletter, um immer als Erste von Impulsen aus meiner Arbeit zu profitieren.

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Peter Bormann

Senior Business Process Analyst / Automation & AI aficionado @ WAITS GmbH

1 Jahr

Lieber Rainer Feldbrügge, wer nach "Mindset" fragt, will diesen idR ändern. Das funktioniert direkt nach meiner langjährigen Coachingerfahrung gar nicht - und auch die Anhänger:innen der Common-Sense-Ansicht, dass man nur etwas "motivieren" oder darüber "reden" müsse, laufen idR komplett ins Leere. Letztlich läuft es dann doch auf die soziale Dimension hinaus: 1) Werte 2) Vorbildfunktion von Vorgesetzten / Chefs, deren Handeln beobachtet wird 3) Kontextsteuerung 4) Erwartungen Individuell geht es dann weniger um "Einstellungen" als um "Habits", die den Einstellungen zugrunde liegen. Nur: Wie viele Leute wissen, wie man sich *effektiv* neue Habits zulegt? Nach meiner Erfahrung sind das nicht so viele :-)

Christina Grubendorfer

CEO becomebetter GmbH | Bestseller-Autorin 🙏 | Speakerin 🎤 | Organisationsberaterin | Lehrtrainerin für Systemisches ♥️ Wir bauen mit Ihnen zukunftsfähige Führungs- und Zusammenarbeitsstrukturen.

1 Jahr

Lieber Rainer Feldbrügge, wie immer macht der Kontext die Musik. Und was wichtiger ist, ob Mindset oder Führungsstruktur, lässt sich nur sagen in Bezug auf eine konkrete Fragestellung. Für die Rekrutierung ist es in jedem Fall eine gute Idee, auf Motivationen zu schauen, sofern man in der Lage ist, diese zu „erkennen“ …

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