Mit Mut und Grips nachhaltige Potenziale nutzen

Mit Mut und Grips nachhaltige Potenziale nutzen

Pressekonferenz 2xJA Schaffhausen: 11.5.2021, 09.30 Uhr

Sehr geehrte Medienschaffende, liebe Anwesende

Mich stört in der ganzen Diskussion um die Agrarinitiativen, dass der veränderungsresistente Bauernverband den Bauern die Äste absägt und mit dem Finger auf Hobbygärtner und die Humanmedizin zeigt. Seit Jahrzehnten scheint nur ein Wort die Reformkraft des Bauernverbandes zu dominieren: NEIN. Aktuell sogar 2xNein. Meine Damen und Herren, so kommen wir nicht weiter.

Mir scheint es, dass die Landwirtschaft gefangen ist. Gefangen in überholten Denkmustern. Produktpreise sinken, der Markt wird anspruchsvoller, es droht das Ausland mit billigen Preisen. Der Gesetzgeber fordert immer mehr Nachweise und die Bürokratie steigt. Die Konsumenten fordern makellose Produkte. Der Preisdruck und die Marktveränderungen habe viele Bauern dazu gezwungen, ihre Betriebe zu vergrössern. Auf mehr Tiere und «problematische» Kulturen zu setzen. Trotz vieler Nachteile ist Pouletfleisch beliebt, es wurde viel Geld investiert. Zum Beispiel in Masthallen, mit bis zu 20'000 Mastpoulets. Und jetzt kommen zwei Volksinitiativen, die aus Sicht des Bauernstandes nochmals alles über den Haufen werfen. Logisch riecht es nach Maurers Logik «Kä Luscht», das kommt sehr gut zum Ausdruck im Abstimmungskampf. Die Bäuerinnen und Bauern haben Angst, um ihre Existenz, oder der Bauernverband hat Angst um Kontrollverlust.

Statt alles zu blockieren, sollte der Bauernstand besser die Chancen sehen, die sich durch eine Umstellung auf eine biologisch basierte Bewirtschaftung ergeben. Vision Landwirtschaft, ein Netzwerk von unabhängigen Landwirten, schreibt auf Ihrer Webseite: «Die Grenzen des Pestizideinsatzes sind erreicht. Nun ist neues Unternehmertum gefragt». Genau das braucht es! Bei uns gibt es viele innovative Menschen, denen wir mit ihren Ideen zum Durchbruch verhelfen müssen. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass die Fleischproduktion nicht nur hinsichtlich Überdüngung und Futtermittelimporte, sondern auch für das Klima problematisch ist, warum setzt man nicht voll auf die Produktion von proteinhaltigen pflanzlichen Lebensmitteln. «Wir pflanzen unser Fleisch, anstatt es zu schlachten. Dazu verwenden wir nur auserlesene, 100% natürliche Zutaten», schreibt Planted Foods AG auf ihrer Webseite. Die Konsumenten begrüssen diese Produkte und bei McDonalds gibt es Veggie. Seitens Lebensmittelindustrie zeichnet sich ein klarer Trend zur Produktion pflanzlich basierter, proteinreicher Produkte für die menschliche Ernährung ab. Schweizer Bio-Speisesoja wird erfolgreich angebaut und einige Landwirte konnten innerhalb kurzer Zeit die Produktion der nahrhaften Wunderpflanze massiv steigern. Es gibt aber auch neuere Produktentwicklungen auf der Basis von Erbsen und weiteren Eiweisspflanzen. Oder basierend auf Insekten. Das Zürcher Start-up Unternehmen Essento stellt mit verschiedenen Zutaten geschmacklich variierende Insektenprodukte, darunter Burger und verschiedene Power-Riegel, her.

Auch technologisch gibt es noch einige Potenziale. Für die Herstellung von obengenannten pflanzlichen Lebensmitteln braucht es Maschinen. Die ersten PlantedChicken entstanden auf Maschinen des Ostschweizer Unternehmens Bühler. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft verspricht einen gewaltigen Effizienzgewinn, aus Weniger Mehr machen und dabei die Natur und andere Ressourcen bestmöglich schonen. Zum Beispiel beim punktgenauen und differenzierten Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Digitalisierung bietet auch die Möglichkeit neuer Geschäftsmodelle und Vermarktungsmöglichkeiten und eine Individualisierung des Angebots. Satelliten- und drohnengestützte Systeme für das Monitoring von Biodiversität. Man könnte zusätzlich Landwirtschaftsflächen mit Solarpanels überdachen. Durch die Kombination von Ackerbau und Solaranlagen auf der gleichen Fläche steigt die Landnutzungseffizienz, da gleichzeitig Lebensmittel und Energie erzeugt werden. Das erhöht auch die Wirtschaftlichkeit der Flächen, wovon insbesondere landwirtschaftliche Betriebe profitieren können.

Aber auch im Bereich der biologischen Pflanzenschutzmittel wird viel entwickelt. Ein kanadisches Unternehmen hat ein natürliches Produkt zur Bekämpfung von Schimmelpilzen auf den Markt gebracht und erfolgreich für Erdbeeren und Trauben getestet. Biobauern setzen auf biologischen Pflanzenschutz. Sie tüfteln, dokumentieren, arbeiten mit Hochschulen zusammen, versuchen die Zusammenhänge der Natur besser zu verstehen. Stecken Rückschl.ge ein, machen Fortschritte. Das ist Unternehmertum, das brauchen wir. Vorreiter, Visionäre, Macher. Stellen Sie sich vor, wenn die Schweiz unzählige innovative Produkte, Maschinen und Verfahren in alle Teile der Welt exportieren kann? Auch andere Länder haben Probleme mit ihren Böden und dem Wasser, da könnten wir mit unserem Erfindergeist helfen, und neue Einnahmen generieren.

Für den Bauernverband passt ein Sprichwort von Ghandi: «Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.»

Ich bin überzeugt, dass wir mit 2xJA einen dringend notwendigen Richtungswechsel einleiten. Nutzen wir nachhaltige Potenziale in der Landwirtschaft. Mit Mut und Grips.

Marco Rüegg, Dipl. Ing. HTL, Unternehmer aus Gachnang. Kantonsrat Grünliberale Thurgau

Erich Renggli

Menschen_Innovationen

3 Jahre

Grundsätzlich bin ich damit einverstanden, konsequenter Weise müssten für alle Importe, auch die privaten, dieselben Regeln gelten. Dann bin ich zu 100% dabei. Für das ist aber unsere Politik zu schwach.

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