Mythos "Wilde Hefen"​

Mythos "Wilde Hefen"

Auch ich bin der Versuchung erlegen und habe besseren Wissens zum Trotz mit wilden Hefen Backversuche gemacht. Denn durch den Hefemangel in den letzten zwei Jahren beflügelt wird das Thema immer wieder vornehmlich in sozialen Medien und manchen Zeitschriften aufgegriffen.

 

Schmunzeln musste ich erst kürzlich, als ich ein Video eines bekannten Back-Bloggers sah, in dem er Croissants mit wilden Hefen herstellte. Hefe ist zwar eine Zutat für den Hefegrundteig von Croissants, jedoch kommt die zartsplittrige Krume und somit in wesentlichen die Lockerung vor allem durch das eintouren (einziehen) von Fett. So kann man leicht „Mängel“ bei der Lockerung mit wilden Hefen wett machen!

 

Wobei mir das Arbeiten mit wilden Hefen nicht ganz neu ist. Vor einigen Jahren konnte ich in einer japanischen Bäckerei in Frankfurt erstmals sehen, wie dort Baguette mit wilden Hefen bzw. Hefewasser gelockert wurden. Vergleichbar mit Baguette wie wir sie kennen, sind dies allerdings nicht. Auch die Endgärzeit mit über 24 Stunden lässt sich nicht einfach in jeden Betrieb umsetzen.

 

Also hinterfragen wir mal genau das Thema: Hefen sind in unserer Umwelt allgegenwärtig. Es sind einzellige Pilze. Ihre Fähigkeit, unter Gasbildung Zucker zu Alkohol abzubauen, machte man sich schon vor langer Zeit zunutze, zum Beispiel um Bier herzustellen. Erst in den letzten rund 150 Jahren wurden Hefestämme an die jeweilige Anwendung (Backhefe, Weinhefe, Bierhefe ..) angepasst und entsprechende Kulturhefen als Reinkulturen gezüchtet. Luis Pasteur war 1857 hier der „Erfinder“. Heute betreiben die Hefehersteller einen enormen Aufwand, um die Reinkulturen in Fermentern entsprechend zu vermehren. Nur so kann eine gleichbleibende Hefequalität sichergestellt werden.

 

Bei der Herstellung von wilden Hefen bzw. Hefewasser lässt sich kaum vorhersagen, welche Hefestämme gezüchtet werden. Hier dominiert das Prinzip Zufall. Das zeigt auch eine Untersuchung des CVUA – Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe.  In keinem der Ansätze ließen sich zwar Krankheitserreger nachweisen und alle Ergebnisse der direkt nach Herstellung durchgeführten mikrobiologischen Untersuchungen waren unauffällig. In der überwiegenden Zahl der Ansätze mit Früchten (meist werden Trockenfrüchte empfohlen) war nach der Standzeit jedoch eine hohe bis sehr hohe Zahl an Verderbniserregern vorhanden. Dies führte dazu, dass diese Ansätze spätestens bei Ablauf der Standzeit nicht mehr verwendbar waren. Die Menge an erzeugter Backhefe reichte in rund 50 Prozent der Versuche zwar aus.

 

Die Wissenschaftler kamen zum Schluss, dass sich auch bei regelmäßigem Schütteln die Bildung von Schimmelpilzen und anderen Verderbniserregern nicht sicher vermeiden lässt. Wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Das Risiko ist hier größer als ein möglicher Vorteil. Wobei man toll über wilde Hefen berichten könnte. Wir bleiben lieber bei der Verwendung von BioHefe und setzen nur geringe Mengen für reproduzierbare Langzeitführungen ein – und berichten darüber!

Paola Rentsch

Managing Editor at Check Up Back.Business

2 Jahre

Vielen Dank für diesen interessanten Exkurs

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