Nachlese zur Hannover Messe 2019

Nachlese zur Hannover Messe 2019

KI in der Industrie

Künstliche Intelligenz - Integrated Automation, Motion & Drives

Schon das Leitthema der diesjährigen Hannover Messe „Integrated Industry - Industrial Intelligence“ verrät, welches Entwicklungspotential die Messeveranstalter der künstlichen Intelligenz in der Industrie beimessen. Etwas deutlicher wird der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Messe, Dr. Jochen Köckler: "Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Industrie und Energiewirtschaft zu revolutionieren". Die Notwendigkeit zur Digitalisierung und Automatisierung der Fertigungsindustrie stellt kaum noch jemand in Frage. Aber erst die Vernetzung aller an der Fertigung beteiligten Maschinen zu durchgängigen Prozessen schafft die relevante Datenbasis für eine intelligente Automation auf Basis von Anwendungen wie Machine Learning, Robotic Prozess Automation oder dem „Digitalen Zwilling“.

Besonders sogenannte „schwache“ KI- Anwendungen finden verstärkt ihren Weg in die Industrie. Anwendungsfelder sind beispielsweise Algorithmen zur Auswertung großer Datenmengen, die Entscheidungen im Verlauf der Wertschöpfungskette durch das Erkennen von Mustern und Gesetzmäßigkeiten in Massendaten unterstützen und autonom Handlungsoptionen vorschlagen. Somit können Prozessabläufe optimiert, der Energieverbrauch reduziert, Störungen oder Produktionsausfälle vermieden bzw. die Qualität gesteigert werden.

Einen weiteren vielversprechenden Anwendungsbereich für KI bildet die Mensch-Maschine-Kooperation. Das Potential dieses Marktsegments wird auch durch den Eintritt neuer Player (auch aus Deutschland) belegt, die erstmals ihre Lösungen bei Manipulatoren, Werkzeugen oder autonomen Fahrzeugen präsentieren. Die ausgestellten Lösungen demonstrieren eine integrierte KI, die individuelle Anwenderprofile erkennen, die Schnittstellen zur Maschine durch Sprachsteuerung bedienerfreundlicher gestalten oder den Anlernprozess vereinfachen können. Bei letzterem bringt der Mensch der Maschine bei, zweckdienlich und zielorientiert zu handeln. Beim ‚Reinforcement Learning’ werden beispielsweise Cobots trainiert, indem sie Abläufe und Strategien zum Erreichen einer Zielvorgabe ausprobieren und vom Menschen dazu Rückmeldung erhalten.

In Kombination mit der Robotik zeigen KI-Lösungen beim Tischtennis- oder Tischfußballspiel, dass sie auch auf unvorhersehbare Aktionen blitzschnell reagieren können. Die Maschine „antizipiert“ Bewegungsabläufe des Menschen und interagiert somit mit ihm. Diese Fähigkeiten sind besonders dann wichtig, wenn Menschen und Maschinen gemeinsam arbeiten und der Schutz und die Unversehrtheit des Menschen gewährleistet werden muss.

Die großen Softwarehersteller waren schon in den vergangenen Jahren als Aussteller, eigenständig oder in Kooperation mit Hardwareanbietern, vertreten. In diesem Jahr waren nun auch weitere Softwareanbieter zu verzeichnen, die ihr Tätigkeitsfeld auf die Industrie ausdehnen wollen. Als branchenübergreifendes Konvergenzthema können die Erfahrungen aus anderen Branchen die Entwicklungen in der Industrie beschleunigen und so der KI noch schneller zum Durchbruch verhelfen.

Ich gehe übrigens fest davon aus, dass die Veranstalter der Messe bei der Wahl des Slogans „Industrial Intelligence“ nicht die Industriespionage gemeint haben – wobei wir damit bei einem ebenso bedeutenden Thema in Zusammenhang mit den neuen Technologien wären: Sicherheit und Standards. Denn in diesen Themenfeldern sehe ich noch besonders große Herausforderungen für die Lösungsanbieter. Im Hinblick auf Sicherheit und Schnittstellen, aber auch bei Standards und Normen befinden sich die Akteure der KI-Disziplinen noch in der Anfangsphase. In einem globalisierten Branchenumfeld, geprägt durch individuelles Know-how und sensible Daten, braucht es schnell international verbindliche Regeln und Protokolle.


Infrastruktur für die Industrie 4.0-Vision – 5G und Security

Breitbandlösungen und Netztechnologien – Digital Factory

Cloud-Dienste, Internet of Things, vernetzte autonome Systeme, Industrie 4.0 aber auch neue Geschäftsmodelle und Services sind abhängig von einer schnellen und sicheren Datenübertragung – oder werden dadurch erst ermöglicht.

Auf der Hannover Messe 2019 wurde in der 5G Arena eigens ein echtes 5G Testbed eingerichtet, in dem veranschaulicht wurde, wo und wie Produkte und Lösungen der neuen Mobilfunkgeneration künftig in Fabriken eingesetzt werden können.

Die Vorteile des neuen Mobilfunkstandards 5G sprechen für sich - der 4G- bzw. LTE-Nachfolger soll eine wesentlich bessere Datenübertragungsrate (bis 10 Gbit/s statt 1Gbit bei 4G) bieten und weniger Strom verbrauchen bei kaum merklichen Latenzzeiten. Bedenkt man jedoch, dass sich in der Vision der Industrie 4.0 alle am Fertigungsprozess beteiligten Systeme im ständigen Austausch befinden, zeichnet sich ein exponentiell steigender Datenverkehr ab. Hinzu kommen wachsende Anforderungen an die Datenübertragungsgeschwindigkeit, die für Echtzeit-Anwendungen in der „Fabrik der Zukunft“ notwendig sind. Der ultraschnelle Mobilfunkstandard 5G scheint auch ein Segen für den wachsenden Datenbedarf von Analysesoftware (Big Data & Analytics), Kommunikationstechnologien (UHD, VR/AR) oder Anwendungen wie die Fernwartung (z.B. Augmented Reality Maintenance) zu sein

Zudem soll der neue Mobilfunkstandard mehr Sicherheit versprechen. Allerdings stimmt mich die zunehmende Komplexität der neuen 5G-Netzwerkarchitekturen, die aus einer Vielzahl von Technologien und ihrem Zusammenspiel besteht, skeptisch. Neue Sicherheitsprotokolle müssen etabliert und weiterentwickelt werden, um eine hoch-verlässliche Datenübertragung und Schutz vor ungewollten, externen Eingriffen (z.B. Cyberkriminelle) zu bieten.

In Deutschland hat die Versteigerung der 5G-Lizenzen Anfang April 2019 begonnen und ist zum Zeitpunkt der Artikelerstellung noch nicht abgeschlossen. Im Anschluss findet eine Vergabe von lokalen Frequenzen für industrielle Anwender statt. Ab 2020 soll der neue Standard Realität werden, erste Pilotprojekte wurden bereits 2018 gestartet.

Die Qualität und ganz besonders die Sicherheit der Datenübertragung werden zu zentralen Erfolgsfaktoren.

Alles im Blick

Monitoring & Visualisierung - Integrated Automation, Motion & Drives / Integrated Energy

In den Hallen der beiden Leitmessen „Integrated Automation, Motion & Drives“ (IAMD) und „Integrated Energy“ wurde der Mehrwert der Digitalisierung sehr anschaulich verdeutlicht. Kaum ein Hardware-Anbieter, der nicht auch eine Softwarelösung anbietet. Nun, das ist generell nicht neu – schon seit Jahren geht der Trend zu einem höheren Wertanteil der Software in der Fertigungsindustrie. Waren in der Vergangenheit jedoch die Programme in erster Linie zur Programmierung und Steuerung der Devices gedacht, dominieren mittlerweile Lösungen, die es erlauben, Prozesse in Echtzeit zu überwachen, anzupassen und damit zu optimieren. Einige Lösungen ermöglichen den Energieverbrauch zu managen, Lastverläufe zu glätten und „Peak Loads“ zu kappen.

Lösungen aus dem Condition Monitoring, überwachen und analysieren die Geräte fortlaufend, geben Vorhersagen zum Wartungsbedarf (Predictive Maintenance) und erstellen autonom Servicepläne. Da die gesammelten Datenmengen schon lange die menschlichen Fähigkeiten übersteigen, diese zu verarbeiten, werden auch für diese Herausforderung immer mehr Lösungen angeboten. Data-Analytics Tools helfen bei der Auswertung der Daten und ihrer Interpretation.

Die Erkenntnisse werden visualisiert, Abweichungen vom Idealzustand aufgezeigt und Eingriffsmöglichkeiten vorgeschlagen. Ob auf raumfüllenden Kontrollständen mit zahlreichen Monitoren, VR-Brillen, kompakten Dashboards oder auf mobilen Tabletts – je nach Bedarf und Komplexität der Prozesse sind auf der Hannover Messe Angebote zu finden. Dabei sind die Menüführungen und Navigationsgestaltungen immer intuitiver zu bedienen und bieten zudem Self-Service BI-Optionen. Die ausgestellten Monitoring- und Visualisierungslösungen ermöglichen es den Unternehmen, ihre Prozesse immer effektiver im Blick zu behalten

Harald v. Heynitz ist Partner, Audit und Head of Industrial Manufacturing bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG

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