Natürliche Geburt - Der Weg der Schamanin

Natürliche Geburt - Der Weg der Schamanin

Kapitel 1

Als Amelie schwanger wurde, rief sie Herrn Narajan an. Unseren einzigartigen Lehrer aus der 10. Klasse, der jeden von uns damals so entscheidend geprägt hatte. Sie dachte: wenn ein Mensch mir helfen kann, dann er.

Dieses besondere Schuljahr war viele Jahre her, doch wir fühlten uns immer noch tief mit ihm verbunden. Riefen ihn immer mal wieder an, wenn das Leben uns vor kleine oder größere Herausforderungen stellte. 

Er freute sich jedes Mal wie ein kleines Kind. Den auch für ihn war dieses eine Jahr an einer Schule ein ganz besonderes gewesen. Er liebte es unsere Lebensgeschichten mit zu verfolgen. Herr Narajan war Kinderarzt, Wissenschaftler, Baumeister, Lehrer, Mentor und so vieles mehr. Doch sicherlich kein Geburtshelfer.


Amelie freute sich unbändig auf ihr erstes Kind. Sie hatte so lange darauf gewartet. War ja tagtäglich von so vielen Kindern in ihrem Kindergarten umgeben. Doch ein eigenes Kind stellte sie sich noch viel schöner vor. Immer wieder betrachtete sie ein wenig neidisch die unendlich innige Beziehung zwischen Mutter und Kind. Immer wieder. Morgens beim abgeben. Nachmittags beim abholen. Diese Vertrautheit.

Sie stellte sich in unzähligen Momenten vor sie ihr Kind in den Armen wiegen, lieben und verehren würde. Doch das Leben hatte ihr lange diesen Herzenswunsch verwehrt. Nun endlich war es soweit. Sie war schwanger.

Doch zu dem tiefen Glück und der Vorfreude gesellte sich nun auch ein mulmiges Gefühl. Sie hatte schon so viel über die Schwangerschaft gehört. Wie würde sie bei ihr werden? Die Übelkeit … Würde das Kind sich auch richtig entwickeln? Vollständig? So viele Fragen die auf einmal relevant wurden. Und dann natürlich die Geburt. Sie sah ihr mit ein wenig gemischten Gefühlen entgegen. 

So rief sie Herrn Narajan an. Er war zwar kein Geburtshelfer. Aber er hatte sicherlich einen Rat für sie. Herr Narajan hörte sich geduldig die Geschichte von Amelie an. Ihre Sorgen und Freude. Dann wiegte er nachdenklich den Kopf. Vor viele Jahren hatte er diese besondere Frau kennengelernt. Eine Schamanin mit uraltem Wissen. Sie war voller Rätsel. 

Sollte er sie anrufen? Könnte sie Amelie weiterhelfen? Würde Amelie ihren Rat annehmen?Er wollte es versuchen.


Reema, die Schamanin. Herr Narajan begegnete ihr nicht etwa in Hawaii, den Anden oder der Taiga. Nein, er traf sie in der Schweiz. In einem kleinen Ort namens Cham. Cham wie schamanisch? Wer weiss das schon.

Reema hatte viele Leben gelebt. In diesem leitete sie ein Geburtszentrum. Es lag ein wenig versteckt am Berg. Ein Ort der Ruhe und Kraft, getränkt von der Aura Reema’s, eine fast heilige Aura. Sie strahlte tiefe Ruhe aus. Fast jede Frau wurde schon bei der ersten Begegnung in ihren Bann gezogen. Die Ruhe übertrug sich. Genauso wie tiefes Vertrauen. Vertrauen in die weiblichen Kräfte, in den Prozess der Menschwerdung und die Magie des Gebärens. 

Herr Narajan griff zum Telefonhörer. Reema erwartete seinen Anruf. Trotz jahrelanger Pause spürte sie dass die Zeit reif war für den nächsten Kontakt. 


„Sie nimmt nicht jede Frau auf. Ihre Kriterien kenne ich nicht. Sie spricht einfach von Energie, mehr verrät sie nicht. Sei authentisch. Sie durchschaut dich sowieso.“ sagte Herr Narajan zu Amelie.

Als Amelie das Geburtszentrum betrat, empfing sie eine ruhige, sanfte Atmosphäre. Reema begegnete ihr auf eine sanfte, ruhige Art als würde sie sie sofort in ihr Herz schließen. Amelie fühlte sich unendlich geborgen. Diese Frau erinnerte sie an jemanden. Nur wen?

Amelie begann ihre Geschichte zu erzählen. Reema hörte ihr aufmerksam zu und schaute ihr tief in die Augen als blicke sie bis auf den Grund ihrer Seele. Dann ein kurzes Nicken, ein wohlwollendes Lächeln. Und Amelie war aufgenommen, in den fast heiligen Bund der gebärenden Frauen. Reema war keine Frau der großen Worte. Ihre Anwesenheit schien zu genügen um die Dinge zu verändern. 

Amelie war erst in der 8. SSW. War sie in einem „Geburtszentrum“ überhaupt richtig? Ihre Geburt war doch noch so weit entfernt. Die Frage stand ihr wohl in den Augen, denn Reema lächelte sie wohlwollend an. „Es ist wunderbar, dass du jetzt schon hier bist. Denn die Reise deines Babys beginnt jetzt. Die nächsten 32 Wochen werden prägend für sein Leben sein. Und du kannst entscheidend dazu beitragen.

Schau, wenn ich dem Baby zu einem wundervollen Start in dieses Leben verhelfen will, dann muss ich mich gut um die Mami kümmern. Sehr gut. Ihr beiden seid jetzt schon tief miteinander verbunden. Dein Baby fühlt dich jetzt schon und dieses Gefühl wird jeden Tag zunehmen.

Wenn du magst, werde ich dir zeigen in tiefe Verbindung zu deinem Baby zu kommen. So wie es die Mütter seit Jahrtausenden von Jahren getan haben.“ 

Amelie schaute beeindruckt zurück. Waren es die Worte oder die Ausstrahlung Reema’s gewesen? Sie wusste es nicht. Diese Frau war etwas Besonderes. Und sie vermittelte ihr ein Gefühl das sie kannte. Nur woher?


„Du weißt genau was jetzt in meinem Körper aufläuft, oder?“ fragte sie vorsichtig. Reema lächelte weise: „Ich weiß es und weiß es nicht. Ich kann dir sagen welche Vorgänge sehr wahrscheinlich gerade ablaufen. Doch wie die Natur dieses Orchester an komplexen Abläufen dirigiert, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Und das ist gut so. Wir müssen nicht alles erklären können. Wenn du magst dann nehme ich dich mit in die Welt deines Babys.“

Oh ja, das wollte Amelie. Sie wollte alles wissen. Wollte die Magie ergründen. Wollte staunen und fühlen. 


Amelie begann an diesem Ort der Kraft und Ruhe ein- und auszugehen. Es war stets jemand da. Ohne Struktur. Ohne Plan. Ohne Kurse. Es war eine Art Präsenz, die allein jede Frau in die Ruhe brachte. 

Herr Narajan hatte Reema seit langer Zeit besuchen wollen. Jetzt, da sie Amelie unter ihre Fittiche genommen hatte, schien ihm der geeignete Moment gekommen zu sein. 


Als Herr Narajan den Raum betrat, schienen die Energien von ihm und Reema zu verschmelzen. Es entstand eine große Kraft die fast körperlich zu spüren war.

Jetzt wusste Amelie an wen Reema sie erinnerte. Es war Herr Narajan. Ihre Ausstrahlung, ihre Energien waren unglaublich ähnlich. Die beiden schienen sich ohne Worte zu verständigen, bewegten sich fast im Gleichtakt. 

...

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