Neuauflage der afrikapolitischen Leitlinien
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Die afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung 2025 bieten eine umfassende Orientierung für die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent.
Sie betonen das Ziel, Partnerschaften auf der Grundlage von Transparenz, Reziprozität und gemeinsamer Verantwortung zu gestalten.
Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung der jungen, wachsenden Bevölkerung Afrikas, die künftig maßgeblich die Beziehungen zu Deutschland prägen wird. In einer zunehmend multipolaren Weltordnung positioniert sich Deutschland als strategischer Akteur, der sich für eine regelbasierte, inklusive internationale Ordnung einsetzt.
Ein zentrales Anliegen der Leitlinien ist die gemeinsame Bewältigung globaler Herausforderungen. Der Fokus liegt auf Themen wie der Klimakrise, dem Biodiversitätsverlust, der Sicherstellung der Ernährungssicherheit und der Bekämpfung von Pandemien.
Hierbei wird die enge Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten und Organisationen angestrebt, um multilaterale Lösungen zu finden. Gleichzeitig fordern die Leitlinien eine stärkere Integration afrikanischer Staaten in globale Entscheidungsprozesse, beispielsweise durch einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit legt die Bundesregierung großen Wert auf nachhaltiges Wachstum, den Ausbau lokaler Wertschöpfung und die Diversifizierung der Lieferketten. Dabei sollen afrikanische Staaten unterstützt werden, ihre Wirtschaft zu diversifizieren und nachhaltige Industrialisierungsprozesse umzusetzen, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien und Wasserstoffproduktion. Das Bekenntnis zur Unterstützung der afrikanischen Freihandelszone zeigt, dass Deutschland den wirtschaftlichen Integrationsprozess Afrikas als wichtige Grundlage für den Aufbau stabiler Märkte ansieht.
Ein weiterer Schwerpunkt der Leitlinien ist die Förderung demokratischer Resilienz, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Deutschland will insbesondere Bildung, Wissenschaft und eine freie Zivilgesellschaft fördern, um stabile gesellschaftliche Strukturen zu schaffen. Die Leitlinien enthalten zudem ein klares Bekenntnis zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit und betonen, dass ein respektvoller Dialog mit afrikanischen Partnern geführt werden soll.
Sicherheits- und friedenspolitisch strebt Deutschland an, afrikanische Sicherheitsstrukturen und Friedensmissionen gezielt zu unterstützen. Dabei soll sowohl die Prävention von Konflikten als auch die Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen im Vordergrund stehen. Gleichzeitig wird betont, dass Klima- und sicherheitspolitische Fragen eng miteinander verzahnt sind, da klimabedingte Ressourcenknappheit zunehmend als Konflikttreiber wirkt.
Trotz der umfassenden Ansätze und Ziele der Leitlinien gibt es auch kritische Punkte.
Positiv hervorzuheben ist der ganzheitliche Ansatz, der wirtschaftliche, soziale und sicherheitspolitische Aspekte berücksichtigt und sowohl staatliche als auch zivilgesellschaftliche Akteure einbezieht. Die Betonung der Bildung und der Förderung der Jugend sowie der geschlechtergerechten Teilhabe zeigt das Bestreben Deutschlands, eine langfristige und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Ebenso ist der multilaterale Ansatz, der auf Kooperation mit Organisationen wie der Afrikanischen Union setzt, ein starker strategischer Punkt.
Jedoch bleiben einige Herausforderungen bestehen. Die praktische Umsetzung der angekündigten Maßnahmen zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte könnte auf politische und gesellschaftliche Widerstände stoßen – sowohl in Afrika als auch in Deutschland. Zudem besteht die Gefahr, dass der Verweis auf Afrika als Rohstofflieferant für die deutsche Energiewende alte Abhängigkeitsmuster befördert, falls nicht gleichzeitig nachhaltige Wertschöpfungsketten aufgebaut werden. Auch die geplanten sicherheitspolitischen Maßnahmen, darunter militärische Kooperationen, könnten kritisch betrachtet werden, vor allem in Staaten mit fragilen demokratischen Strukturen und Menschenrechtsproblemen.
Die afrikapolitischen Leitlinien 2025 wirken auf den ersten Blick wie eine ambitionierte Neuausrichtung. Doch stellt sich die berechtigte Frage, ob es sich hierbei nicht um „alten Wein in neuen Schläuchen“ handelt.
Viele der formulierten Ziele – wie die Förderung wirtschaftlicher Kooperationen, die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Unterstützung demokratischer Strukturen und die Einbindung der Zivilgesellschaft – sind seit Jahren Bestandteile der deutschen Afrikapolitik.
Neu ist jedoch die verstärkte Betonung auf Partnerschaftlichkeit und Selbstbestimmung sowie der Fokus auf die Dekolonialisierung des Diskurses. Ob diese Neuausrichtung tatsächlich mit konkreten Maßnahmen untermauert wird oder ob etablierte Muster lediglich mit einer neuen Rhetorik versehen wurden, bleibt abzuwarten. Es stellt sich die Frage, inwieweit Deutschland bereit ist, eigene Interessen gegebenenfalls zurückzustellen, um afrikanischen Staaten mehr Gestaltungsspielraum zu geben.
Ein zentrales Thema, das in den Leitlinien zwar indirekt adressiert, aber nicht konkret benannt wird, ist der geopolitische Wettbewerb mit anderen Mächten, insbesondere China, Russland und den Golfstaaten.
China ist in vielen afrikanischen Ländern als wichtigster Handelspartner, Investor und Infrastrukturanbieter präsent und verfolgt mit seiner „Belt and Road“-Initiative klare wirtschafts- und machtpolitische Ziele. Während Deutschland und die EU auf multilaterale Zusammenarbeit und faire Handelsabkommen setzen, stellt sich die Frage, ob diese Ansätze ausreichen, um den chinesischen Einfluss einzudämmen oder zumindest ein Gegengewicht zu schaffen.
Der chinesische Ansatz, groß angelegte Infrastrukturprojekte zu finanzieren und dabei oft auf politische Bedingungen zu verzichten, verschafft China strategische Vorteile. Deutschland hingegen betont Good Governance, Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards. Dies ist zwar ein nachhaltigerer und ethisch überlegener Ansatz, könnte jedoch im kurzfristigen Wettbewerb als unflexibler wahrgenommen werden.
Auch andere Staaten wie Russland, das sicherheitspolitisch in Afrika expandiert, und die Golfstaaten, die mit Finanzhilfen und Investitionen Einfluss gewinnen, bleiben in den Leitlinien weitgehend unerwähnt. Diese Akteure prägen zunehmend die politische und wirtschaftliche Landschaft in Afrika. Ohne eine klare Strategie, wie Deutschland mit diesem Wettbewerb umgehen will, könnten die Leitlinien Gefahr laufen, wirkungslos zu bleiben.
Die Veröffentlichung der Leitlinien kurz vor der Bundestagswahl wirkt strategisch, könnte jedoch auch politisch riskant sein. Einerseits signalisiert die Bundesregierung Stabilität und Weitsicht, andererseits könnte der Zeitpunkt als Wahlkampfmaßnahme kritisiert werden. Eine mögliche neue Regierung unter der CDU könnte die Leitlinien ändern und andere Akzente setzen. Die CDU hat in der Vergangenheit betont, dass sie außenpolitisch pragmatisch handelt und wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen stärker in den Vordergrund rücken will. Themen wie Migrationskontrolle und Fluchtursachenbekämpfung könnten eine größere Rolle spielen, während die Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit möglicherweise an Bedeutung verliert. Gleichzeitig könnte der Fokus auf Rohstoffpartnerschaften und Energiekooperationen stärker betont werden.
Insgesamt sind die afrikapolitischen Leitlinien 2025 ambitioniert und streben eine langfristige, nachhaltige Zusammenarbeit an. Die Herausforderung besteht darin, diese Ziele in konkrete Maßnahmen umzusetzen und sie langfristig zu verankern, unabhängig von Regierungswechseln und geopolitischen Veränderungen. Nur wenn Deutschland als verlässlicher Partner auftritt, der afrikanische Perspektiven ernst nimmt und eigene Interessen transparent formuliert, können diese Leitlinien eine zukunftsweisende Grundlage für die Afrikapolitik darstellen.
The Federal Government's Africa Policy Guidelines 2025 provide comprehensive orientation for political and economic cooperation with the African continent.
They emphasise the goal of shaping partnerships based on transparency, reciprocity and shared responsibility.
The importance of Africa's young and growing population is particularly emphasised, and will have a significant impact on future relations with Germany. In an increasingly multipolar world order, Germany is positioning itself as a strategic actor committed to a rules-based, inclusive international order.
A central concern of the guidelines is the joint management of global challenges. The focus is on topics such as the climate crisis, the loss of biodiversity, ensuring food security and combating pandemics.
In this context, close cooperation with African states and organisations is sought in order to find multilateral solutions. At the same time, the guidelines call for greater integration of African states into global decision-making processes, for example through a permanent seat on the United Nations Security Council.
In the area of economic cooperation, the German government attaches great importance to sustainable growth, the expansion of local value creation and the diversification of supply chains. In this context, African states are to be supported in diversifying their economies and implementing sustainable industrialisation processes, particularly in the areas of renewable energies and hydrogen production. The commitment to support the African Free Trade Area shows that Germany views the economic integration process in Africa as an important basis for building stable markets.
Another focus of the guidelines is the promotion of democratic resilience, the rule of law and human rights. In particular, Germany wants to promote education, science and a free civil society in order to create stable social structures. The guidelines also contain a clear commitment to coming to terms with Germany's colonial past and emphasise that a respectful dialogue should be conducted with African partners.
In terms of security and peace policy, Germany aims to provide targeted support for African security structures and peace missions. The focus here is on conflict prevention as well as on combating terrorism and organised crime. At the same time, it is emphasised that climate and security policy issues are closely interlinked, as climate-related scarcity of resources is increasingly acting as a driver of conflict.
Despite the comprehensive approach and objectives of the guidelines, there are also critical points.
On the positive side, the holistic approach should be emphasised, which takes into account economic, social and security aspects and involves both state and civil society actors. The emphasis on education and youth empowerment, as well as gender-equal participation, demonstrates Germany's commitment to promoting long-term and sustainable development. Likewise, the multilateral approach, which relies on cooperation with organisations such as the African Union, is a strong strategic point.
However, some challenges remain. The practical implementation of the announced measures to come to terms with German colonial history could meet with political and social resistance – both in Africa and in Germany. Furthermore, there is a risk that referring to Africa as a supplier of raw materials for the German energy transition will promote old patterns of dependency if sustainable value chains are not established at the same time. The planned security policy measures, including military cooperation, could also be viewed critically, especially in states with fragile democratic structures and human rights problems.
At first glance, the Africa Policy Guidelines 2025 appear to represent an ambitious realignment. However, the question arises as to whether this is not just ‘old wine in new bottles’.
Many of the formulated goals – such as promoting economic cooperation, combating the causes of flight, supporting democratic structures and involving civil society – have been part of German Africa policy for years.
What is new, however, is the increased emphasis on partnership and self-determination, as well as the focus on the decolonisation of discourse. It remains to be seen whether this reorientation will actually be underpinned by concrete measures or whether established patterns will merely be given a new rhetoric. The question arises as to what extent Germany is prepared to put its own interests on the back burner in order to give African states more leeway.
One central topic that is indirectly addressed in the guidelines but not specifically mentioned is the geopolitical competition with other powers, particularly China, Russia and the Gulf states.
China is present in many African countries as the most important trading partner, investor and infrastructure provider, and is pursuing clear economic and power-political goals with its ‘Belt and Road’ initiative. While Germany and the EU are focusing on multilateral cooperation and fair trade agreements, the question arises as to whether these approaches are sufficient to contain Chinese influence or at least create a counterweight.
China's approach of financing large-scale infrastructure projects, often without imposing political conditions, gives it strategic advantages. Germany, on the other hand, emphasises good governance, the rule of law and compliance with social and ecological standards. While this is a more sustainable and ethically superior approach, it could be perceived as less flexible in the short term.
Other states, such as Russia, which is expanding its security presence in Africa, and the Gulf States, which are gaining influence through financial aid and investment, are also largely unmentioned in the guidelines. These actors are increasingly shaping the political and economic landscape in Africa. Without a clear strategy for how Germany intends to deal with this competition, the guidelines risk remaining ineffective.
Publishing the guidelines shortly before the federal election appears strategic, but it could also be politically risky. On the one hand, the federal government is signalling stability and foresight, but on the other hand, the timing could be criticised as an electioneering measure. A potential new government under the CDU could change the guidelines and set different priorities. In the past, the CDU has emphasised that it acts pragmatically in foreign policy and wants to place a stronger focus on economic and security interests. Topics such as migration control and tackling the causes of flight could play a greater role, while coming to terms with the colonial past could possibly become less important. At the same time, more emphasis could be placed on raw material partnerships and energy cooperation.
Overall, the Africa Policy Guidelines 2025 are ambitious and aim for long-term, sustainable cooperation. The challenge is to implement these goals in specific measures and to anchor them in the long term, independently of changes of government and geopolitical shifts. Only if Germany acts as a reliable partner that takes African perspectives seriously and formulates its own interests transparently can these guidelines provide a forward-looking basis for Africa policy.