Neues aus Absurdistan - pardon: COFAGistan
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat für Mietverträge klargestellt, dass bei teilweiser Unbenützbarkeit aufgrund behördlicher Betretungsverbote dem Mieter gemäß § 1105 Satz 1 ABGB ein Anspruch auf Mietzinsminderung zusteht.
Anders jedoch die Rechtslage bei Pachtverträgen: Gemäß § 1105 Satz 2 ABGB steht dem Pächter im Falle einer teilweisen Unbrauchbarkeit des Pachtobjekts kein Rechtsanspruch auf Pachtzinsminderung zu, wenn die Laufzeit des Pachtvertrages länger als ein Jahr beträgt. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Ungleichbehandlung von Miete und Pacht jüngst für verfassungskonform erkannt (VfGH-Erkenntnis_G_279_2021_vom_30._Juli_2022.pdf).
Und jetzt wird es (un-)lustig:
Mit Novelle zum ABBAG-Gesetz (BGBl I 2021/228) wird in § 3b Abs 7 folgendes festgelegt:
Für den Umfang der Auszahlung von finanziellen Maßnahmen und für die Höhe einer allfälligen Rückforderung nach Abs. 5 ist die tatsächliche Nutzbarkeit des Bestandsobjektes in jenen Zeiträumen, in welchen das begünstigte Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, maßgeblich. Diese tatsächliche Nutzbarkeit kann auch auf der Grundlage des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalles berechnet werden.
Dh, dass Bestandzinse – Miet- und Pachtzinse – von der COFAG nur mehr im Ausmaß der "tatsächlichen Nutzbarkeit" des Bestandobjekts, bezogen auf den vertraglich vereinbarten bedungenen Gebrauch, anerkannt werden.
Die neue Rechtslage soll, so die COFAG, die bisherige Rechtsprechung des OGH wiedergeben, jedoch abgekoppelt von der Entwicklung der zukünftigen Judikatur sein.
Das muss man sich jetzt einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der VfGH erklärt die Ungleichbehandlung von Miet- und Pachtverträgen im ABGB für verfassungskonform und damit für rechtens, während Gesetzgeber und COFAG Miet- und Pachtverträge (fast) gleichzeitig im ABBAG-Gesetz gleichsetzen bzw gleichbehandeln.
Der Gesetzgeber behandelt also Miet- und Pachtverträge in § 1105 ABGB – laut VfGH verfassungskonform – unterschiedlich, hingegen in § 3b Abs 7 ABBAG Gesetz gleich. Ob das verfassungskonform ist?
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Ein Pächter, dessen Pachtobjekt (bei Vertragslaufzeit über einem Jahr) nicht gänzlich (§ 1104 ABGB), sondern nur teilweise unbenützbar war, wird die von der COFAG geforderte Pachtzinsminderung nicht – jedenfalls nicht erfolgreich – geltend machen können (es sei denn der OGH hat noch ein Einsehen und legt § 1105 ABGB verfassungskonform dahingehend aus, dass diese Bestimmung nur solchen Pachtverträgen zur Anwendung kommt, bei denen Verluste infolge Pandemie in folgenden Pachtperioden wieder aufgeholt werden können.; der VfGH hat das mE in völliger Verkennung von betriebswirtschaftlichen Realitäten bei Pachtverträgen – egal ob landwirtschaftliche oder Unternehmenspachtverträge – generell unterstellt: ich kenne jedenfalls niemand, der nach dem Lockdown ins Wirtshaus gestürmt und bei jedem Besuch vier Wiener Schnitzel und acht Melange vertilgt oder zum Ausgleich die Dauer seines Urlaubs im Hotel verlängert hätte….)
Gesetzgeber und COFAG verlangen also von Pächtern etwas, was (mE mit hoher Wahrscheinlichkeit) objektiv geradezu unmöglich ist. Und was geradezu unmöglich ist, kann – wie uns § 878 ABGB lehrt – nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages – auch nicht eines Fördervertrages – werden.
ABBAG-Gesetz und diverse Förderrichtlinien waren von Beginn an ein gewaltiger "Murks". Es beginnt schon beim rechtdogmatisch völlig verfehlten Begriff der "Schadensminderungspflicht" (gemeint: Verpflichtung zur Kostenreduktion) und gipfelt in den komplett verunglückten ursprüngliche FAQs mit den drei alternativen Varianten, die Bestandnehmer wählen konnten, um ihre Bestandzinse gegenüber der COFAG anzusetzen. Alle drei varianten führen "diretissima ins Nirwana" (der Rest ist nachzulesen im Rohbericht des Rechnungshofes. Schwere Kost!).
Nun ist es ja oft so, dass Versuche, einen Murks zu reparieren, diesen nur "verschlimmbessern". Das ist hier perfekt gelungen.
Mit dem Versuch diesen Unfug zu reparieren wurde tatsächlich eine neue Stufe des Wahnsinns erklommen. Man hätte das ganze auch einfacher formulieren können: Pächter werden vom Ersatz von Pachtzinsaufwendungen ausgeschlossen. Ob das verfassungskonform wäre?
Wenn ich mir in der VfGH E 202/2020 (VfGH Entscheidung_G_202_2020_ua_Zlen_vom_14._Juli_2020.pdf) die Begründung (RZ 116 f) so durchlese, mit der der VfGH das Covid MaßnahmenG (Ausnahme von den Entschädigungen lt. EpiG) für nicht verfassungswidrig erkennt, kommen mir doch massive Zweifel:
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass dem Gesetzgeber in der Frage der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt. Wenn sich der Gesetzgeber daher dazu entscheidet, das bestehende Regime des § 20 iVm § 32 Epidemiegesetz 1950 auf Betretungsverbote nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 nicht zur Anwendung zu bringen, sondern stattdessen ein alternatives Maßnahmen- und Rettungspaket zu erlassen (vgl. Punkt 2.3.6. oben), so ist ihm aus der Perspektive des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 2 StGG sowie Art. 7 B-VG nicht entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungen zwar (teilweise) im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 B-VG) erbracht werden. Aus der Fiskalgeltung der Grundrechte (vgl. etwa OGH 23.12.2014, 1 Ob 218/14m; 23.5.2018, 3 Ob 83/18d) folgt aber, dass Betroffene einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf haben, dass ihnen solche Förderungen in gleichheitskonformer Weise und nach sachlichen Kriterien ebenso wie anderen Förderungswerbern gewährt werden.
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2 JahrePlanwirtschaftlicher Interventionismus ahnungsloser Politikerdarsteller ist immer gut zur Arbeitsbeschaffung für Juristen in allen Instanzen.
Geschäftsführer
2 JahreDie Finanz begutachtet derzeit im Auftrag der Cofag intensiv die Förderungen. Dabei stellt sich in vielen Fällen heraus, dass Vereinbarungen zwischen Bestandsgeber und Nehmer, die Anfangs durch die Auslegung der FAQs der Cofag „gedeckt“ waren nun das Papier nicht (mehr) wert sind. 0 Umsatz - 0 Förderung für Bestandszins. Wenig Umsatz - anteilig wenig Förderung für Bedtandszins für Betretungsverbote oder Einschränkungen. So sieht es die COFAG. Die Gutachter (nicht Prüfer) der Finanz sind teilweise mit der Rechtslage überfordert. Schreiben im Inhalt zu vergleichbaren Sachverhalten unterschiedlich „Expertiesen“ - und da es keine Bescheide gibt, gibt es auch keine Möglichkeiten des Einspruchs. In bälde wird es massive Rückforderungen der Cofag (zurecht?) geben und die Fördernehmer können dann die zuviel bezahlte Miete bei den Bestandsgeben zurückfordern und klagen. Und ob der OGH deckungsgleich mit der COFAG entscheidet ist ja nicht zu erwarten. Und wie sagten COFAG, WKO, Ministerien,… jeder Fall ist anders. Also Einzelfälle, die nun über einen Kamm geschoren werden. Das kann nicht gut ausgehen.
RAA bei KWC Rechtsanwälte in Wien, Expertin für Arbeitsrecht, Sozialrecht, Mietrecht, Wohnungseigentum, Medizinrecht
2 Jahre§1105 Satz 2 ABGB geht nun einmal von landwirtschaftlichen Pachtverhältnissen aus und passt nur in diesem Bereich. Hoffentlich hat der OGH bald Gelegenheit zu einer diesbezüglichen Klarstellung und vielleicht wird dann §1105 Satz 2 ABGB einschränkend interpretiert.. Zu bedenken ist wie nahe, auch dank der OGH Judikatur der letzte Jahrzehnte, Geschäftsraummiete und - Pacht beinander liegen. Im Einzelfall weiss man oft erst beim OGH ob Miete oder Pacht vorliegt. Auch unter diesem Aspekt ist die Ungleichbehandlung problematisch.