New Work fruchtet nicht überall

New Work fruchtet nicht überall

„Corona ist eine Chance“ hat man zuletzt oft gehört – es ging dabei nicht zuletzt um Homeoffice, eine moderne Arbeitswelt und der Organisation von Erwerbstätigkeiten, die mehr Flexibilität gestattet. Viele Arbeitnehmer sind zufrieden, wenn sie mehr Zeitautonomie haben und Homeoffice als Symbol für den Fortschritt der Arbeitswelt wurde vielerorts begrüßt. Doch New-Work-Enthusiasmus herrscht nicht überall und in den vergangenen Wochen wurde auch deutlich, dass eine neue Arbeitskultur nicht überall begrüßt wird – und der moderne Arbeitsmarkt auch Tücken mit sich bringt. In den Trends dieser Woche habe ich zwei Beispiele gefunden, die dies besonders gut illustrieren: 

1.     Trigema und der klassische Führungsstil

Der Chef des Mischkonzerns Trigema aus Baden-Württemberg, Wolfgang Grupp, erklärte kürzlich in einem Focus-Interview, dass er von New-Work-Konzepten nichts hält. Er sei gegen die Duz-Kultur, weil er der Auffassung sei, dass nur mit der professionellen persönlichen Ansprache die entsprechend gute Leistung von Mitarbeitern abgerufen werden können. Auch von Flexibilität hält er wenig – sie würde dazu führen, dass falsche Prioritäten gesetzt würden, meint der Manager: 

Freie Zeiteinteilung hieße ja, dass ich meinen Mitarbeitern suggeriere, dass das Privatleben an erster Stelle steht und die Arbeit Nebensache ist und somit die Leistung, die sie mir bringen nicht so wichtig ist. Nur ist Leistung eben das Entscheidende!

Grupp gehört damit zu den Vertretern der klassischen Unternehmensführung, dem das Wohlbefinden der Arbeitnehmer wichtig ist, diese allerdings auf klassischem Organisationsweg erreichen möchte. Er betont, ihm gehe es gut, wenn es den Mitarbeitern gut gehe. Die Leistung ist vorrangig im Beschäftigungsverhältnis. Zudem unterstreicht Grupp, dass er immer für seine Mitarbeiter verfügbar ist – er übernimmt den großen Anteil der Verantwortung, auch was das Management der Arbeit betrifft. 

Der Trigema-Manager hat mit seinen Äußerungen viel Kritik von Selbstständigen, Agile Coaches und Arbeitnehmern, die Flexibilität schätzen, erhalten. Doch dieser Führungsstil scheint vielerorts noch die Regel zu sein. Das Netzwerk Xing kündigte kürzlich an, die Mitglieder per Du ansprechen zu wollen – es hagelte Kritik seitens der Community. Die Motivation für alte Strukturen kann vielschichtig sein – für manche Menschen ist es notwendig die klassische Distanziertheit aufrechtzuhalten, weil ihr Job ausschließlich Erwerbsmittel ist. Andere wiederum möchten das Persönliche vom Beruflichen gänzlich trennen.  Nicht jeder fühlt sich mit flachen Hierarchien oder sucht ein freundschaftliches Verhältnis zur Arbeit. Mit einer größeren Distanz können Leistungsdruck und Stress geringer bleiben. Darüber hinaus müssen Arbeitnehmer weniger Verantwortung tragen, wenn jemand anders für sie die Arbeitsorganisation übernimmt. Die Regeln sind klar abgesteckt. Trotz des New-Work-Hypes darf man nicht vergessen, dass viele Arbeitnehmer aufgrund der Art ihrer Tätigkeit oder persönlicher Präferenzen die alte Ordnung suchen. 

2.     Laudamotion und der zweifelhafte Triumph der Gewerkschaft Vida 

Die moderne Arbeitswelt ist geprägt von individuellen Ambitionen, Flexibilität und Internationalisierung. Dies wird in manchen Branchen besonders deutlich. Im Konflikt zwischen der Fluggesellschaft Laudamotion und der Gewerkschaft Vida spielten sich unerwartete Szenen ab. Die Muttergesellschaft Ryanair bot im Zuge der Verhandlungen in der Coronakrise dem Kabinenpersonal ein Bruttogehalt von 1000 Euro an, die Co-Piloten sollten 1700 Euro Brutto erhalten. Das skurrile: die Mitarbeiter der österreichischen Airline hätten dem Deal zugestimmt – aus Angst um den vollständigen Verlust ihrer Jobs. Die Gewerkschaft Vida hat allerdings lange mit Ryanair um eine bessere Vergütung gekämpft – unter dem Druck der Mitarbeiter, die die Organisation beschuldigte, Jobs zu vernichten. Vida und Ryanair einigten sich auf Bruttogehälter von 1400, bzw. 2000 Euro für das Kabinenpersonal und Co-Piloten. 

Es ist eine erstaunliche Geschichte, in der Arbeitnehmer freiwillig weit unter den österreichischen Mindestlohn gegangen wären. Sie kommen dabei oft aus einkommensschwachen Ländern und wohnen über viele Jahre in WGs – und dennoch sahen sie in der Gewerkschaft Vida keinen direkten Verbündeten. 

Für Gewerkschaften stellt sich zunehmend die Frage, wie bessere Arbeitsbedingungen erstritten werden sollen, wenn die kollektive Organisation unwahrscheinlicher wird. Arbeitnehmer sind allein eher bereit dazu Abstriche bei Gehältern und Arbeitsbedingungen zu machen – sie sehen den Wettbewerb anstatt des klassischen Arbeiterkampfs, bei dem Arbeitnehmer einen fast monolithischen Block formierten und Druck ausübten. Das Aushandeln von Arbeitsbedingungen wird zunehmend zur individuellen Frage, in der es nicht darum geht, was grundsätzlich erstrebenswert wäre, sondern was für einen selbst wichtig ist. 

Der Weg zur modernen Arbeitsorganisation ist lang

Die beiden Beispiele zeigen: es gibt Tücken in Zusammenhang mit New-Work-Konzepten. Auch wenn die moderne Arbeitsorganisation zu mehr Flexibilität, Zufriedenheit und Produktivität führen kann, darf man nicht vergessen, dass die Uhren in Deutschland vielerorts noch anders ticken. Etablierte Modelle werden mit Erfolg weitergeführt. 

Dies könnte sich perspektivisch ändern, denn die Prioritäten der Arbeitnehmer scheinen sich zu wandeln – die Suche nach Eigenverantwortung, Gestaltungsfreiheit und mehr Work-Life-Balance sind deutlich. Doch mit dieser Flexibilität ist bisher tatsächlich nicht geklärt, wie Arbeitsbedingungen gesichert und verhandelt werden. Das Laudamotion-Beispiel ist ein Extrem, jedoch verdeutlicht es, dass die Einstellung vieler Arbeitnehmer sich in Richtung individueller Verantwortung richtet. Auf welche Weise Arbeitnehmer ihr Arbeitsumfeld ausverhandeln, wird in jedem Unternehmen voraussichtlich anders verlaufen – man darf gespannt sein.  

Das New Work nicht überall fruchtet, dem stimme ich voll und ganz zu. Ich denke, dass es viel mit Unsicherheit (gerade in der aktuellen Zeit) und Unwissenheit zu tun hat. Wie soll ich mein Unternehmen verändern, wenn ich selber nicht weiß wie? Woher soll ich es auch wissen, wenn bis dato keine Notwendigkeit da war. Jetzt schreien alle nach mehr Home-Office und Flexibilität, weil wir gezwungen sind/waren so zu arbeiten und wir finden es gut. Ich denke aber, dass diese Extremsituation bei vielen zu völliger Überforderung geführt hat und dadurch eher auf #Krisenmodus gestellt wurde. Back to the roots statt New Work. Nicht alle Aspekte von New Work passen zu jedem Unternehmen. Ich sehe es mehr als einen Werkzeugkasten aus dem sich jeder bedienen kann, mit dem Werkzeug, das er gerade braucht. Aber bitte nicht alles auf ein Mal auskippen! In der aktuellen Zeit ist es in meinen Augen wichtig hinzuhören, mit den Kollegen / Mitarbeitern zu sprechen was deren Bedürfnisse sind und parallel dazu eine Retro zu machen. Was haben wir in der aktuellen Situation gelernt, was lief gut / was kann verbessert werden. Daraus können dann die ersten Schritte Richtung New Work gegangen werden, die von den Mitarbeitern begrüßt und akzeptiert werden.

Tobias Illig

Grenzgänger zwischen Familientherapie, Persönlichkeitsentwicklung und Management Consulting.

4 Jahre

Grupp pflegt einen patriarchalischen Stil mit entsprechendem mindset. Diese alte Garde sind gar nicht so wenige. Und tatsächlich: Nicht alle wollen sich gleich duzen, weswegen beispielsweise auch ich für solche Leute eine Herausforderung oder gar „Zumutung“ bin. 😂😂 (Mir egal! Wer mit mir arbeiten will, muss sich duzen lassen. Nur ganz wenige sieze ich, das aber bewusst mit viel sozialer Nähe!) New Work ist für Bergmann „Arbeit im Minirock“. Damit ist alles gesagt. Das, was da in Unternehmen gemacht wird, hat mit Bergmann nichts zu tun. @Markus hat ja versucht, Bergmann für Unternehmen in einen 6-Punkte-Evaluation zu bringen. Auch gut, aber mit der Gesellschaftsutopie hat das auch weniger zu tun. Es geht dabei doch viel mehr um Fragen wie gerechte Umverteilung, Produktion von Gütern (mit Robotern, was sollen dann die Menschen machen?), welche Rolle spielt der Mensch überhaupt in der Neuen Welt maschinengeführter Fabriken und von KI durchdrungener Arbeitsautonatisierung? Was gibt uns Sinn, usw.! Das sind viel existenziellere, ja gar anthropologische Fragen als dieses billige „Wie machen wir HomeOffice? Welche Farbe kriegt unser Kreativraum? Wie flexibilisieren wir Arbeitszeit“-Gedöns. Das ist KEIN New Work.

Antoinette Weibel

Good Rocks | Trust | Good Organisations | Engaged Scholar | Top 40 #KoepfeHR

4 Jahre

Die Frage ist doch hier - mal wieder - was New Work ist. Wenn wir uns das ursprüngliche Konzept von Frithjof Bermann anschauen geht es um eine humanistische neue Weltordnung. Seine Aussagen sind normativ - und man kann sich damit auch v.a. normativ auseinandersetzen. Ich persönlich konzentriere mich mehr auf den humanistischen Kern seiner Aussagen zur Arbeit im engeren Sinne - frei übersetzt: Arbeit die erfüllt und glücklich macht ist mit intrinsischer Motivation, geistiger Entfaltung und Stärkenentwicklung eng gekoppelt (bedingen einander). Zudem - und das macht mehr die empirische Grundlage aus Positive Organizational Scholarship klar - ist diese gute Arbeit auch mit wünschbaren Effekten für Organisationen verbunden (und zwar unabhängig davon, welche Strategie ein Unternehmen verfolgt oder was es anbietet). So gewendet gibt es wenig Gründe dafür, den Mitarbeitenden Selbstbestimmung zu verweigern - wenn diese auch immer als Lernkreislauf gesehen werden sollte. Ob "duzen" hier dazu gehören muss oder "Homeoffice" finde ich sekundär und stört auch eher die Grundidee von "neuer Arbeit". Diese soll in erster Linie Kompetenzerfahrung (Lernen), empowerend (Selbstbestimmung) und Beziehungskiste (positive Zusammenarbeit) fördern...

Ritchie Pettauer

🟦 Dein Unternehmen + Ritchie3x3 = LinkedIn™️Erfolg 🔹 Hands-on Workshops für Marketing & Sales Teams🔹B2B Influencer Marketing | Ads | Sales Navigator | C-Level Branding 🎤 Lieber #Erzähler als #KeynoteSpeaker ⬇️ 🐕

4 Jahre

Ich finde es hochgradig befremdlich, die Befindlichkeiten einzelner Manager als Grundlage dafür zu nehmen, dass ein wertschätzender Umgang nicht angebracht sei. Spannender Artikel, den ich hier keineswegs kritisieren möchte, wohl aber die Aussage von Herrn Grupp. Ich will da gar nicht groß argumentieren, aber es nicht allzu lange her, da schien es im DACH-Raum unvorstellbar, dass Kinder ihre Eltern per du anreden. Wer nicht versteht, dass Sprache ein fluides Konstrukt ist, könnte möglicherweise auch in anderen Bereichen nicht mit übergroßem Hang zur Agilität gesegnet sein.

Rike Gloy-Brüchmann

↠ Mentorin für Frauen | Goldener Kreis ↠ Female Creatives Coaching ↠ Life Upgrade mit Frequenzen

4 Jahre

Sehr informativer Artikel, danke!

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