Nur mal eben kurz die Welt retten...

Nur mal eben kurz die Welt retten...

Eine Kurzanleitung für garantiert katastrophale Management-Offsites


Das Management-Team verschwindet für zwei Tage hinter geschlossenen Türen und schon ist sie fertig - die Strategie für das nächste Jahr, samt catchy Slogan. Und weil der Chef einen guten Tag hat, gibt es zum Einstieg sogar noch ein Meme. So geht Firmenführung, dachte ich als Jungspund. Nur Eingeweihte wissen, welche Dramen sich Jahr für Jahr wirklich auf den Management-Offsites abspielen. Und damit auch Ihr nächstes Offsite garantiert katastrophal verläuft, habe ich die besten Tipps für Sie gesammelt:

  1. Vorbereitung ist für Streber: Die Agenda fürs Offsite wird am besten spontan am ersten Morgen ausgewürfelt. Fakten sind für Loser, echte Führungskräfte haben alles im Urin. Und wer sich akribisch vorbereitet hat, ist offenbar in seinem Job nicht ausreichend ausgelastet und sollte dringend mit weiteren Sonderprojekten belegt werden, damit sich das beim nächsten Offsite nicht wiederholt.
  2. Telefon nie lautlos stellen: Egal, wie weit man sich in die Berge zurückgezogen hat, ohne das Management läuft im Büro natürlich nichts. Und so klingelt ununterbrochen mindestens ein Natel im Raum. Wer am häufigsten vor die Tür geht, steht in der ungeschriebenen Micromanagement-Hierarchie ganz oben (daher unbedingt auch der Schwiegermutter Bescheid geben, dass sie sich an diesen Tagen jederzeit gern für ein Schwätzchen melden kann). Wichtig ist nämlich, dass sich nie alle Offsite-Teilnehmer gleichzeitig im Raum befinden. So kann im Nachhinein zu allen Weichenstellungen noch gebührendes Second-Guessing durchgeführt werden und wenn der Karren an die Wand fährt, kann man mindestens bei einem Teil der Entscheide felsenfest behaupten: Das habe ich so nicht abgesegnet!
  3. Unbedingt einen über den Durst trinken: Verkatert scheitert das Hirn schon an den simpelsten Gedankengängen und begnügt sich mit solider Mittelmässigkeit. So halten Sie übertriebenen Qualitätsanspruch unter Kontrolle und stellen sicher, dass Sie an Tag zwei auf keinen Fall pünktlich starten können. Sie suchen noch Inspiration für ein möglichst infantiles Trinkspiel? Eine Runde Schnaps-Looping-Louie eignet sich hervorragend als Eisbrecher am Abend. Da lockert sogar der CFO den Schlips. Gern geschehen! Profis haben übrigens schon bei der Anreise einen im Tee.
  4. Alleingänge durchwinken: Warum gemeinsam über der Firmenvision brüten? Viel besser ist es, jemand schreibt sie über Nacht rasch vor und bringt sie am nächsten Morgen direkt mit. Das spart richtig viel Zeit und gepaart mit genug konformistischer Denke sind auch alle gleich mit an Bord, egal wie schäbig der Entwurf ist. Alle unausgefochtenen Strategiefragen können nun in Ruhe ein weiteres Jahr unter der Decke schwelen.
  5. Gemeinsam minutiös den Firmen-Backlog planen: Den Mitarbeiter/innen eine solide Rahmenstrategie und Entscheidungsfreiraum geben? Wo kämen wir denn da hin! Bringen Sie lieber alle Feature-Vorschläge, Ideen und Projektlisten ausgedruckt mit, kauern Sie sich gemeinsam auf den kalten Boden und sortieren Sie stundenlang Post-its in die perfekte Umsetzungsreihenfolge. Je weniger Kontext Sie zu einem Thema haben, desto vehementer sollten Sie Ihre Meinung dazu vertreten. Dieser Programmpunkt sollte mehrere Stunden in Anspruch nehmen und auf keinen Fall vollständig abgeschlossen werden. Falls Sie zu schnell vorankommen, gönnen Sie sich noch ein, zwei Runden Schnaps, das hilft.
  6. Die wichtigsten Themen gehören immer ans Ende: Nichts verleiht einem Offsite einen so unvergesslichen Höhepunkt wie vollkommen überhastete Entscheidungen in den letzten Minuten vor der Abfahrt. Wichtig ist auch, dass bereits am nächsten Morgen ein grosses All-Hands-Strategie-Meeting in der Firma anberaumt ist. Die Belegschaft tappt schliesslich aktuell komplett im Dunkeln und wartet sehnsüchtig auf den neuen strategischen Kurs (der übrigens unbedingt eine Kehrtwende zu allen bisherigen Vorgaben darstellen sollte, nur so kann sich der handelsübliche Mitarbeiter die neuen Ziele merken). Daher empfehle ich möglichst ausgiebiges rhetorisches Blutvergiessen zu allen kontroversen Themen bis 19.55 Uhr gefolgt von einem halbgaren faulen Kompromiss, den die Praktikantin dann morgen früh noch mit einer Chat-GPT-Tagline für die Strategie 2024 aufpeppt.
  7. Pro-Tipp: Lassen Sie am nächsten Tag die Gesamtrechnung für das fancy Management-Offsite neben dem Drucker im Hauptgang zur allgemeinen Einsicht liegen. Natürlich nicht, ohne vorher noch alle Team-Budgets um mindestens 50% zu kürzen.

Fertig. Das sollte für ausreichend Klarheit und gute Stimmung reichen, bis es in einem Jahr wieder heisst: Auf zum nächsten Strategie-Offsite!


Tanja Lau ist Gründerin der Product Academy und unterstützt Firmen auf dem Weg zur schnell lernenden (Produkt-)Organisation. Aktuelle Mentoring-Programme, Online-Kurse und In-House-Optionen zu Themen wie "Outcome-based Product Management" findet Ihr online unter www.productacademy.ch


Johannes C. D.

☁ Executive Cloud Strategy Advisor | M.Sc. | Technology Strategist | Chief Enterprise Architect | Data-Driven Innovator

1 Jahr

Stimmt Schön mit paar Ergänzungen 😉

Judith Oldekop

HR Business Partnerin bei Zürcher Kantonalbank

1 Jahr

Ich hätte noch einen: HR Themen ans Ende traktandieren, damit die Chancen gut stehen, dass sie nicht behandelt werden 😉

👾Carole Jeanne Yvonne Gächter👾

Your Holistic Innovation Turbo Booster🚀 CoachSultant for ambitious Companies, Executives, and neurodivergent Spicy Brains💡Former Executive @ Continental, Twint, Coop, Schulthess & AI Consultant, Startup Founder...

1 Jahr

Köstlich😄

Josua Ziegler

Guiding digital health and sports innovators to build products customers love

1 Jahr

😁 Nice und leider nicht nicht so unwahr

Vivienne Clement

Product Owner at Swiss Post

1 Jahr

Brilliant article Tanja Lau 🦋. I really had a laugh!

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