Persönlichkeiten in der Einkaufsorganisation. III) Der Verhandler

Persönlichkeiten in der Einkaufsorganisation. III) Der Verhandler

In den meisten industriellen Geschäftsmodellen, die auf der Grundlage einer verteilten Wertschöpfungskette bestehen, gibt es mitunter starke bilaterale Abhängigkeiten. Die grundsätzliche Eigenschaft solcher B2B Geschäfte ist es, dass die Kosten und der Nutzen der Geschäftsverbindung von beiden Marktpartnern stark beeinflusst wird. Oft bezeichnet man diese Beziehungen auch mit Win-Win Verbindungen. Das Geschäft ist für beide Partner nur dann erfolgreich, wenn es von beiden Parteien unterstützt wird. Dazu muss jede Seite den Eindruck haben, großen Nutzen aus dieser Geschäftsverbindung zu ziehen. Sobald das Geschäftsmodell aus dem Gleichgewicht gerät – also einer der Partner wenig Nutzen sieht, verschwindet das Geschäft gänzlich. Die Hebel beider Partner sind mehr oder weniger gleichstark.

Eine sehr typische Ausprägung eines solchen Geschäfts ist das Single-Sourcing. Der Lieferant investiert sehr spezialisiert in Produktionseinrichtungen auf denen er exklusiv Produkte für einen Kunden herstellt. Beim Ausstieg aus diesem Geschäft sind die betroffenen Anlagegüter nicht mehr verwendbar. Die Fixkostenabsorbtion geht teilweise verloren. Verliert andererseits der Kunde den Lieferanten, verliert er die Lieferfähigkeit und muss mit hohen Ausfallkosten rechnen. Ein Lieferantenwechsel hat hohe Investitionen und ein verschlechtertes Qualitätsniveau zur Folge. Lieferant und Kunde sind gegenseitig abhängig.

Beispiele für das Scheitern solcher Verbindungen sind hinreichend aus der Automotivindustrie bekannt. Kann der Single-Source-Lieferant mit dem Ihm zugestandenen Preis nicht mehr wirtschaften zerfällt die Parterschaft schlagartig, oft mit viel unerfreulichen Nachbeben. Ein gutes Beispiel war vor einigen Monaten der Konflikt zwischen Volkswagen und Prevent. Fehlende Zugeständnisse für Kostenkompensationen in einer der Prevent-Gesellschaften führten dazu, dass der Lieferant die Lieferungen aller Tochtergesellschaften an Volkswagen einstellte. Bei Volkswagen standen tagelang wichtige Linien still, die Kosten waren sicherlich enorm.

Um den Status einer Win-Win Situation zu halten, ist nicht nur am Beginn einer Geschäftsbeziehung viel Kommunikation und Entscheidungsfähigkeit notwendig, sondern auch während des Bestehens.

Hier kommt nun der Verhandler-Einkäufer ins Spiel.

Dieser Einkäufer hat zunächst die Aufgabe die Architektur von Win-Win Geschäften zu koordinieren. Der Aufbau dieser Beziehungen erfordert viel Einfühlungsvermögen in die Anliegen und Anforderungen des potenziellen Lieferanten. Einfache Angebotsvergleiche sind nicht aussagekräftig. Um in diesem Feld gute Ergebnisse zu erreichen, müssen viele weiche und harte Faktoren berücksichtigt werden. Der Verhandler-Einkäufer tritt dabei als Vermittler und gelegentlich auch Schlichter auf. Er muss einerseits beurteilen können welche Anforderungen die eigene Gesellschaft hat, andererseits darf er die Anforderungen und Voraussetzungen des Lieferanten nicht außer Acht lassen – manchmal auch zum Leidwesen der Teamkollegen im eigenen Hause.

So ist es eine seiner Hauptaufgaben, die Erstellung der Anforderungen an eine Zusammenarbeit gemeinsam vor einem Projekt mit den Fachabteilungen zu moderieren. Ergebnisse sind gewöhnlich technische Beschreibungen, Spezifikationen, Lastenhefte, Regulatorische Randbedingungen uvam.

Zunächst wird er ein hartes zeiteffizientes Vorauswahlverfahren durchführen. Sobald eine von allen Beteiligten qualifizierte "Shortlist" erstellt ist, wird er seine Strategie ändern und in den meisten Fällen die „weichen Fakten“ abklopfen um gemeinsam mit dem Projektteam eine möglichst einstimmige Auswahl für einen endgültigen Lieferanten festzulegen.

Wenn er professionell in seinem Aufgabenfeld agiert, versucht er nun nichtlineare Vorteilseffekte geschickt zu platzieren. Dies heißt, dass er für seine Partei eher kleinwertige Zugeständnisse z.B. in Form veränderter Rand- oder Vertragsbedingungen definiert, die für den Lieferanten aber einen erheblichen Vorteil bedeuten. Diese Zugeständnisse wird er nun versuchen für einen Preis zu verkaufen, der im Bereich der Lieferantenwahrnehmnung liegt. Die Verhandlungsergebnisse werden sofort in der Verhandlung in einen Vertragsrahmen gefaßt. Idealerweise stehen Vertäge als Vorlagen und passende Textbausteine schon zur Verfügung. Auch wenn ein Vertrag während der Laufzeit einer Lieferbeziehung im Konfliktfall idealerweise nicht herangezogen werden soll, ist er ein wichtiges Dokument in dem die Partner ihre grundsätzlichen Spielregeln darlegen. 

Während der Laufzeit einer Lieferbeziehung bleibt der Verhandler-Einkäufer ein regelmäßiger Ansprechpartner für Fachabteilungen und Lieferanten. Er erkennt Konfliktsituationen im Voraus und und steuert den Interessenausgleich zum Vorteil seiner Gesellschaft ohne das Geschäft zu stören. Hierzu ist viel diplomatisches Geschick notwendig. Sein Netzwerk spannt sich innerhalb des eigenen Unternehmens und über sein Lieferantenportfolio auf.

Typische Projekte für den Verhandler-Einkäufer sind:

-         Große CAPEX Projekte

-         Zukaufteile

-         Externe Wertschöpfung (Montagen, mech. Bearbeitung, thermische Behandlungen)

-         Große Werkverträge

-         Vom Kunden gesetzte produktnahe Zulieferer

-         Wartungsverträge

-         …

Die Bewertung der Leistung dieses Einkäufers ist äußerst komplex. Ein Projektbudget ist meist nicht als sinnvolle Referenz geeignet. In vielen Projekten entsteht ein Mehrwert während eines Projektes, der nachträglich nicht mehr bewertet werden kann. Da die Projekte starke Unterschiede in der Größenordnung aufzeigen, kann man auch die reine Anzahl von Verhandlungen nicht als geeignete Referenz betrachten. Die sinnfälligste Beurteilung ist meist das Verhandlungsergebnis anhand der Erstangebote zu messen. Allerdings ist hierfür ein transparenter Vergabeprozeß eine Grundvoraussetzung.

Ich schlage die folgenden KPI zur Performancedarstellung vor:

-         Price/cost reduction against first offer of finally nominated supplier

-         Number of Conflict-incidents after closing (definition of an Incident necessary)

-         Savings/advantages against budget (only in well budgeted projects)

-         Project profit margin (long term projects)



Bernhard Rau, Schaffhausen 31.1.2017

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